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Wasser – eine grenzüberschreitende Ressource

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Dieser Text wurde im Mai 2018 aktualisiert.

Der israelisch-palästinensische Konflikt dreht sich im Kern um territoriale Fragen, die auch den Zugang zu natürlichen Ressourcen berühren. Wichtiger Referenzrahmen für palästinensische Gebietsansprüche ist die so genannte „Grüne Linie“, die Israel vom Gazastreifen und vom Westjordanland trennt. Derzeit haben Palästinenser keine vollen Zugangsrechte zu den Ressourcen dieser Gebiete, einschließlich derer Wasservorkommen. Grob aufgefächert weist die Region drei Wasservorkommen auf, die sich über beide Seiten der Grünen Linie erstrecken und daher sowohl von Israelis als auch von Palästinensern beansprucht werden:

  • Der Küstengrundwasserspeicher vor Gaza und Israel;
  • Der Bergwasserspeicher unter dem Westjordanland und Israel;
  • sowie der Jordan mit den Anrainern Israel, Libanon, Syrien, Jordanien und dem palästinensischen Westjordanland.

! Das Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen

Während der 1990er Jahre haben Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) mehrere Verträge unterschrieben, die die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates zum Ziel hatten. Das 1995 "verabschiedete „Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen“ (Oslo II) leitete eine fünfjährige Interimsperiode ein, in der schrittweise Kompetenzen und Gebiete an die ein Jahr zuvor ins Leben gerufene Palästinensische Autonomiebehörde (PA) übertragen wurden.

Die Interimsperiode sollte mit Endstatusverhandlungen abgeschlossen werden, um die in den Oslo-Verträgen nur unzureichend oder gar nicht geregelte zentrale Streitfragen wie Grenzverlauf, Flüchtlinge, der Status Jerusalems, Sicherheit und auch Wasserrechte abschließend beizulegen. Obwohl die fünfjährige Frist nicht eingehalten wurde und der Friedensprozess schlussendlich scheiterte, werden die Abkommen der 90er Jahre bis heute angewandt.

Nutzung der grenzüberschreitenden Wasserressourcen

Das Interimsabkommen legt keine unmittelbaren Nutzungsrechte für den Jordan und den Küstengrundwasserspeicher fest. Für den Jordan bedeutet das, dass die PA im Westjordanland keinerlei Zugang zu dieser Wasserquelle besitzt. Bevor der Jordan das Westjordanland als verschmutztes Rinnsal erreicht, haben Israel und die arabischen Anrainer bereits bis zu 95 Prozent des ursprünglichen Durchflusses umgeleitet.

Im Fall des Küstengrundwasserspeichers haben fehlende Regularien hingegen dazu geführt, dass sowohl Israelis als auch Palästinenser ohne gegenseitige Kontrolle oder Beschränkung Wasser entnehmen können. Der rasche Bevölkerungsanstieg des Gazastreifens und die mangelnde Verfügbarkeit alternativer Wasserquellen wie Importe und Meerwasserentsalzung haben dazu geführt, dass der Grundwasserspeicher unter dem Gazastreifen bereits während der 1990er Jahre übernutzt wurde. Während in das Grundwasser unter dem Gazastreifen jährlich nur etwa 50 bis 60 Millionen Kubikmeter (hm³) Frischwasser durch Regenfälle einfließen, wurden 2016 nach palästinensischen Schätzungen 167,2 hm³ entnommen. Durch den absinkenden Grundwasserspiegel sickern Meerwasser und unbehandeltes Abwasser ein und kontaminieren die wichtigste Wasserquelle für den Gazastreifen. 2017 galten bereits 97 Prozent des geförderten Wassers als ungeeignet für den menschlichen Konsum.

Das Interimsabkommen befasst sich in seinem Text ausschließlich mit den Grundwasservorkommen des Westjordanlandes (Anhang III, Absatz 40). Die über dem Westjordanland jährlich ins Grundwasser eindrängende Wassermenge wurde zur Zeit der Vertragsunterschreibung auf 679 hm³ angesetzt. Israel erkennt die „palästinensischen Wasserrechte im Westjordanland“ (Anhang III, Artikel 40.1) zwar an, diese sollen aber erst in Endstatusverhandlungen geklärt werden. Laut Vertrag darf die PA während der Interimsperiode jährlich 118 hm³ aus dem Berggrundwasserspeicher entnehmen. Dies entspricht der palästinensischen Fördermenge vor 1995, die auf der Grundlage damaliger Bevölkerungsentwicklungen bestimmt wurde. Zudem wurde im Vertragstext festgestellt, dass die PA zur Deckung ihres zukünftigen Bedarfs im Westjordanland jährlich zusätzliche 80 hm³ benötigen wird, die größtenteils durch neue Brunnen gewonnen werden sollen. Für die Dauer der Interimsperiode sollten hiervon unverzüglich jährlich 28,6 hm³ verfügbar gemacht werden, wobei Israel aus seinem eigenen Netz 3,1 hm³ in das Westjordanland und 5 hm³ in den Gazastreifen liefern soll. Israel darf seinerseits seine bestehenden Fördermengen innerhalb des Westjordanlandes für die Dauer der Interimsperiode beibehalten.

In der Analyse der heutigen Fördermengen aus dem Berggrundwasserspeicher divergieren die Zahlen beider Seiten: Israel argumentiert, dass die palästinensische Fördermenge seit der Unterzeichnung des Interimsabkommens deutlich gestiegen sei. So habe die israelische Zivilverwaltung, die als Teil des israelischen Militärs bis 1995 die palästinensische Wasserinfrastruktur verwaltete, bestehende Anlagen an die PA übergeben. Zudem sei der Bau duzender neuer Brunnen genehmigt worden. Darüber hinaus sollen Palästinenser zahlreiche illegale Brunnen errichtet haben, die im Jahr 2009 rund 10 hm³ gefördert haben sollen. Palästinensische Behörden argumentieren hingegen, durch technische und bürokratische Hürden habe die tatsächliche Fördermenge aus lizensierten Pumpstationen 2016 bei 84,4 hm³ und aus natürlichen Quellen bei 29,0 hm³ gelegen, was zusammengenommen unter der palästinensischen Fördermenge von 1995 liegt.

In Abwesenheit eines Endstatusvertrages greift Israel bis heute auf Wasserressourcen zurück, die sich ganz oder teilweise unter dem palästinensischen Westjordanland befinden. Durch die vorhandenen Restriktionen konnten Palästinenser 2016 weniger als 20 Prozent der im langjährigen Durchschnitt über dem Westjordanland in das Grundwasser eindringenden Wassermenge nutzen, der Rest wurde von Israel über Pumpen im Westjordanland und über Quellgebieten im eigenen Territorium entnommen. Auf palästinensischer Seite trägt der gegenwärtige numerische Status quo weder klimatischen noch demographischen Veränderungen seit den 1990er Jahren Rechnung.

Grenzüberschreitende Wasservorkommen im Völkerrecht

In ihrer Forderung nach höheren Fördermengen im Westjordanland berufen sich Palästinenser auf das internationale Völkerrecht. Da sich das Völkerrecht in diesem Bereich nur langsam entwickelt hat, liegen jedoch nur generelle Richtlinien vor, die sich am Prinzip der gerechten und angemessenen Nutzung (equitable and reasonable utilization) gemeinsamer Wasservorkommen orientieren. Ab 1966 war dieses Prinzip in den rechtlich unverbindlichen „Helsinki Rules“ verankert. Seit 1997 liegt mit dem „Übereinkommen über das Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe“ eine rechtlich bindende Konvention der Vereinten Nationen vor, die 2014 formal in Kraft trat. Da im Fall der Palästinensischen Gebiete nicht von einem souveränen Staat im völkerrechtlichen Sinn gesprochen werden kann, hat die PA keine Möglichkeit, ihre Ansprüche auf dem rechtlichen Weg durchzusetzen. Dennoch stellt die Konvention eine Richtschnur dar, die auch an die Beziehungen zwischen Israel und der PA angelegt werden kann.

Palästinenser berufen sich insbesondere auf Artikel 6.1.a der Konvention, der natürliche Faktoren wie Geographie und Hydrologie als Bemessungsgrundlage für eine gerechte und angemessene Nutzung der Wasserressourcen festlegt. Da beispielsweise der Berggrundwasserspeicher überwiegend durch Regenfälle über dem Westjordanland gespeist wird, leiten Palästinenser hieraus ein Anrecht auf die umfassende Nutzung dieses Wassers ab. Israelis argumentieren hingegen, dass durch hydraulische Faktoren zahlreiche natürliche Quellgebiete des Berggrundwasserspeichers auf israelischem Territorium liegen. Israelis berufen sich darüber hinaus auf diejenigen Provisionen von Artikel 6 und 7, die die bestehende Nutzung grenzüberschreitender Wasserressourcen durch beide Partien schützt. So sollen etwa beide Parteien Rücksicht auf die „existente und potentielle Nutzung der Wasserressource“ (6.1.e), auf die „sozialen und ökonomischen Bedürfnisse der Staaten“ (6.1.b), auf die von der Wasserressource „abhängige Bevölkerung“ (6.1.c), sowie auf die „ökonomische Nutzung“ des Wassers (6.1.f) nehmen. Palästinenser könne wiederum auf die „potenzielle Nutzung“ für ihre sozialen und ökonomischen Bedürfnisse sowie auf den Umstand verweisen, dass sich ihre momentane Förder- und Nutzungsmenge unter israelischer Besatzung entwickelt hat. Da die Konvention keine Gewichtung der verschiedenen Faktoren vornimmt, lassen sich somit für beide Seiten nicht ohne weiteres absolute Rechte ableiten.

Der Wassersektor im Westjordanland

2016 standen Palästinensern im Westjordanland nach eigenen Angaben 182,4 hm³ zur Verfügung. Hiervon stammen 84,4 hm³ aus von der PA lizensierten und teilweise privat betriebenen Pumpstationen, weitere 29 hm³ stammen aus natürlichen Quellen. Die restlichen 69 hm³ oder rund 38 Prozent wurden von den israelischen Wasserwerken Mekorot geliefert, die über Brunnen auf israelischem Staatsgebiet sowie im Westjordanland verfügen. Von den 182,4 hm³ waren nach palästinensischen Angaben 116 hm³ für den häuslichen Gebrauch vorgesehen. Durch marode Infrastruktur gingen jedoch 34,7 hm³ oder rund 30 Prozent verloren, wodurch dem durchschnittlichen Endverbraucher 82,2 Liter pro Kopf pro Tag (l/c/d) zur Verfügung standen. Dies ist deutlich weniger als der durch die WHO angegebene Minimalstandard von 100 l/c/d. Die zur Verfügung stehende Wassermenge schwankt zudem je nach Verwaltungsbezirk. So standen 2016 dem durchschnittlichen Endverbraucher in Jericho 207,0 l/c/d zur Verfügung, während diese Zahl in Jenin lediglich 44 l/c/d betrug. Laut Palästinensischer Wasserbehörde kann der Durchschnitt in den Sommermonaten in Dörfern ohne Anschluss an das Wassernetz auf bis zu 20 l/c/d fallen. Demgegenüber standen Israelis im Jahr 2015, einschließlich der 600.000 jüdischen Siedler Ost-Jerusalems und des Westjordanlandes, rund 250 l/c/d für den häuslichen Bedarf zur Verfügung.

Durch mangelnde Investitionen und bürokratische Hürden befindet sich das Abwassersystem weiterhin in einem kritischen Zustand. Laut Angaben des Palästinensischen Statistik-Büros lag 2015 die Anzahl der an ein Abwassersystem angeschlossenen Haushalte im Norden des Westjordanlandes bei rund 34 Prozent, im Zentrum bei rund 48 Prozent und im Süden bei rund 36 Prozent. Im selben Jahr sollen im Westjordanland rund 66 hm³ Abwasser angefallen sein, von denen das bestehende Abwassersystem rund 15 hm³ aufgenommen hat. Nur rund 10 hm³ wurden teilweise wiederaufbereitet, die restliche Menge versickerte unbehandelt im Boden oder floss oberflächlich ab. Dies stellt eine deutliche Herausforderung für stromabwärts gelegene Gemeinden im Westjordanland und in Israel dar, wo in regelmäßigen Abständen auf die negativen Folgen für das Ökosystem und die Grundwasserspeicher hingewiesen wird.

Das gemeinsame Wasserkomitee für das Westjordanland

Mit dem Interimsabkommen wurde ein gemeinsames israelisch-palästinensisches Wasserkomitee ins Leben gerufen, das dafür zuständig ist, wasser- und abwasserbezogene Infrastrukturprojekte im Westjordanland zu genehmigen. Obwohl das Wasserkomitee paritätisch besetzt ist und aus drei palästinensischen und drei israelischen Vertretern besteht, ergibt sich durch die Beschränkung des Mandats auf das Westjordanland ein Ungleichgewicht zugunsten Israels. Während Israel ein Mitspracherecht über Projekte im Westjordanland genießt, hat die PA keine rechtliche Möglichkeit, die Nutzung des gemeinsamen Grundwasserspeichers auf israelischem Staatsgebiet zu kontrollieren.

Weitere Einschränkungen ergeben sich für die PA aus der durch das Interimsabkommen etablierten Aufteilung des Westjordanlandes in A-, B- und C-Gebiete. Die A- und B-Gebiete unterliegen der vollen zivilen Kontrolle der PA; in den A-Gebieten ist die PA zudem nominell alleinig für innere Sicherheit und öffentliche Ordnung zuständig. Die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung wohnt in diesen (semi-) urbanen Gebieten, die zusammen rund 40 Prozent des Westjordanlandes umfassen. Die restlichen 60 Prozent des Westjordanlandes gelten als C-Gebiete und unterliegen voller israelischer Kontrolle. Hier leben rund 390.000 Palästinenser an der Seite von knapp 400.000 jüdischen Siedlern, die sich auf circa 250 Siedlungen und Außenposten verteile. Wichtige Komponenten der Wasserinfrastruktur wie etwa Wideraufbereitungsanlagen, Wasserpumpen und Pipelines müssen aufgrund von Platzmangel in den A-Gebieten sowie aufgrund von Standorterwägungen in den C-Gebieten liegen. Um Projekte in den C-Gebieten durchführen zu können, benötigt die PA nicht nur eine Erlaubnis des Wasserkomitees, sondern muss zusätzlich Genehmigungen beim Bau- und Planungs-Komitee der israelischen Zivilverwaltung für das Westjordanland einholen. Sie ist die Instanz, die innerhalb der israelischen Armee die besetzten Gebiete verwaltet. Selbst wenn eine Genehmigung durch das Wasserkomitee vorliegt, können somit israel ische Behörden palästinensische Projekte in den C-Gebieten blockieren. So haben beispielsweise acht im Jahr 2001 durch das Wasserkomitee genehmigte Brunnen in den C-Gebieten erst 2009 eine teilweise Baugenehmigung durch die israelische Zivilverwaltung erhalten.

Indem Israel vage Richtlinien der Osloer Verträge in seinem Sinn auslegte, wurde das Ungleichgewicht zu Gunsten Israels weiter verstärkt. So wurde zunächst angenommen, Artikel 40 betreffe lediglich den palästinensischen Wassersektor des Westjordanlandes. Israel fing jedoch zügig damit an, eigene Projekte für die Anbindung von Siedlungen an das israelische Wassernetz einzureichen. Hierbei etablierte sich die Praxis, die Zustimmung zu palästinensischen Projekten von der Genehmigung israelischer Anträge abhängig zu machen. Mit Zustimmung der PA wurden so bis 2010 Genehmigungen für mehr als 100 Infrastrukturprojekte erteilt, die primär der Versorgung israelischer Siedlungen zugutekamen. Israel setzte sich in der Praxis oft über das Genehmigungsverfahren hinweg und setzte, ohne eine Entscheidung des Wasserkomitees abzuwarten, einseitig Projekte in den von ihr kontrollierten C-Gebieten um.

Die palästinensische Seite geriet durch diesen Mechanismus zunehmend unter Druck, da jede Zustimmung für ein israelisches Projekt als nachträgliche Anerkennung der Siedleraktivitäten hätte gewertet werden können. Aus Protest an dieser Vorgehensweise setzte die PA ihre Kooperation im Wasserkomitee zwischen 2010 und 2017 aus. Im Januar 2017 wurde das Komitee durch eine neue Vereinbarung widerbelebt. Die palästinensische Wasserbehörde wird nun ausdrücklich als einziges Gremium genannt, das Anträge an das Wasserkomitee stellen kann. Projekte, die Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel haben, benötigen weiterhin eine Genehmigung durch das gemeinsame Wasserkomitee. Dies umfasst alle Arbeiten im Zusammenhang mit Wasserquellen sowie Maßnahmen, die die Entnahme von Wasser über die im Interimsabkommen genannten Mengen erhöhen. Israel behält sich damit das Recht vor, die palästinensische Nutzung natürlicher Wasservorkommen weiterhin zu reglementieren. Abgesehen von einigen weiteren Einschränkungen scheint eine Vielzahl von Projekten von der Pflicht befreit zu sein, vor ihrer Implementierung eine Genehmigung des gemeinsamen Wasservorkommens einholen zu müssen. Vor allem der Ausbau des Verteilernetzwerkes scheint in Zukunft von dieser politischen Hürde befreit zu sein. Ob und in welchem Umfang dies tatsächlich in den Ausbau des Wassernetzes übersetzt werden kann, muss sich jedoch erst in der Arbeitspraxis zeigen.

Der Wassersektor im Gazastreifen

Palästinensischen Angaben zufolge standen dem Gazastreifen 2016 rund 181,2 hm³ zur Verfügung. Einschließlich Schätzungen für tausende private Brunnen stammen hiervon rund 167,2 hm³ aus dem Küstengrundwasserspeicher, 3,9 hm³ aus privat betriebenen Entsalzungsanalagen und 10,1 hm³ von den israelischen Wasserwerken Mekorot. Nach Schätzungenwurden 94,2 hm³ für den häuslichen Gebrauch verwendet. Durch marode Infrastruktur gingen jedoch 35,5 hm³ oder rund 38 Prozent verloren, wodurch dem durchschnittlichen Endverbraucher 84,0 l/c/d zur Verfügung standen.

Obwohl diese Zahlen dem Verbrauch im Westjordanland zu ähneln scheinen, gestaltet sich die Lage im Gazastreifen ungleich ernster. Im Zuge der israelischen und ägyptische Blockade des Gazastreifens seit der Machtübernahme der Hamas im Jahr 2007 wurden bereits existierende negative Tendenzen im Wassersektor durch neue Restriktionen verschärft. Während dreier militärischer Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel in den Jahren 2008/2009, 2012 und 2014 wurde die Infrastruktur des Gazastreifens empfindlich beschädigt. Israel reguliert zudem den palästinensischen Import von Baumaterialien, um deren Verwendung durch die Hamas für militärische Zwecke zu unterbinden. Diese Maßnahme behindert die Reparatur, die Instandhaltung, und den Ausbau der Infrastruktur sowohl für den Wasser- und Abwassersektor als auch für den Energiesektor. Da Entsalzungsanlagen, Pumpstationen und das Verteilernetzwerken auf Elektrizität angewiesen sind, wird die Lage durch die unzureichende Energieversorgung des Gazastreifens zusätzlich verschärft. Durch mangelnde Importe von Elektrizität und Kraftstoffen ist die Energieversorgung des Gazastreifens stark eingeschränkt. Die Bewohner des Küstenstreifens erhielten 2017 im Schnitt nur 4 bis 6 Stunden Elektrizität pro Tag, wodurch auch die spärlich vorhandene Wasserinfrastruktur nur eingeschränkt funktionstüchtig war.

Aufgrund dieser Faktoren warnten die Vereinten Nationen bereits 2015, dass der Küstenstreifen bei anhaltendem Trend im Jahr 2020 unbewohnbar sein wird und die Umweltbelastungen unumkehrbar sein werden. Nach jahrzehntelanger Übernutzung galten 2017 rund 97 Prozent des aus dem Küstengrundwasserspeicher gewonnenen Wassers als für den menschlichen Konsum ungeeignet. Durch mangelhafte Infrastruktur und den Einfluss der Energieknappheit auf die Einsatzbereitschaft der vorhandenen Kläranlagen flossen 2017 Schätzungen zufolge täglich rund 110 Millionen Liter an nahezu ungeklärtem Abwasser vom Gazastreifen ins Mittelmeer. Angesichts der katastrophalen Lage im Sanitärbereich wird vor dem Ausbruch epidemischer Krankheiten wie Cholera gewarnt.

Trotz alarmierender Zahlen sind vitale Großprojekte im Gazastreifen im zeitlichen Verzug. Große Hoffnungen werden in die Entsalzung von Meerwasser gesetzt. Anfang 2018 waren 136 kleine private Entsalzungsanlagen im Einsatz, die in der Nähe von Brunnen stationiert sind und Wasser mit geringer Kontamination liefern. Allerdings liegt der Preis für das dadurch gereinigte Wasser rund sechsfach über dem regulären Wasserpreis. Im Januar 2017 wurde mit finanzieller Unterstützung der EU die bisher größte Meerwasserentsalzungsanlage fertiggestellt. Bei voller Auslastung kann die Anlage rund 2,19 hm³ pro Jahr produzieren und die Wasserversorgung von rund 75.000 Personen sicherstellen. 2017 konnte die Anlage aufgrund von mangelnder Energieversorgung jedoch nur eingeschränkt operieren. Das bedeutendste Projekt - eine zentrale Entsalzungsanalage für Gaza mit einer geplanten Kapazität von 110 hm³ - befindet sich hingegen aufgrund der ungeklärten Energieversorgung und Auseinandersetzungen zwischen der PA und der Hamas seit den ersten Machbarkeitsstudien im Jahr 2011 im Verzug. Mit der Inbetriebnahme der Anlage kann nicht vor 2020 gerechnet werden.

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Referent Stabsstelle Evaluierung (derzeit abwesend)

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