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Bruce Stokes, Direktor für Global Economic Attitudes beim Pew Research Center, stellte die Studie am 23. Juni, 2016 auf Einladung des German Marshall Funds in Washington, DC vor. Die Experten Derek Chollet, Counselor und Senior Advisor for Security and Defense Policy, GMFUS , und Fiona Hill, Direktorin und Senior Fellow beim Center on the United States and Europe, Brookings Institution, diskutierten die Ergebnisse. Moderiert wurde das Panel von dem Washington Korrespondenten von Euronews, Stefan Grobe.
Die Meinungen in Europa gehen weit auseinander welche Rolle das eigene Land in der Welt spielt und wie wichtig die eigene Nation im Vergleich zu anderen Ländern ist. Viele Europäer wollen sich stärker auf innenpolitische Probleme konzentrieren und denken dass nationale Interessen vor denen der Partnerstaaten kommen sollen.
Die Pew-Studie befragte mehr als 11,000 Europäer vom Anfang April bis Mitte Mai diesen Jahres. Die Umfrage kam nur wenige Monate nach den tödlichen Terrorangriffen in Paris und Brüssel. In sieben der zehn befragten Nationen, glaubt mehr als die Hälfte der Bevölkerung, dass ihr Land sich in erster Linie um seine eigenen Probleme kümmern soll. Die anderen Staaten sollten sich selbst überlassen bleiben. Diese Meinung wird in großem Maß in Griechenland vertreten: 83 Prozent der Befragten sind der Meinung jedes Land sollte am besten sich um seine eigenen Probleme kümmern. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen Spanien und Deutschland. Hier denken 55 Prozent, dass man anderen Nationen bei der Problemlösung helfen sollte. In fünf Ländern denkt die Hälfte der Einwohner, dass ihre Regierung unter allen Umständen die eigenen Interessen in ihrer Außenpolitik vertreten soll, auch wenn dies gegen das Interesse von Partner-Nationen geht.
Nationales Selbstbewusstsein zeigt eine absteigende Tendenz. Nur Deutsche und Polen glauben, dass ihr Land heute international eine wichtigere Rolle spielt als vor zehn Jahren. Die Mehrheit der Franzosen, Italiener und Spanier denken, dass ihre Länder heute viel weniger internationalen Einfluss haben. Gleichzeitig wollen aber die meisten Europäer, dass die EU eine aktivere internationale Rolle übernimmt. Im Durchschnitt wollen 74 Prozent aller Befragten, dass Brüssel größere weltweite Verantwortung übernehmen soll. Auch wenn es um Hilfe für Entwicklungsländer geht, ist die Mehrheit der Europäer (53 Prozent) dafür mehr Geld für Entwicklungshilfe auszugeben.
Auf die Frage welche Faktoren die größte Bedrohung für ihre Länder darstellt, nannten 70 Prozent oder mehr in jedem Land ISIS. Die überwiegende Mehrheit der Spanier und Franzosen mit mehr als 90 Prozent sehen ISIS als größte Gefahr. Klimawandel, wirtschaftliche Unstabilität und Hackerangriffe wurden außerdem als große Bedrohungen genannt. Eine deutliche Spaltung gibt es beim Thema Flüchtlinge aus Irak und Syrien. In Polen, Ungarn, Griechenland und Italien betrachtet die Mehrheit die Flüchtlingskrise als deutliche Bedrohung für ihr Land. 67 Prozent aller Griechen vertreten diese Meinung. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Niederlande, Deutschland und Schweden. 32 Prozent der Deutschen und nur 18 Prozent der Schweden gaben die Flüchtlinge als Bedrohungsfaktor an.
Fünfzig Jahre nach dem Elysee-Vertrag, zwischen Frankreich und dem damaligen West-Deutschland, zeigt sich ein tiefer Graben zwischen den beiden Nationen. Die Deutschen sind viel selbstbewusster und optimistischer über ihre Rolle in der Welt. Die Mehrheit unterstützt Multilateralismus und globalen Handel. Die Franzosen dagegen stehen der Globalisierung skeptisch gegenüber und wenden den Blick nach innen, auf die eigene Nation. Siebzig Prozent der Deutschen und 51 Prozent der Franzosen sehen Globalwirtschaft als positiv an. 62 Prozent der Deutschen denken ihr Land spielt heute eine wichtigere Rolle als vor einem Jahrzehnt, während nur 23 Prozent der Franzosen so über ihr eigenes Land denken. 36 Prozent der Franzosen meinen Frankreich sollte anderen Ländern bei ihrer Problemlösung helfen, während 53 Prozent der Deutschen anderen Nationen helfen wollen. Die EU wird von 50 Prozent der Deutschen als positiv eingestuft. In Frankreich dagegen beurteilen 38 Prozent die Europäische Union als positiv.
Die Pew-Umfrage in Großbritannien zeigte ein Muster, das im BREXIT Referendum wiederholt wurde. Die älteren Briten (über 50 Jahre alt) wollen eine Rückkehr zum Nationalismus, während die jüngeren Einwohner (18 bis 34-Jährige) der EU positiv gegenüber stehen. 73 Prozent der Älteren wollen, dass die Entscheidungsgewalt von der EU wieder auf die eigene Regierung übertragen werden soll. 47 Prozent sagen, dass das Vereinte Königreich global eine unwichtigere Rolle spielt als noch vor 10 Jahren und 56 Prozent wollen, dass in der britischen Außenpolitik die eigenen Interessen vor denen der Partner vertreten werden sollen. Bei der jüngeren Generation sehen die Zahlen anders aus. 46 Prozent der jungen Briten stimmen dafür, dass das nationale Interesse in der Außenpolitik Vorrang hat. 49 Prozent denken dass die Europäische Union die gleiche Entscheidungsgewalt behalten soll und 66Prozent halten ihr Land weltweit für genauso wichtig oder wichtiger als noch vor einem Jahrzehnt.
Die Experten waren sich einig, dass in allen europäischen Ländern die Legitimität der Institutionen wie beispielsweise die EU zunehmend in Frage gestellt wird. Eliten und Politiker werden in vielen Ländern mit Misstrauen gesehen. Die Pew-Studie und auch das EU-Referendum in Großbritannien zeigen deutlich die Kluft zwischen Bevölkerung und Institutionen und Eliten.
Ein Beitrag von Sabine Murphy
Verantwortlich und Redaktion Dr. Lars Hänsel