Wie lösen wir uns aus dem gegenseitigen Clinch?
In diesen Tagen fallen drei Jahrestage der Nachkriegsbeziehungen zwischen Polen und Deutschen zusammen. Vor 55 Jahren, am 18. November 1965, unterzeichneten die polnischen Bischöfe einen Brief an ihre deutschen Amtsbrüder, der vor allem mit einem Satz in die Geschichte einging: "Wir vergeben und bitten um Vergebung." Vor 50 Jahren dann, am 7. Dezember 1970, reiste der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt nach Warschau, um den Vertrag über die Grundlagen der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen mit der Volksrepublik Polen zu unterzeichnen. An diesen Besuch erinnert man sich vor allem aufgrund der damaligen Geste des deutschen Regierungsoberhaupts: Denn als der Kanzler Blumen vor dem Denkmal der Ghettohelden niederlegte, kniete Brandt spontan nieder. Und schließlich vor 30 Jahren, am 14. November 1990, unterzeichneten die Leiter der Außenministerien (eines gerade die Freiheit erlangten) Polens und (eines soeben wiedervereinigten) Deutschlands einen Vertrag, der den Verlauf der gemeinsamen Grenze bestätigte; damit abgeschlossen wurde ein Thema, das zuvor in Polen für Unruhe gesorgt und den Kommunisten zur Legitimierung ihrer Macht während der kommunistischen Ära gedient hatte.
Viele Male bereits haben wir diese Geschichtsabschnitte in "Tygodnik Powszechny" thematisiert. Heute wollen wir darüber nachdenken, wie Polen und Deutsche sich aus diesem historischen Clinch lösen können. Denn obwohl seit dem Zweiten Weltkrieg 75 Jahre vergangen sind, gibt es immer noch Fragen im Kontext der Geschichte, die eine Belastung sind und einen Schatten werfen auf die gegenseitigen Beziehungen unserer beiden Länder.
"Lassen Sie uns hier eine These aufstellen, die auf den ersten Blick provokant klingen mag: Polen, Deutschlands östlicher Nachbar seit tausend Jahren, und seine Bürger sind heute Opfer zweiter Klasse in der deutschen Wahrnehmung aller Opfer des Nationalsozialismus", schreibt Dieter Bingen in unserer Beilage. Der langjährige Leiter des Deutschen Polen-Instituts war Mitinitiator eines Appells, den eine Gruppe von Deutschen 2017 an ihre Regierung und ihr Parlament richtete: In Berlin sollte ein Denkmal errichtet werden für die Opfer der deutschen Besatzung in Polen. Vor einigen Tagen hat der Bundestag in dieser Angelegenheit eine Entscheidung getroffen.
Auch die These von Nancy Waldmann und Łukasz Grajewski - Autoren der jüngeren Generation in unserer aktuellen Beilage - klingt provokant: Sie sind der Ansicht, dass die deutsch-polnischen Beziehungen sich noch immer auf postkolonialem Niveau befinden. Anna Przybyll analysiert derweil, wie stark die Vergangenheit in der polnisch-deutschen Diskussion präsent ist. Gerhard Gnauck porträtiert die „Ostpolitik“, die - wenig verwunderlich - tief in der Geschichte verwurzelt ist. Und der Verfasser dieses Artikels schließlich berichtet davon, wie die Deutschen Israel militärisch unterstützen und fragt, ob ein ähnliches deutsch-polnisches Sonderverhältnis im Bereich der Verteidigungspolitik möglicherweise einen Ausweg bieten könnte aus dem Streit über Reparationen - einem Problembereich, den die Regierung in Berlin als abgeschlossen betrachtet, und die Regierung in Warschau nicht offiziell anspricht, der aber immer noch präsent ist und die gegenseitigen Beziehungen belastet.
© WOJCIECH PIĘCIAK, Autor (geb. 1967), Redakteur der Sparte „Welt und Geschichte“ bei "Tygodnik Powszechny". Er hat mehrere Bücher über Deutschland und dessen jüngere Geschichte veröffentlicht.