Gesetzgebungsprozesse entwickeln sich im Laufe der Zeit ständig weiter und sind von Land zu Land unterschiedlich. Sie hängen von der Verfassung, von den einzelnen Gesetzen, aber auch der Gesellschaft ab, für die sie entwickelt werden, und müssen kontinuierlich evaluiert und verbessert werden, ähnlich wie die Gesetze selbst, die im Mittelpunkt des Prozesses stehen. Bei dieser unerlässlichen Evaluierung müssen stets aktuelle Trends und Entwicklungen bewertet und berücksichtigt werden.
Dieser zweitägige Workshop bot eine gute Gelegenheit für Experten, sich auszutauschen und wichtige Fragen und Themen im Zusammenhang mit der Evaluierung von Gesetzen sowohl in Deutschland als auch in Marokko zu diskutieren.
Die Veranstaltung begann mit einer herzlichen Begrüßung aller anwesenden Experten durch Herrn Steven Höfner, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Marokko.
Sodann hielt die erste Eröffnungsrede Herr Bensalem Belkourati, Generaldirektor für Gesetzgebung und Rechtsstudien im Generalsekretariat der marokannischen Regierung. Herr Belkourati betonte, wie wichtig es sei, rechtliche Verfahren zu entwickeln, die einen effizienteren und nachhaltigeren Gesetzgebungsprozess ermöglichen würden.
Philipp Bremer, Direktor des KAS-Rechtsstaatsprogramms für den Nahen Osten und Nordafrika (MENA), stellte in seiner darauf folgenden Eröffnungsrede fest, dass die Bewertung von Gesetzen eine einzigartige Reihe von Herausforderungen darstellt, die in gewisser Weise die Komplexität der Bewertung von Projekten widerspiegeln. Wenn wir ein Gesetz bewerten, müssen wir seine Ziele, seine Wirksamkeit und seine unbeabsichtigten Folgen berücksichtigen. In ähnlicher Weise erfordert die Evaluierung eines Projekts ein gründliches Verständnis seiner Ziele, Ergebnisse und der breiteren Auswirkungen auf die Zielgruppe oder die Beteiligten. Eine große Herausforderung in beiden Bereichen ist die Erfolgsmessung. Für die Gesetzgebung bedeutet dies nicht nur das Erreichen politischer Ziele, sondern auch die Sicherstellung positiver gesellschaftlicher Auswirkungen ohne nachteilige Nebeneffekte.
Die letzte Eröffnungsrede wurde von Brahim Zyani, dem Leiter des Büros des Generalsekretärs der Regierung bzw. des Ministers, gehalten. Er wies auf die großen Vorrechte hin, die das Generalsekretariat der Regierung bei der Bewertung von Gesetzen hat. Er wies auch auf die Notwendigkeit und Bedeutung solcher Workshops hin.
Anschließend wurden an 2 Tagen 4 aufeinanderfolgende Sitzungen abgehalten. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die erste Sitzung mit dem Titel „Der Gesetzgebungsprozess: allgemeiner Überblick“; Moderation: Philipp Bremer.
1)- Input von Prof. Dr. Nadir Elmouni, Professor für Verfassungsrecht an der Fakultät für Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Mohammed V Universität Rabat.
Der Vortrag von Professor Elmouni handelte von: Der marokkanische Gesetzgebungsprozess - ein allgemeiner Überblick. Er versuchte, den Ursprung der Terminologie „Gesetzgebungsverfahren“ zu beschreiben. Während seines Vortrags nannte und erläuterte Prof. Elmouni die vier Hauptmerkmale des Gesetzgebungsprozesses in Marokko, die er wie folgt nannte „Offenheit, Effizienz, Qualität und Einbeziehung“. Anschließend führte er konkrete Beispiele, Präzedenzfälle und verfassungsrechtliche Bestimmungen zu diesem Thema an.
2)- Input von Prof. Dr. Hans-Jörg Dietsche, Honorarprofessor an der Fachhochschule des Mittelstandes (FHM).
Prof. Dietsche gab in seinem Vortrag einen allgemeinen Überblick über das deutsche Gesetzgebungsverfahren. Er begann damit, wie wichtig es ist, klare und umfassende Gesetze zu haben, die für alle Bürgerinnen und Bürger verständlich sind. Prof. Dietsche erläuterte den Gesetzgebungsprozess in Deutschland auf verschiedenen Ebenen (Bundesebene und Länderebene). Er wies auch auf die Rolle des Vermittlungsausschusses hin, der bei Konflikten zwischen dem Bundestag und Bundesrat eingesetzt wird.
Die zweite Sitzung mit dem Titel „Bewertung von Gesetzen: zwischen Recht und Praxis“ - moderiert von Prof. Mohamed Zakaria Aboudahab, Professor für Verfassungsrecht an der Fakultät für Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Mohammed V Universität Rabat.
1)- Input von Frau Wafaa Shafiq, Rechtsberaterin des Generalsekretariats der Regierung.
Frau Shafiq befasste sich mit der Bewertung von Gesetzen in Marokko. Sie erläuterte die Ex-ante- und Ex-post-Evaluierung von Gesetzestexten und grenzte die Vorrechte und Rollen der entsprechenden Institutionen und Ausschüsse innerhalb des marokkanischen Gesetzgebungssystems ab.
2) - Beitrag von Dr. Bertil Sander, ehemaliger stellvertretender Leiter des Sekretariats des deutschen Normenkontrollrats.
Dr. Sander hob in seiner Rede zwei Hauptpunkte hervor. Der erste betraf die Evaluierung von Gesetzen in Deutschland und der zweite die Erfahrung des deutschen Normenkontrollrats (NKR) als unabhängige Behörde, die weder dem Parlament noch der Regierung angehöre. Darüber hinaus erläuterte Dr. Sander den Einfluss der öffentlichen Meinung und der Politik auf die Gesetzgebung.
Die dritte Sitzung mit dem Titel „Kohärenz und Verteilung von Rechtsnormen“; moderiert von Prof. Nadia Bernoussi, marokannische Professorin für Verfassungsrecht und ehemaliges Mitglied der Beratenden Kommission für die Revision der Verfassung.
1)- Input von Herrn Taoufik Elhami, Rechtsberater des SGG, Leiter der Bereiche öffentliche Einrichtungen, lokale Behörden, Investitionen und Gesundheit.
Herr Elhami befasste sich mit dem Recht und den Vorschriften in Marokko. Er gab einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Gesetzgebungsprozesses, der nach jeder Verfassungsänderung in den Jahren 1962, 1972 und 2011 stattfand - insbesondere über die Beziehung zwischen dem Parlament und der Regierung. Herr Elhami sagte, dass die Regierung heutzutage, basierend auf den gemachten Beobachtungen, zu einem „normalen Gesetzgeber“ geworden ist, welches mehr Gesetzgebungsverfahren initiiert als das Parlament selbst.
2)- Input von Prof. Dr. Hans-Jörg Dietsche.
Der Beitrag von Dr. Dietsche befasste sich mit der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern in Deutschland. Er erläuterte auch den Unterschied vor und nach der Verfassungsänderung des Jahres 2006.
3)- Input von Herrn Hassan Yaagoub, Rechtsberater des SGG, Sektion Landwirtschaft und Fischerei.
Das Hauptthema von Herrn Yaagoub war die Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung mit Marokkos konventionellen (vertraglichen) Verpflichtungen. Insbesondere nach der neuen Verfassung von 2011, die den Vorrang internationaler Konventionen vor der nationalen Gesetzgebung festschreibt. Hr. Yaagoub erklärte, dass „die Harmonisierung nationaler und internationaler Rechtstexte eine kontinuierliche Aufgabe ist“. Er erläuterte auch die marokannischen Voraussetzungen für die Ratifizierung eines internationalen Abkommens.
4)- Beitrag von Dr. Bertil Sander.
Dr. Sander befasste sich mit der Übereinstimmung der Gesetze in Deutschland mit den Normen der Europäischen Union: Umsetzungstechniken und -beschränkungen. Dr. Sander stellte fest, dass allein die unterschiedliche Rechtsterminologie innerhalb der Europäischen Union schon größere Probleme verursachen kann. Er fügte eine weitere Problematik hinzu, nämlich die finanziellen Kosten der Gesetzgebung, die oftmals zu sehr vernachlässigt werden.
Die vierte Sitzung mit dem Titel „Gesellschaft, öffentliche Politik und Gesetzgebungsprozess“; moderiert von Mhammad Bouhlal, Rechtsberater des SGG, Leiter der Abteilung Verfahren, Veröffentlichungen und Überwachung.
1)- Input von Herrn Toufic Mediani, Rechtsberater des SGG, Abteilung öffentliche Einrichtungen, lokale Behörden, Investitionen und Gesundheitswesen.
Herr Mediani befasste sich mit den Auswirkungen gesetzgeberischer Maßnahmen auf die Beteiligten und die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit, indem er drei praktische Fälle aus Marokko vorstellte: (1) den rechtlichen Rahmen für den Schutz und die Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderungen; (2) den rechtlichen Rahmen für den Sozialschutz; & (3) den neuen rechtlichen Rahmen für Investitionen in Marokko.
2)- Input von Dr. Tillmann Schneider, unabhängiger Berater für die Reform des Justizsektors, Berater für Menschenrechte und Organisationsentwicklung.
Dr. Schneiders Beitrag befasste sich mit den Herausforderungen der Messung der Auswirkungen von Gesetzen und der Frage, wie diese in den Gesetzgebungsprozess integriert werden können. Er stellte zur Dikussion, ob und wie Gesetze ihre Ziele erreichen (können). Er unterschied zwischen den direkten und indirekten Zielen eines Gesetzes und ging auf mehrere Herausforderungen ein.
Es wurden weit mehr Themen und Konzepte erörtert, als hier dargestellt. Es ist erwähnenswert, dass auf jede Sitzung eine ausführliche Fragerunde und eine lebhafte Diskussion folgten. Wir freuen uns, dass alle Teilnehmer diesen Workshop als erfolgreich und fruchtbar empfunden haben.
Zum Ende des Workshops hielten Herr Abdelkhalak Edahmani, Rechtsberater des SGG, der einen ausführlichen Bericht über die beiden Tage darlegte, Herr Brahim Zyani und Herr Philipp Bremer die Schlussworte.