05. Januar 1876 - 19. April 1967
Konrad Adenauer wurde am 5. Januar 1876 in Köln geboren. Sein Vater Konrad war ein Beamter im mittleren Dienst. Seine Mutter, Helene Scharfenberg, stammte gleichfalls aus einem Beamtenhaushalt. Mit drei Geschwistern, zwei älteren Brüdern und einer jüngeren Schwester, wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Er besuchte als Schüler des "guten, unauffälligen Durchschnitts" das humanistische Apostelgymnasium in seiner Heimatstadt. Nach dem Abitur 1894 begann er eine Banklehre, die er abbrach, als ihm ein Kölner Bürgerstipendium ermöglichte, an der Universität Freiburg das Jurastudium aufzunehmen. Nach zwei Semestern in München, wo er auch Volkswirtschaft hörte, ging er nach Bonn. Dort legte er 1897 mit gutem Erfolg das Referendarexamen ab. Das Assessorexamen 1901 in Berlin bestand er mit "ausreichend". Nach seiner Assessorenzeit bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts Köln trat er 1902 in das Anwaltsbüro des Kölner Justizrats Hermann Kausen ein, der Vorsitzender der Zentrumsfraktion in der Stadtverordnetenversammlung war.
Dass Herkunft und Erziehung den rheinischen Katholiken Adenauer in das Zentrum führten, die Partei des politischen Katholizismus, war selbstverständlich. Seine politische Laufbahn begann, nachdem er 1904 die vierundzwanzigjährige Emma Weyer, die Tochter einer angesehenen und wohlhabenden Kölner Familie, geheiratet hatte. Durch diese Heirat kam er in Verbindung mit dem gesellschaftlich und politisch tonangebenden rheinischen Bürgertum. 1906 bewarb er sich erfolgreich um die Stelle eines hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt. Die Wahl zum Ersten Beigeordneten machte ihn drei Jahre später zum Stellvertreter des Oberbürgermeisters Max Wallraf, der ein Onkel seiner Frau war. Mit Geschick und Einfallsreichtum bewährte sich Adenauer in diesem Amt vor allem während des Ersten Weltkrieges als Organisator der Nahrungsmittelversorgung Kölns. Dem beruflichen Erfolg standen Schicksalsschläge im persönlichen Bereich gegenüber. 1916 starb seine Frau, die ihm drei Kinder geboren hatte. Er selbst erlitt bei einen schweren Autounfall Gesichtsverletzungen, die einen monatelangen Krankenhaus- und Kuraufenthalt notwendig machten. Als 1917 durch die Berufung Wallrafs zum Staatssekretär des Innern nach Berlin das Kölner Oberbürgermeisteramt frei wurde, fiel die einstimmige Wahl der Stadtverordneten auf Adenauer als Nachfolger. Er war damit das jüngste Stadtoberhaupt in Preußen.
In der Weimarer Republik gehörte Adenauer zu den stärksten politischen Persönlichkeiten Deutschlands. Er machte sich durch einen fortschrittlichen Ausbau Kölns zur "Metropole des Westen" einen Namen. Die Neugründung der Universität 1919, die Umgestaltung des früheren Festungsgeländes zum Grüngürtel, die Wiederbelebung der Kölner Messe, die Erweiterung des Rheinhafens, der Bau einer weiteren Rheinbrücke, die Ansiedlung von Industriebetrieben, unter anderem der Ford-Werke, fielen in seine Amtszeit. In der "großen Politik" wurde Adenauer eine Schlüsselfigur in der Rheinlandfrage. Um eine Annexion der besetzten linksrheinischen Gebiete zu verhindern, trat er zeitweise für die Schaffung eines rheinischen Bundesstaats ein, um das französische Sicherheitsverlangen zu befriedigen. Diese Mitarbeit in der sogenannten Rheinlandbewegung trug ihm vor allem in der Nazi-Zeit den Ruf ein, "Separatist" zu sein.
Von überregionaler Bedeutung war sein Einfluß im Amt eines Präsidenten des Preußischen Staatsrats, das er von 1921 bis 1933 innehatte. Wiederholt wurde er auch in den Regierungskrisen der Weimarer Republik zum Kreis der möglichen Kanzlerkandidaten gezählt. Sein Republikanertum, das sich mit föderalistischen und christlich-sozialen Grundüberzeugungen verband, machte ihn bei den Gegnern des Weimarer "Systems" verhaßt. Als die Nazis 1933 an die Regierung kamen, wurde er deshalb unverzüglich seines Postens als Oberbürgermeister Kölns enthoben und aus seiner Heimatstadt verbannt.
Die Jahre der Nazityrannei und des Krieges überlebte Adenauer mit seiner Familie im Rhöndorfer Haus am Zennigsweg, das er sich nach einem Vergleich mit der Stadt Köln über seine finanziellen Ansprüche baute. Eine gefährliche Situation ergab sich für ihn gegen Kriegsende, als er nach dem gescheiterten Hitlerattentat als Regimegegner für mehrere Monate in Gestapohaft genommen wurde.
Die amerikanischen Sieger machten den 69jährigen, der an der Spitze einer Liste von unbelasteten Politikern stand, wieder zum Kölner Oberbürgermeister. Mit ungebrochener Kraft stellte er sich der Aufgabe, die aufs schwerste zerstörte Stadt zu neuem Leben zu erwecken. Doch schon nach wenigen Monaten entließ ihn die inzwischen zuständige britische Militärregierung aus seinem Amt, nachdem er ihre Besatzungspolitik kritisiert hatte. Zum zweiten Mal sah sich Adenauer zwangsweise in den Ruhestand versetzt und aus Köln vertrieben. Kaum war das gleichzeitig ergangene Verbot politischer Betätigung aufgehoben, konzentrierte sich der nun 70jährige voll auf die Arbeit in der CDU, der er kurz nach ihrer Gründung beigetreten war. Mit politischen Konzeptionen und Programmvorstellungen, die er nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt und an den Erfahrungen während der Naziherrschaft überprüft hatte, machte er eine "parteipolitische Blitzkarriere". Schon am 5. Februar 1946 wurde Adenauer zum Vorsitzenden der rheinischen CDU und - knapp einen Monat später - zum Vorsitzenden der CDU der britischen Zone gewählt. Im Oktober übernahm er auch noch die Führung der CDU-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Sein Aufstieg zum charismatischen Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland und geachteten Staatsmann der westlichen Welt hing eng mit der Entstehung des Ost/West-Gegensatzes und dem Beginn des Kalten Krieges zusammen.
Der entscheidende Schritt auf seinem Weg zur Spitze des entstehenden westdeutschen Staatswesens war seine Wahl zum Präsidenten des Parlamentarischen Rates, der 1948 auf Anweisung der drei Westalliierten geschaffen wurde, um das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten. In dieser Stellung wurde er sowohl gegenüber den Ministerpräsidenten der Länder als auch gegenüber den Militärgouverneuren zum "Sprecher der werdenden Bundesrepublik" (Heuss) und gewann so in der Öffentlichkeit Ansehen. Von der CDU/CSU-Fraktion des ersten Deutschen Bundestages wurde der 73jährige am 15. September 1949 zum Bundeskanzler gewählt. Er blieb es 14 Jahre.
Die von ihm geführten Regierungen legten den Grund für den erfolgreichen Aufbau der neuen Demokratie. Epochale Weichenstellungen sind auf immer mit der "Ära Adenauer" verbunden: in der Außenpolitik die Erringung der staatlichen Souveränität, die enge Bindung an den freien Westen, die Aussöhnung mit Frankreich und die europäische Einigung, in der Innenpolitik die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie der Ausbau der Sozialen Marktwirtschaft als neuartiger Wirtschaftsordnung, in der die Förderung des freien Wettbewerbs und die sozialstaatliche Verantwortung miteinander verknüpft sind. Das "deutsche Wirtschaftswunder" wäre ohne Sicherung des inneren sozialen Friedens nicht möglich gewesen. Die Gesetzgebung zur Mitbestimmung in der Montanindustrie und zur Vermögensbildung für Arbeitnehmer, der Lastenausgleich, der soziale Wohnungsbau, das Kindergeld, der Grüne Plan für die Landwirtschaft und die Dynamisierung der Sozialrente wurden zu Ankerpunkten des vielgerühmten sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland. Zum ersten Mal wurde in Deutschland kontinuierlich und konsequent Sozialpolitik als Strukturpolitik betrieben.
In der Bundestagswahl 1957 errang die CDU/CSU mit Adenauer als Spitzenkandidat die absolute Mehrheit der Stimmen (50,2%) - ein wohl einmaliger Erfolg. Am Ende der dritten Kanzlerschaft Adenauers überwogen jedoch die Unsicherheiten. Die Veränderung der weltpolitischen Großwetterlage, durch eine andere Prioritätensetzung der USA hervorgerufen, verschärfte den sowjetischen Druck auf Berlin (Berlin-Ultimatum und 3-Staaten-Theorie). Die Innenpolitik geriet unter den Einfluß des Personalringens um die Nachfolge des "Alten". Ein historischer Schritt gelang mit der politischen Verklammerung Deutschlands und Frankreichs, die auf der Freundschaft Adenauers mit de Gaulle (erstes Treffen 1958) aufbaute. Die Deutschlandpolitik erreichte unterdessen einen Tiefpunkt. Der Berliner Mauerbau am 13. August 1961, wenige Wochen vor der vierten Bundestagswahl, schien die deutsche Teilung auf Dauer zu verfestigen. 1961 noch einmal zum Kanzler einer CDU/CSU-FDP-Koalition gewählt, trat er zur Mitte der Legislaturperiode vereinbarungsgemäß zurück.
In dem Maße, wie die Generationen der Weltkriege den Kindern des Wiederaufbaus Platz machten, verlor er an Anziehungskraft. 1966 gab er auch sein Amt als Bundesvorsitzender der CDU ab. Sein letzter politischer Erfolg war 1963 die Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrages, der über die Konzentration auf die Zusammenarbeit der beiden Nachbarstaaten hinaus auf Europa als große Zielsetzung der Adenauerschen Politik verwies.
Als er am 19. April 1967 - 91jährig - starb, wurde er als Staatsmann, dem die Deutschen in der Bundesrepublik Freiheit, Wohlstand und soziale Sicherheit verdankten, weltweit geehrt. Adenauer liegt in Rhöndorf begraben. Sein Wohnhaus ist durch eine Stiftung als Museum und Forschungsstätte eingerichtet worden. Seine Memoiren, deren 1. Band 1965 erschien, und sein edierter Briefwechsel sind historische Quellen ersten Ranges.