Geschichte der CDU
Wir gratulieren von Herzen Dorothee Wilms zu Ihrem 95. Geburtstag. Der Politiker Gustav Stresemann, der wenige Tage vor ihrer Geburt starb, hat den schönen Satz geprägt, „man kämpft nicht nur mit dem Schwert, sondern auch mit dem Herzen“. Das ist eine treffende Kurzbeschreibung für die besondere Mischung aus politischer Durchsetzungskraft und persönlicher Zugewandtheit, die die herausragende Frauen-, Bildungs- und Deutschlandpolitikerin Wilms auszeichnet. Dorothee Wilms ist bis heute ein Musterbeispiel für einen toleranten rheinischen Katholizismus, der nicht auf das ewige Leben wartet, sondern im hier und jetzt Verantwortungsbereitschaft für die aktive Gestaltung unseres irdischen Lebens übernimmt – auf dem festen Fundament des christlichen Menschenbildes.
Im Sinne dieser Verantwortungsbereitschaft absolviert sie die klassische „Ochsentour“ vom kommunalpolitischen Engagement in ihrer Geburtsstadt Grevenbroich, in der schon ihr Vater als Bürgermeister gewirkt hatte, über die Frauenvereinigung der CDU bis hin zu Führungsaufgaben. Sie wird – von Beginn an auch gefördert von Helmut Kohl und seinem damaligen Generalsekretär Kurt Biedenkopf – zu einer Pionierin einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen an der christlich-demokratischen Politik: Als erste Frau an der Spitze der Politischen Abteilung des Konrad-Adenauer-Hauses und als erste stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Partei hat sie maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der CDU hin zur modernen Volkspartei. Während ihrer Arbeit für die Parteizentrale wird sie Ende des Jahres 1974 als einzige Frau in das Wahlkampfteam von Heinrich Köppeler für den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen berufen. 1976 zieht sie in den Bundestag ein und wird vom Fraktionsvorsitzenden Helmut Kohl als erste Frau in das Amt einer Parlamentarischen Geschäftsführerin der CDU/CSU-Fraktion berufen und dann nach der Regierungsübernahme durch Kohl als anerkannte Fachfrau zur Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft ernannt, die damals vor allem eine spürbare Verbesserung auf dem Lehrstellenmarkt erzielen kann und damit ein Versprechen von Helmut Kohl verwirklicht, das er nach seinem Amtsantritt als Kanzler gegeben hatte. Mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes gelingt es ihr, eine bildungspolitische Wende hin zu mehr Eigenverantwortung und Selbständigkeit der Hochschulen einzuleiten, die bis in die Gegenwart fortwirkt und zu einem beinahe unantastbaren Grundsatz geworden ist.
Von besonderer Bedeutung ist freilich ab 1987 ihre Arbeit als Bundesministerin für innerdeutsche Beziehungen. Ohne jeden Zweifel hat Dorothee Wilms die deutschlandpolitischen Grundsätze von Helmut Kohl, die es ihm ermöglicht haben, die deutsche Wiedervereinigung kraftvoll umzusetzen, entscheidend flankiert und mitgeprägt. Ob es Reisen ausländischer Gäste an die innerdeutsche Grenze waren, die Förderung von Reisen Jugendlicher ins geteilte Berlin, ob es die entscheidende Verstärkung der DDR-Forschung z.B. durch den Arbeitskreis Deutschlandforschung war, ob es die Verbesserung der humanitären Situation durch die Häftlingsfreikäufe in ihrer Amtszeit waren: Mit ihren Maßnahmen hat sie die Brisanz der Teilung ebenso wie das Ziel der deutschen Einheit in Freiheit im öffentlichen Bewusstsein gehalten. 1988 beschreibt sie in einer Rede ihre Grundhaltung, ohne zu wissen, wie prophetisch ihre Aussage war: „Die Existenz des Bundesministeriums für innerdeutsche Beziehungen innerhalb der Bundesregierung rechtfertigt sich aus der Existenz der deutschen Frage; Aufgabe meines Ministeriums ist es, eine Antwort auf die deutsche Frage herbeizuführen und damit seine Existenz überflüssig zu machen.“ Dass das nur kurze Zeit später Wirklichkeit wird, damit war nicht zu rechnen, auch für sie selbst nicht, wie sie immer wieder eingesteht. Im Januar 1991 wird ihr Ministerium – über dessen Existenzberechtigung im Laufe der Jahre zwar immer wieder diskutiert worden war, das sie aber als festen Bestandteil der Regierungsarbeit ausgebaut hatte – aufgelöst, da es durch die Wiedervereinigung in der Tat „überflüssig“ geworden ist. Für Dorothee Wilms bedeutet das aber nicht den Rückzug aus der Öffentlichkeit. Bis 1994 behält sie ihr Bundestagsmandat und setzt als Obfrau der CDU/CSU-Fraktion in der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ wichtige Akzente dafür, dass das Unrecht, das vom DDR-Regime ausgeübt wurde, nicht in Vergessenheit gerät.
Der Konrad-Adenauer-Stiftung ist sie von Beginn ihres politischen Wirkens an eine leidenschaftliche Begleiterin und Beraterin. Der Mitgliederversammlung der Stiftung gehört sie beginnend mit dem Jahr 1968 an. Für einige Monate rückt Sie gar kommissarisch, nachdem der damalige Vorsitzende Bernhard Vogel Ministerpräsident in Thüringen wird, an die Spitze der Stiftung. Große Teile der Dokumente, die ihr politisches Leben abbilden hat sie dankenswerterweise dem Archiv für christlich-demokratische Politik der Adenauer-Stiftung übergeben, dessen Arbeit sie mit großer Verbundenheit begleitet.
Wir sind Dorothee Wilms zu großem Dank verpflichtet und wünschen ihr im Sinne des schönen israelischen Wunsches, „mögest Du 120 Jahre alt werden“ auch für die noch kommenden 25 Jahre Tatkraft und Gesundheit und dass die Aufmerksamkeit, mit der sie unsere Arbeit begleitet, nicht nachlasse.