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Auf der umfangreichen Tagesordnung standen die Iran- und Klimaschutzpolitik, der deutsche Afghanistaneinsatz und die Frage der Aufnahme von Guantanamo Häftlingen, sowie vor dem Hintergrund der Finanzkrise Probleme der Wirtschaftspolitik.
Im Vorfeld des Treffens in Washington waren in den US-Medien auch die Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Politikern bezüglich der Konjunkturprogramme Deutschlands und der USA erwähnt worden. Dabei wurden insbesondere die jüngsten Warnungen der Kanzlerin vor einer Inflationsgefahr hervorgehoben. Es wurde betont, daß Kanzlerin Merkel sowohl die US-Notenbank als auch das USFinanzministerium für deren Geld- und Schuldenpolitik kritisiert hatte.
Auch wurde darauf verwiesen, daß die Kanzlerin kurz vor dem Treffen hatte verlauten lassen, daß sie die Rückkehr zu nachhaltigem Wachstum mit Präsident Obama besprechen wolle, was von einigen Kommentatoren als Erinnerung an ihre oben erwähnte Kritik interpretiert wurde. Die amerikanische Presse verwies allerdings ihrerseits kritisch darauf, daß wenig von den Deutschen über deren eigene Probleme mit den deutschen Banken zu hören war. Und daß die Schuld an der Situation gerne ausschließlich auf amerikanischer Seite gesucht werde, obwohl laut IWF deutsche Banken wesentlich mehr “Giftpapiere” in den Tresoren hätten als ihre amerikanischen Kollegen.
Die gemeinsame Pressekonferenz über die Ergebnisse der Gespräche nutzte Obama dann, um zusammen mit Kanzlerin Merkel seine bisher schärfste Kritik an den Entwicklungen in Iran zu äußern und die geschlossene Front gegen Irans Nuklearprogramm zu verdeutlichen. Laut Obama würde die Zeit zum Handeln knapp werden.
Kanzlerin Angela Merkel pries ihrerseits die neue amerikanische Strategie auf dem Gebiet des Klimaschutzes. Passend zum Thema und zeitgleich zur Pressekonferenz stimmte das USAbgeordnetenhaus am anderen Ende der Pennsylvania Avenue, wenn auch nur knapp, einem “historischen” Klimaschutzprogramm zu. Die Kanzlerin lobte denn auch den Präsidenten und meinte, daß es Obama Ernst sei mit der Klimaschutzpolitik.
Präsident Obama seinerseits räumte ein, daß die von ihm erwartete Kooperation Deutschlands beim Thema Guantanamo-Häftlinge nur unter Berücksichtigung deutscher Sicherheitsinteressen stattfinden könne. Obama selbst hatte schließlich nicht einmal seine eigenen Demokratischen Kollegen von der Notwendigkeit der Aufnahme der als unbedenklich eingestuften Uighuren in die USA überzeugen können. Kanzlerin Merkel bemerkte ihrerseits, daß man sich zwar noch im Anfangsstadium der Verhandlungen über dieses Thema befinde, daß man sich aber seiner Verantwortung nicht entziehen werde, auch wenn bereits zwei Anfragen zur Aufnahme von zwölf ehemaligen Häftlingen abschlägig beschieden worden seien.
Zwar wurde Afghanistan während der Pressekonferenz nur kurz angesprochen, dennoch würdigte Präsident Obama Deutschlands Einsatz, insbesondere auch im Hinblick auf die jüngsten Opfer unter den Soldaten des Bundeswehrkontingents. Zwar verwiesen einige Kommentatoren auf unerfüllte Forderungen nach einer wesentlich höheren deutschen Truppenaufstockung als die gerade beschlossene Entsendung von 300 zusätzlichen Soldaten und vier AWACS Aufklärungsflugzeugen. Andere Beobachter machten aber klar, daß dieser Beschluß gerade angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen ein beachtliches deutsches Zugeständnis an Obama beinhalte. Obama selbst hatte wohl auch aus Rücksichtnahme auf die innenpolitische Lage in Deutschland seine Forderungen in der Öffentlichkeit gering gehalten. Stattdessen betonte Obama, daß man eine umfassende gemeinsame Strategie für Afghanistan benötige.
Im Gegensatz zu einigen deutschen Medien konzentrierte sich die amerikanische Berichterstattung über das Treffen in erster Linie auf die inhaltlichen Schwerpunkte, insbesondere auch auf die zum Teil kritischen Warnungen der Kanzlerin im Hinblick auf die Geld- und Finanzpolitik.
Wenn trotzdem in amerikanischen Medien auch die Frage gestellt wurde, inwiefern die Chemie zwischen den beiden Politikern stimme, war dies jedoch wohl größtenteils eine Reaktion auf die deutsche Berichterstattung über eine gewisse Distanziertheit, die in Obamas Umgebung aber offensichtlich registriert worden war. Amerikanische Zeitungen verwiesen daher ausdrücklich auf Obamas mehrfache, offenkundige Versuche, dieses Image “unterkühlter” Beziehungen zu korrigieren. Daß das Resultat nicht dem kumpelhaften Faust-gegen-Faust-Gruß-Bild entsprach, hatte wahrscheinlich mehr damit zu tun, daß die Kanzlerin sich von vornherein nicht anbiederte, sehr freundlich aber sachlich blieb und das Treffen auf keinen Fall in ein Wahlkampfspektakel abgleiten lassen wollte.
Grundtenor des Treffens war denn auch die Konzentration auf Sachfragen und die Betonung einer gemeinsamen pragmatischen Suche nach Lösungen für die anstehenden Probleme - dabei bestehende Meinungsverschiedenheiten sollten auf keinen Fall die Kooperationsmöglichkeiten überschatten.8
Dr. Norbert Wagner,
Roman Sehling,
Washington, Juni 2009