In vielen Ländern haben über Jahrhunderte verschiedene Verwaltungs- und Gerichtssysteme koexistiert. Die große Mehrheit der Bevölkerung war seit je her der ordentlichen Justiz ihres jeweiligen Staates unterworfen[1]. Dies gilt vor allem für die Stadtbevölkerung, welche traditionell von Weißen und Mestizen dominiert ist.
In den indigenen Gemeinschaften auf dem Land hingegen basierte das Rechtssystem jahrhundertelang auf den jeweiligen regionalen Sitten, Gebräuchen und Traditionen. Die Bevorzugung „lokal-kultureller“ Justiz im ländlichen Raum lässt sich nicht ausschließlich auf kulturelle Motive zurückführen. Ein mindestens gleichgewichtiger Faktor ist der Umstand, dass die ordentliche staatliche Justiz jahrhundertelang keine effektive Kontrolle über die entlegeneren ländlichen Gebiete ihres Staatsgebietes ausüben konnte. Stattdessen wurde die in diesen Landesteilen praktizierte indigene Justiz vom Staat toleriert. Allergings basierte die Toleranz auf der räumlichen Trennung dieser beiden Rechtssysteme, welche eine direkte Konfrontation in den meisten Fällen verhinderte.
Dies änderte sich jedoch grundlegend mit der zunehmenden Migration der Landbevölkerung in die Städte. Ein weiterer Faktor war die zunehmende innerstaatliche Vernetzung und Erschließung zuvor entlegener Landstriche. Plötzlich stand das etablierte ordentliche Rechtssystem des Staates in Konflikt mit dem zuvor tolerierten traditionellen indigenen Rechtssystem.
Ein häufiger Grund für Konflikte zwischen diesen beiden Systemen ist die unterschiedliche Wahrnehmung einzelner Rechtsfacetten. Während die ordentliche Justiz auf Anerkennung individueller Rechte basiert, stützt sich das indigene Rechtssystem vor allem auf kollektive Rechte.
Die in diesem Bereich angesiedelte Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur demokratischen und wissenschaftlichen Debatte über Rechtsregime im Kontext des lateinamerikanischen Rechtspluralismus.
AUTOREN
- Horst Schönbohm (Alemania)
- Farit Rojas Tudela (Bolivia)
- Ramiro Molina (Bolivia)
- Eduardo Rodríguez (Bolivia)
- Waldo Albarracín (Bolivia)
- Fernando García (Ecuador)
- Lourdes Tibán (Ecuador)
- Guillermo Padilla (Colombia)
- Mirva Aranda (Perú)
- Coordinador: Eddie Cóndor