Der politische Rahmen für die Dekarbonisierung in der Region Asien und Pazifik ist unmittelbar durch die Nachwirkungen der Pandemie und einer zunehmend an Bedeutung gewinnenden Klimapolitik geprägt. Den wirtschaftlichen Einbrüchen in Folge der Lockdowns folgt aktuell eine rasante Erholung der Wirtschaft, die die Energienachfrage und Energiepreise steigen lässt. Energieengpässe u.a. in China und Indien waren bereits beobachtbare Folgen. Hier schließen sich Lieferkettenprobleme an, die nicht nur in Asien, sondern weltweit Rohstoffversorgungslücken aufreißen. Auf den globalen Klimaverhandlungen in Glasgow im vergangenen Jahr, zeigte sich indes, dass die internationale Klimapolitik trotz der wirtschaftlichen Verwerfungen aufgrund der Pandemie Fortschritte erzielen konnte. Die USA kehrten dort mit einem klimapolitischen Führungsanspruch auf die Weltbühne zurück und trafen auf ein China, das mit seinem CO2-Neutralitätsziel für 2060, der Einführung des größten Emissionshandels der Welt und der Ankündigung, im Ausland keine Kohlekraftwerke mehr zu bauen, ebenfalls klimapolitische Signale sendete. Die Europäische Union präsentierte ihren umfassenden Green Deal, der die wirtschaftliche Grundlage für ihr Klimaneutralitätsziel 2050 bildet.
In der Region Asien und Pazifik ist China mit seiner ambitionierten Klimaagenda nicht allein. Zahlreiche Länder haben mittlerweile Klimaneutralitätsziele. Darunter Japan und Südkorea für 2050. Indien für 2070 sowie Indonesien und Kasachstan für 2060. Mit der Festlegung von Klimaneutralitätszielen haben sich viele Länder in Asien bis kurz vor den Klimaverhandlungen im letzten Jahr Zeit gelassen und dabei oftmals nicht das Jahr 2050, sondern spätere Jahre für die Zielerreichung gewählt. Dieser Umstand wurde von Beobachtern mit Blick auf die bereits stattfindenden Auswirkungen des Klimawandels kritisiert. Auf der anderen Seite kann die verbindliche Festlegung auf ein Klimaneutralitätsziel an sich bereits als klimapolitische Trendwende in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern Asiens gewertet werden. Für viele Länder ist die Dekarbonisierung mit Blick auf die Energieversorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und heimische Vorkommen von fossilen Energieträgern politisch und ökonomische eine große Hürde.
Die asiatische Energie- und Klimapolitik ist durch einen hohen Grad an Heterogenität geprägt. So sind gegenwärtig die größten Ausbauraten für erneuerbare Energien weltweit in China und Indien vorzufinden, die aber zugleich zu den größten Produzenten und Konsumenten von Kohle gehören. Australien ist einer der größten Kohleexporteure der Welt, wird aber auch Wasserstoff nach Japan exportieren und perspektivisch Solarenergie über Unterwasserstromkabel nach Südostasien leiten. Die Kosten für erneuerbare Energien sind in Asien mittlerweile nicht mehr höher als die für fossile Energieträger, was Investoren zunehmend dazu veranlasst, in nachhaltige Energieversorgungssysteme zu investieren. Die asiatische Dekarbonisierung ist vor diesem Hintergrund, sofern sie überhaupt verallgemeinert werden kann, von ökonomischem Pragmatismus geprägt. Der Aufbau von neuen, nachhaltigeren Energieversorgungsystemen erfolgt danach nicht immer zwingend in Form von CO2-neutralen first best solutions sondern gibt auch Technologien eine Chance, die ihr Potential ggf. später entfalten. So zeigt sich schon jetzt, dass viele asiatische Staaten mit CO2-trennenden Technologien experimentieren, um heimische Kohlevorkommen mittelfristig klimaneutral zu nutzen. Oder für den Aufbau einer Wasserstoffindustrie zunächst fossile Energieträger für die Wasserstoffherstellung nutzen. Diese Ansätze dienen dabei auch dazu, der bestehenden Energieindustrie, die in vielen Ländern einen zentralen Arbeitsmarkt darstellt, eine Zukunft zu ermöglichen.
Die gegenwärtig zu beobachtenden Dekarbonisierungs-Strategien in der Region Asien und Pazifik sind darüber hinaus sehr verschieden. Alle gemeinsam haben sie aber, dass mit ihnen signifikante volkswirtschaftliche Veränderungen einhergehen, die wiederum prägende geoökonomische Auswirkungen nach sich ziehen. So wird die Nachfrage nach fossilen Energieträgern aufgrund der Dekarbonisierung perspektivisch abnehmen, wobei Staaten, die über diese Ressourcen verfügen, Einnahmen wegbrechen. Staaten, die über Energiewende-Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Seltene Erden verfügen, die wiederum für die Produktion von Windkraftanlagen, Solarpanels oder Batterien verstärkt nachgefragt werden, dürfen neuen Einnahmequellen entgegensehen. Wasserstoff hat sich zum zentralen Energieträger für die Dekarbonisierung entwickelt. Vor diesem Hintergrund ist die Entstehung neuer globaler Handelsbeziehungen rund um die Herstellung, den Transport und die Abnahme von Wassersstoff zu erwarten. Die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien führt zu einer Ausweitung der Elektrifizierung der Wirtschaft, die wiederum große grenzüberschreitende Stromübertragungsnetze erfordert, aber zugleich auch kleinteiligen dezentralen und in einem hohen Maße komplexen Wechselbeziehungen zwischen Stromkonsumenten und Stromproduzenten gerecht werden muss. Zudem wird die CO2-Bepreisung weltweit mit Konsequenzen für den internationalen Handel kontinuierlich ausgebaut. Und auch die Finanzwirtschaft stellt sich auf einen klimapolitischen Rahmen ein, der durch staatliche Nachhaltigkeits-Taxonomien detailliert definiert und im Zweifel abgegrenzt wird.
All das findet gegenwärtig in der Region Asien und Pazifik statt. Wie sich diese Herausforderungen im Einzelnen darstellen können, ist in den nachfolgenden Kapiteln exemplarisch dargelegt. Es offenbart sich ein spannendes und für die Dekarbonisierung-Politik forderndes Bild. Die Analysen beziehen sich auf die Situation vor dem Russland-Ukraine-Krieg, sodass mögliche Konsequenzen daraus für die Dekarbonsierung in Asien nicht enthalten sind.