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Sicherheit - für wen und vor wem?
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Dieser Text wurde im Mai 2018 aktualisiert.
Seit der israelischen Unabhängigkeit 1948 kam es zu mehreren regionalen Kriegen, an denen Israel und seine arabische Nachbarn beteiligt waren, sowie zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israel und palästinensischen Gruppen. Aufgrund der konfliktbeladenen Vergangenheit nimmt das Thema Sicherheit eine zentrale Rolle in den Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern ein. Mit dem Osloer Friedensprozess der 1990er Jahre wurden daher zwei strategische Sicherheitsziele verfolgte:
- Einerseits sollte dem im Werdungsprozess befindenden palästinensischen Staat durch den Aufbau eigener Sicherheitskräfte die Wahrung der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung ermöglicht werden.
- Andererseits sollten konventionelle und asymmetrische Gefahren für Israel verhindert werden, die durch die Übergabe von Territorien und Kompetenzen in palästinensische Hände entstehen könnten.
Sicherheit in den Osloer Verträgen
Während der 1990er Jahre haben Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) mehrere Verträge unterschrieben, die die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates zum Ziel hatten. Die „Prinzipienerklärung über die vorübergehende Selbstverwaltung“ (Oslo I) von 1993 ist die erste dieser Vereinbarungen und definiert die Rahmenbedingungen für eine fünfjährige Interimsperiode, an deren Ende eine umfassende Endstatusvereinbarung erreicht werden sollte. Artikel XIII der Prinzipienerklärung regelt in knappen Worten die Rollenverteilung im Sicherheitssektor zwischen Israel und der neu zu gründenden Palästinensische Autonomiebehörde (PA). Die PA soll eine „starke Polizeitruppe“ errichten, um die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit in den an sie übertragenen Gebieten sicherzustellen. Israel wird mit der Außenverteidigung betraut und ist für die Sicherheit seiner Bürger verantwortlich.
Das 1995 verabschiedete „Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen“(Oslo II) bestätigt und konkretisiert diese Rollenaufteilung. Israel wird für die fünfjährige Interimsperiode mit der Sicherung der Luft- und Seegrenzen sowie den Grenzen zu Ägypten und Jordanien beauftragt. Zudem ist Israel alleinig für die Sicherheit der israelischen Siedlungen und Außenposten in den besetzten Gebieten zuständig und erhält „alle Befugnisse, die für die Erfüllung dieser Verantwortung notwendig sind“ (Artikel XII). Die palästinensischen Sicherheitskräfte werden neben der Wahrung der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung ausdrücklich damit beauftragt, systematisch gegen alle Formen von Gewalt und Terrorismus vorzugehen und hierfür ihre Methoden und Aktivitäten mit den israelischen Sicherheitskräften zu koordinieren (Annex I, Artikel II).
Die Gesamtgröße des palästinensischen Sicherheitssektors, einschließlich aller Sicherheitskräfte und des zivilen Personals, wird auf maximal 30.000 Personen festgelegt (Annex I, Artikel IV). Die Ausrüstung der Sicherheitskräfte ist auf eine limitierte Anzahl leichter Waffen beschränkt, deren Verwendung genau dokumentiert werden muss (Annex I, Artikel IV). Neben den palästinensischen Sicherheitskräften und dem israelischen Militär sollen keine weiteren bewaffneten Gruppen im Gazastreifen und im Westjordanland gegründet werden oder operieren, einschließlich ausländischer Militäreinheiten (Artikel XIV). Zudem darf die PA keine eigenständige Außenpolitik durchführen, was in Konsequenz das Eingehen von Verteidigungsbündnissen ausschließt (Artikel IX).
Das Interimsabkommen teilt den Gazastreifen und das Westjordanland darüber hinaus in A-, B- und C-Gebiete ein und definiert hierüber das Einsatzgebiet der palästinensischen Sicherheitskräfte. A-Gebiete umfassen die palästinensischen urbanen Zentren und stehen unter voller Kontrolle der PA. B-Gebiete umfassen ländlich geprägte palästinensische Gemeinden und stehen unter voller ziviler Kontrolle der PA, während die Sicherheitskontrolle zwischen der PA und Israel geteilt ist. Israel ist für die generelle Sicherheitslage verantwortlich, während die PA über 25 Polizeistationen in festgelegten Gemeinden die öffentliche Ordnung sichert (Artikel XIII). Die restlichen 60 Prozent des Westjordanlandes gelten als C-Gebiete und unterliegen voller israelischer Kontrolle. Hier leben heutzutage rund 390.000 Palästinenser an der Seite von knapp 440.000 jüdischen Siedlern, die sich auf circa 250 Siedlungen und Außenposten verteilen. Um C-Gebiete zu durchqueren oder Gemeinden ohne Polizeistation zu erreichen, müssen sich palästinensische Sicherheitskräfte mit dem israelischen Militär koordinieren und deren Erlaubnis einholen (Artikel XIII).
Verhinderung konventioneller und asymmetrischer Gefahren
Israel knüpft die Übergabe von Territorien und Kompetenzen in palästinensische Hände an klare Sicherheitsbedingungen. Es sollen sowohl asymmetrische Bedrohungen wie Terrorangriffe von palästinensisch kontrollierten Gebieten als auch Angriffe fremder Truppen durch oder über das Territorium eines zukünftigen palästinensischen Staates verhindert werden. In der Praxis fordert Israel, dass ein zukünftiger palästinensischer Staat demilitarisiert sein muss und dass Israel weiterhin die Kontrolle über die allgemeine Sicherheitslage ausübt. Hierfür sollen die in den Osloer Verträgen festgeschriebenen Beschränkungen der palästinensischen Sicherheitskräfte hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer Ausrüstung und ihres Mandats auf innere Sicherheit und öffentliche Ordnung fortgeschrieben werden. Zudem soll Israel weiterhin alleinig für die Kontrolle des Luftraums und den Schutz der Außengrenzen zuständig zu sein. In den bisherigen Endstatusverhandlungen umfasste dies die Forderung nach Frühwarnstationen im Westjordanland, israelischen Militäreinrichtungen entlang der jordanischen Grenze sowie Korridoren für Truppenbewegungen in Notfallsituationen.
Aus rechtlicher Perspektive ist ein Staat dazu befähigt, die Ausübung einzelner Hoheitsrechte freiwillig an einen andern Staat zu übertragen. Obwohl dies im Sicherheitsbereich kein verbreiteter Vorgang ist, lassen sich Beispiele kleinerer Staaten finden, die ihre Außenverteidigung einem größeren Nachbarstaat übertragen. Tatsächlich zeichneten sich während der bisherigen Verhandlungen zwischen Israel und der PLO Kompromisse ab. So ließ Präsident Abbas im Jahr 2014 in einem Zeitungsinterview während den von der Obama-Administration vermittelten Friedensgesprächen wissen: „wir werden demilitarisiert sein. (...) Denken Sie wir haben die Illusion, dass wir Sicherheit haben können, solange sich Israel nicht sicher fühlt?“ Besonders umstritten bleibt indes die von Israel favorisierte Stationierung israelischer Sicherheitskräfte im Territorium eines zukünftigen palästinensischen Staates, die durch Palästinenser als Fortführung der militärischen Besatzung gewertet wird.
Wahrung der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung
Im Rahmen der Osloer Verträge bleibt das Mandat der palästinensischen Sicherheitskräfte auf die Wahrung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung begrenzt. Ohne einen unabhängigen Staat und unter fortlaufender israelischer Besatzung werden die palästinensischen Sicherheitskräfte hierbei mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert. Einerseits soll durch den Aufbau effektiver Institutionen die Bereitschaft der Palästinenser für die Unabhängigkeit demonstriert werde. Gleichzeitig wollen viele Palästinenser den Widerstand gegen die israelische Besatzung aufrechterhalten und erwarten, dass die Sicherheitskräfte diese Anstrengungen nicht unterminieren oder die Kosten der Besatzung für Israel verringern.
Die Spannungen zwischen diesen beiden Erwartungen werden insbesondere an der durch die Osloer Verträge vorgeschriebenen Sicherheitskooperation mit Israel deutlich. Nach den Bestimmungen der Verträge sollen palästinensische Sicherheitskräfte systematisch gegen alle Formen von Terrorismus vorgehen und sich hierbei mit Israel koordinieren. Die Verhinderung von Angriffen wird von Israel und der internationalen Gemeinschaft als einer der wichtigsten Indikatoren für die palästinensische Bereitschaft zu einer Verhandlungslösung des Konfliktes angesehen. Viele Palästinenser stehen einer engen Sicherheitskooperation mit Israel jedoch kritisch gegenüber und werten dies als Kollaboration mit dem Besatzungsregime. Seit ihrer Gründung haben die palästinensischen Sicherheitskräfte drei Phasen durchlaufen, in denen diese gegensätzlichen Erwartungen jeweils unterschiedlich adressiert wurden.
Yasser Arafat – Überbrückung von Gegensätzen
Die Anfangsjahre der palästinensischen Sicherheitskräfte wurden stark durch Präsident Yasser Arafat geprägt. Als charismatischer Führer der PLO war Arafat maßgeblich am Osloer Friedensprozess beteiligt und wurde 1996 zum ersten Präsidenten der PA gewählt. Während der Aufbruchsjahre der PA gelang es ihm, ein auf sich zugeschnittenes Machtsystem zu errichten und in seiner Person unterschiedliche Erwartungen an den Friedensprozess zu vereinen.
Sowohl die PA als auch Israel respektierten während der 1990er Jahre weitgehend die in den Osloer Verträgen vorgesehenen Kooperationsstrukturen. Beispielsweise drangen israelische Sicherheitskräfte nur in Ausnahmefällen in die palästinensisch kontrollierten A-Gebiete ein, in den B-Gebieten wurden gemeinsame israelisch-palästinensische Patrouillen durchgeführt. Im Bruch mit den Osloer Verträgen nahm der palästinensische Sicherheitssektor jedoch quasi-militärische Strukturen an. Die Sicherheitskräfte wurden in ein Dutzend konkurrierende Behörden unterteilt, das sich gegenseitig überwachte und direkt Arafat unterstellt war. Statt der vorgesehenen 30.000 Personen schwoll der Sicherheitssektor bis zum Ende der 1990er Jahre auf 45.000 bis 60.000 Sicherheitskräfte an. Diese wurden mit geschmuggelten und lokal produzierten Waffen ausgestattet, von denen zahlreiche außerhalb der offiziellen Sicherheitsorgane in den bewaffneten Flügeln der palästinensischen Bewegungen zirkulierten.
Die Zweite Intifada – Zusammenbruch des Sicherheitssektors
Mit Scheitern der Friedensgespräche und Ausbruch der Zweiten Intifada im Jahr 2000 entzündete sich eine Spirale der Gewalt, in der die Sicherheitskooperation kollabierte. Auf palästinensischer Seite waren vor allem die bewaffneten Flügel der politischen Bewegungen an den Auseinandersetzungen gegen Israel beteiligt, jedoch schlossen sich auch Teile der Sicherheitskräfte den Kämpfen an. Israel ging mit Vergeltungsschlägen gegen palästinensische Gewalt vor und eroberte 2002 erneut weite Teile des Westjordanlandes. Im Zuge dieser Operationen wurde die physische und organisatorische Infrastruktur der palästinensischen Sicherheitskräfte beinahe vollständig zerstört. Clans und Milizen unterschiedlicher Fraktionen füllten das Sicherheitsvakuum und übernahmen die Kontrolle in den durch Israel geschaffenen Enklaven.
Angesichts des beinahe vollständigen Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung nahm eine Reform des Sicherheitssektors für die internationale Staatengemeinschaft eine hohe Priorität ein. In der Roadmap von 2003, die einen neuen Anlauf in den Friedensverhandlungen einleiten sollte, wurde zu einem Ende von Gewalt, Terrorismus und Aufhetzung aufgerufen sowie eine Restrukturierung der palästinensischen Sicherheitskräfte gefordert. Zwar wurden die Sicherheitskräfte schrittweise wieder aufgebaut, der Prozess verlief jedoch zögerlich, da der PA unter Arafat der Wille und die Kapazitäten fehlten, gegen bewaffnete Gruppen vorzugehen. Zeitgleich ging Israel nur ungern auf die erneute Stationierung palästinensischer Sicherheitskräfte ein. Auch der Tod Arafats im Jahr 2004 und die Wahl des moderaten Premierministers Mahmud Abbas zu seinem Nachfolger im Jahr 2005 konnten nur wenige Impulse setzen. So unterstützten die USA seit 2005 über einen Sicherheitskoordinator die Ausbildung palästinensischer Sicherheitskräfte, seit 2006 begleitet die EU mit einer zivilen Polizeimission (EUPOL COPPS) den Aufbau effektiver Sicherheitsstrukturen.
Der Wendepunkt folgte auf den Wahlerfolg der radikalislamischen Hamas, die sich in den Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat (PLC) im Jahr 2006 gegen die national-säkulare Fatah durchsetzen konnte. Zwar wurde die Wahl als frei und demokratisch bewertet, jedoch erkannte die internationale Gemeinschaft die Hamas nicht als Wahlsiegerin an und boykottierte die unter ihr geformte Regierung. Die inner-palästinensische Auseinandersetzung gipfelte 2007 in einem Bruderkrieg zwischen der Hamas und der Fatah. Der Hamas gelang es, den kurz zuvor durch Israel geräumten Gazastreifen unter Kontrolle zu bringen und seither einen de facto islamistischen Staat zu errichten. Dies führte zu klaren Interessensüberschneidungen zwischen Israel, der PA und der internationalen Gemeinschaft, die als Reaktion auf die Hamas auf eine klare Abgrenzung zum Gazastreifen und auf die Stabilisierung des Westjordanlandes drängten.
Salam Fayyad – Reform und Kooperation
Mahmud Abbas ernannte 2007 Salam Fayyad zum Premierminister der PA, deren Zuständigkeit fortan auf das Westjordanland beschränkt war. Fayyad widmete sein Amt bis 2013 dem Ziel, durch den Aufbau effektiver staatlicher Strukturen den Grundstein für die palästinensische Unabhängigkeit zu legen. Zentraler Bestandteil war eine Reform des Sicherheitssektors, mit deren Hilfe drei strategische Ziele verfolgt wurden. Durch umfassende Sicherheitsoperationen gelang es der PA, die öffentliche Ordnung in den an sie übertragenen Gebieten wiederherzustellen. Die meisten Palästinenser begrüßten diesen Schritt, der nach chaotischen Jahren der Intifada die offene Präsenz bewaffneter Gruppen beendete. Zudem setzte die PA für das Westjordanland erstmals das in den O sloer Verträgen vorgesehene Gewaltmonopol der palästinensischen Sicherheitskräfte und des israelischen Militärs durch. Durch ein Amnestieprogramm mit israelischer Beteiligung gelang es, militante Gruppen wie die Fatah-nahen Al-Aqsa Märtyrerbrigaden zu entwaffnen oder in die regulären Sicherheitskräfte zu integrieren. Als drittes strategisches Ziel wurde die Hamas im Westjordanland demobilisiert und zurückgedrängt. Hierfür ging die PA unter internationaler Duldung mit großer Härte gegen die organisatorische und personelle Infrastruktur der Hamas vor. Zahlreiche Hamas-nahe Organisationen wurden ab 2007 geschlossen und hunderte Sympathisanten im Widerspruch zum palästinensischen Grundgesetz vor Militärgerichten zu Haftstrafen verurteilt.
Basierend auf den gemeinsamen strategischen Interessen unterstützte Israel die graduelle Ausweitung der Befugnisse der palästinensischen Sicherheitskräfte. So wurden etwa israelische Straßenblockaden zurückgebaut und das Einsatzgebiet der palästinensischen Sicherheitskräfte schrittweise ausgeweitet. Heute dehnt sich deren Einsatzgebiet wieder auf fast alle A-Gebiete sowie auf die 26 Gemeinden in den B-Gebieten aus, in denen sich palästinensische Polizeistationen befinden. Weitgehend verwehrt bleibt hingegen der operative Zugriff auf Gebiete in unmittelbarer Nähe zu israelischen Siedlungen sowie auf die israelisch kontrollierten C-Gebiete. Um C-Gebiete zu durchqueren, beispielsweise für Einsätze in Gemeinden ohne Polizeistation oder um Gefangenentransporte durchzuführen, müssen sich die palästinensischen Sicherheitskräfte in hoher Frequenz mit dem israelischen Militär koordinieren und dessen Erlaubnis abwarten.
Da palästinensische Einheiten in vielen Gebieten keinen operativen Zugriff erhalten und sich Israel im Westjordanland auf den Schutz der israelischen Staatsbürger und der Siedlungen konzentriert, besteht für viele palästinensische Gemeinden kein geregeltes Sicherheitskonzept zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Dies drückt sich in erhöhten Kriminalitätsraten aus, etwa in Form von Autodiebstählen und Drogenschmuggel. Einzelne Gemeinden sind zudem von Übergriffen jüdischer Siedler betroffen, die von Vandalismus und Sabotageakten bis hin zu Gewaltanwendung reichen. Zu dieser Problematik trägt seit 2002 der Bau der israelischen Sperranlage bei, die um Jerusalem herum mehrere von Israel annektierte palästinensische Wohngebiete vom Rest der Stadt abtrennt. Obwohl diese Wohngebiete nach israelischer Lesart Teil des israelischen Staatsterritoriums sind, hat Israel dort seine Verantwortung zur Kriminalitätsbekämpfung de facto weitgehend aufgegeben. Die geografische Zersplitterung hat klare Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden. Laut einer repräsentativen Umfrage von 2016 fühlen sich 52 Prozent der Palästinenser in den A-Gebieten sicher, während dies außerhalb der A-Gebiete nur auf 38 Prozent zutrifft. Rund 19 Prozent der Bewohner der B-Gebiete geben an, von Siedlergewalt betroffen zu sein, während sich der Anteil in den C-Gebieten auf 34 Prozent erhöht.
Trotz dieser Phänomene hat die Sicherheitskooperation aus israelischer Perspektive seit 2007 eine zuvor ungekannte Tiefe erreicht. Im Gegensatz zu den 1990er Jahren fußt die Kooperation jedoch nicht mehr auf dem Prinzip der Gegensätzlichkeit, sondern zielt hauptsächlich darauf ab, die Sicherheit israelischer Staatsbürger zu garantieren. Wichtigster israelischer Ansprechpartner in der Terrorbekämpfung ist der palästinensische Allgemeine Geheimdienst, der innerhalb der Sicherheitskräfte für die Verhinderung von Angriffen gegen Israel zuständig ist. Mit Hilfe israelischer Geheimdienstinformationen operieren dessen Agenten im gesamten Westjordanland, in einigen Fällen auch im von Israel annektierten Ost-Jerusalem. Laut israelischen Schätzungen gelingt es dem palästinensischen Allgemeinen Geheimdienst, rund 30 bis 40 Prozent der Angriffe aus dem Westjordanland heraus zu verhindern. Der Leiter der Behörde, Majid Faraj, lobte sich während einer Phase erhöhter Spannungen zum Jahreswechsel 2015/2016 in einem seltenen Interview selbst dafür, 200 Angriffe gegen Israel verhindert und über 100 Palästinenser verhaftet zu haben. Trotz der engen Kooperation behalten es sich israelische Sicherheitskräfte vor, bei Bedarf frei in den laut Osloer Verträgen durch die PA kontrollierten A-Gebieten zu operieren. Laut UN-Angaben führten israelische Sicherheitskräfte 2017 im zweiwöchigen Schnitt 79 Such- und Verhaftungsaktionen im Westjordanland durch, viele hiervon in den A-Gebieten. Dies ist ein deutlicher Bruch mit den 1990er Jahren, während derer israelische Sicherheitskräfte die palästinensische Souveränität in den A-Gebieten weitestgehend respektierten.
Palästinensische Sicherheitskräfte heute
Die palästinensischen Sicherheitskräfte gliedern sich grob in sieben Behörden auf: der einflussreiche Allgemeine Geheimdienst (General Intelligence Service) sammelt Geheimdienstinformationen, kooperiert mit fremden Geheimdiensten und unterhält paramilitärische Einheiten; der Präventive Sicherheitsdienst (Preventive Security) ist ein interner Geheimdienst und geht gegen Kritiker der PLO wie etwa die Hamas vor; die Nationalen Sicherheitskräfte (National Security Forces) werden als palästinensische Protoarmee betrachtet; der Militärischer Geheimdienst (Military Intelligence) sammelt Geheimdienstinformationen über externe Militärs und wird zur Unterdrückung von Widerstand innerhalb der Fatah verwendet; die Militärliaison (Military Laison) ist offiziell für die Sicherheitskooperation mit Israel zuständig, beschränkt sich jedoch auf zivile Angelegenheiten; die Präsidentengarde (Presidential Guard) ist eine Eliteeinheit, die unter anderem für Personenschutz verantwortlich ist; die Zivilpolizei (Civil Police) ist die Haupteinheit zum Gesetzesvollzug.
Alle Behörden zusammengenommen beschäftigen laut einer Studie unter Beteiligung der KAS rund 66.000 Personen. Rund 32.000 hiervon befinden sich im Westjordanland, 34.000 im Gazastreifen. Letztere erhalten seit der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen zwar ein Gehalt, befinden sich aber nicht im aktiven Dienst. Rund 25 Prozent der Sicherheitskräfte sind der Zivilpolizei zugeordnet. Dies entspricht 330 Polizisten pro 100.000 Einwohner und liegt über der UN-Empfehlung von mindestens 222 Polizisten pro 100.000 Einwohner. Die Zivilpolizei konzentriert sich jedoch in den urbanen Zentren der A-Gebiete, was zu der relativen Vernachlässigung der Polizeistationen in ländlichen Regionen beiträgt.
Die gleiche Studie taxiert die Ausgaben für öffentliche Ordnung und Sicherheit im Jahr 2017 auf 4 Milliarden Schekel (rund 1 Milliarde US Dollar) oder rund 25 Prozent des Budgets der PA. Zum Vergleich beliefen sich die Ausgaben für Bildung, Gesundheit und Sozialleistungen während des gleichen Zeitraums auf 5,4 Milliarden Schekel oder rund 33,6 Prozent des Gesamtbudgets. Jordanien als unmittelbarer Nachbar der PA hat im Jahr 2017 rund 14,6 Prozent des Gesamtbudgets für öffentliche Ordnung und Sicherheit vorgesehen. Die Mitgliedsstaaten der EU haben 2016 im Schnitt 3,7 Prozent ihrer Budgets für öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgegeben, Belgien als Spitzenreiter der Gruppe 6,7 Prozent. Zwar waren die Ausgaben für den Sicherheitssektor zwischen 2012 und 2017 sowohl absolut als auch gemessen am Gesamtbudget rückläufig, die Zahlen deuten aber insgesamt auf einen aufgeblähten Sicherheitssektor hin. So entfielen 2017 rund 84,5 Prozent der Ausgaben für den Sektor auf Gehälter, während die operationellen Kosten nicht mehr als 7 Prozent betrugen.
Die palästinensische Öffentlichkeit betrachtet die Sicherheitskräfte mit gemischten Gefühlen. Während die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung begrüßt wird, richtet sich der Frust gegen die Sicherheitskooperation mit Israel. Das Ansehen der palästinensischen Sicherheitskräfte wird vor allem durch die israelischen Eingriffe in die A-Gebiete beschädigt, wodurch sie in den Augen der Öffentlichkeit als passiver Empfänger israelischer Anordnungen und als indirekte Unterstützer der Besatzung wahrgenommen werden. Laut einer repräsentativen Umfrage von 2018 gehen beispielsweise 56 Prozent der Befragten davon aus, dass der Hauptnutznießer von Telefonabhöraktivitäten der PA die israelische Besatzung ist, während nur 12 Prozent davon ausgehen, dass die Hauptnutznießer Palästinenser und deren Sicherheit sind. Wiederholte Drohungen der PA an Israel, die Sicherheitskooperation einzustellen, werden zwar begrüßt, jedoch sind Palästinenser skeptisch, ob solche Rhetorik von tatsächlichen Änderungen begleitet wird. Laut repräsentativer Umfrage unterstützten 2017 während erhöhten Spannungen um den Tempelberg rund 73 Prozent der Befragten die Ankündigung von Präsident Abbas, die Sicherheitskooperation einzustellen. Gleichzeitig gingen jedoch auch rund zwei Drittel davon aus, dass die Entscheidung nicht umgesetzt wird.
Kritik baut sich auch angesichts der zunehmend autoritär auftretenden PA auf, die mit Hilfe ihrer Sicherheitskräfte kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft einschüchtert. 2017 soll es laut dem „Euro-Mediterranean Human Rights Monitor“ zu 1.150 willkürlichen Verhaftungen gekommen sein. In weiteren 1.510 Fällen sollen palästinensische Zivilisten und Aktivisten aufgrund von Meinungsäußerungen oder Beteiligung an Demonstrationen von Sicherheitsbehörden vorgeladen worden sein. Der Report berichtet zudem von dutzenden Fällen von Misshandlung bis hin zu Folter in Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Dies hinterlässt Spuren im Sicherheitsempfinden der palästinensischen Öffentlichkeit: in einer repräsentativen Umfrage vom März 2018 gaben 63 Prozent der Befragten an, dass die PA öffentlich nicht bedenkenlos kritisiert werden kann.