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„Die Frustration der EU ist verständlich“

Felix Dane im Interview bei n-tv.de über die Brexit-Entscheidung des britischen Parlaments

Während London um einen Ausweg aus dem Brexit-Chaos ringt, herrscht in Brüssel Ratlosigkeit. Bisher schließt die EU Nachverhandlungen aus. Doch das muss nicht so bleiben, sagt Felix Dane, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in London, im Gespräch mit n-tv.de. An ein No-Deal-Szenario glaubt er nicht. Stattdessen sei die Wahrscheinlichkeit für einen weichen oder gar keinen Brexit gestiegen.

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#wewantyoutostay: Deutsche Politiker haben sich fraktionsübergreifend in der New York Times mit einem offenen Brief für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union ausgesprochen. Mitunterzeichner ist unser Vorsitzender Prof. Dr. Norbert Lammert.

n-tv-Interview mit Felix Dane

n-tv.de: Nach dem Scheitern des Brexit-Deals sieht die EU die britische Premierministerin in der Pflicht. Glauben Sie an einen Plan B?

Felix Dane: Rein juristisch ist Theresa May dazu gezwungen, dem Parlament am Montag etwas vorzulegen. Und es muss etwas anderes sein als das, was vorher vorgelegen hat. Das heißt, der Ball liegt nun im Feld der Briten - und eben nicht in Brüssel.

Die EU hat den Vertrag fast zwei Jahre lang mitverhandelt. Kann sie sich jetzt einfach aus der Verantwortung ziehen?

Brüssel ist in einer schwierigen Position, weil nicht ganz eindeutig ist, was London möchte. Es gibt keine Mehrheit für irgendetwas - weder für einen harten noch für einen weichen Brexit. Fakt ist, dass die Briten austreten wollen. Und dafür braucht es Regeln. Die kann es aber nicht ohne Konsequenzen geben. Im Prinzip ist die Frustration der EU also durchaus verständlich, denn Großbritannien hat das für sich noch nicht geklärt.

Gegen Nachverhandlungen sträubt sich die EU bisher. Könnte sich das - im Sinne einer Einigung - doch noch ändern?

Eine Einigung ist im Sinne aller. Das Paket wieder aufzumachen, wird aber schwierig. Beide Seiten haben über zwei Jahre eng verhandelt. Und die EU müsste schon sehr weit gehen, um bestimmte Grundsätze - zum Beispiel die an den Binnenmarkt gekoppelte Bewegungsfreiheit - zu ändern. Da tut sich Brüssel schwer - auch weil man keine Präzedenzfälle schaffen will, auf die sich dann andere Länder berufen könnten. Andererseits ist Großbritannien ein so gewichtiges Mitglied, dass es schwer wird, das Land ohne Deal ausscheiden zu lassen. Dann stünde die EU am Ende zumindest als Teilschuldiger da. Brüssel wird sich also sehr ernste Gedanken machen, was man den Briten jetzt anbieten kann.

Für den Fall, dass Großbritannien eine Fristverlängerung für den Austritt beantragt: Welche Bedingungen könnte die EU stellen?

Die EU ist auf jeden Fall bereit, die Frist zu verlängern. Aber sie wird auch wissen wollen, zu welchem Zweck. Wollen die Briten die Karten über eine Neuwahl neu mischen? Wollen sie ein zweites Referendum abhalten? Oder einfach ein paar Monate länger im Parlament debattieren? Wenn es nur ums Weiterverhandeln geht, dann stünden dem ganz schnell die Europawahlen im Weg …

Warum wäre das ein Problem?

Weil sich die Briten auf der einen Seite mitten im Scheidungsprozess befinden würden - und auf der anderen Seiten nähmen sie noch an den Europawahlen teil. Das müsste politisch erst einmal bewerkstelligt werden. Und es kostet eine ganze Menge Geld. Denn es müsste trotzdem einen Wahlkampf geben. Und auch dafür gibt es rechtliche Regeln - mit Fristen für Kampagnen und so weiter. Funktioniert das in Großbritannien nicht, würde auch die Europawahl anfechtbar werden. Das läge nun wirklich nicht im Interesse der EU.

Also muss der Brexit bis zum 26. Mai vollzogen sein …

Nicht unbedingt. Auch eine Übergangslösung kann es geben. Man könnte zum Beispiel die Mandate der Abgeordneten, die momentan für Großbritannien im Europaparlament sitzen, verlängern. Sie wären dann gewissermaßen nur Beobachter. Aber das sind rechtliche Fragen, die vor einer Entscheidung für oder gegen eine Fristverlängerung geklärt werden müssten.

Wie weit in die Zukunft könnte sich der Brexit theoretisch verschieben?

Die Briten sind jetzt seit 40 Jahren in der EU - und so richtig glücklich waren sie nie damit. Egal, was jetzt passiert - ob es einen harten, einen weichen oder gar keinen Brexit gibt: Die Frage nach dem Verhältnis zur EU werden sie sich auch in zehn Jahren noch stellen.

Klingt nach einem Schrecken ohne Ende. Wäre nicht das Gegenteil die bessere Option?

Das würde einen harten Brexit bedeuten. Und der hätte nicht nur wirtschaftliche Folgen, sondern beträfe auch Kooperationen bei der Sicherheit, den Nachrichtendiensten und der Polizei. All diese Bereiche sind mittlerweile auf EU-Ebene eng miteinander verzahnt. Wie eine Zusammenarbeit im Falle eines harten Brexits aussehen soll, ist schwer vorstellbar. Wahrscheinlich müsste man etliche Einzelabkommen schließen.

Wie gut sehen Sie die EU auf einen harten Brexit vorbereitet?

Beide Seiten sind nicht sehr gut vorbereitet. Deshalb glaube ich auch, dass die Wahrscheinlichkeit für einen weichen oder gar keinen Brexit gestiegen ist. Die Abstimmung am Dienstag hat gezeigt, dass es keine Mehrheit für einen klaren Schnitt gibt. Die meisten Abgeordneten sind eigentlich an einem weichen Brexit interessiert - noch weicher, als im Entwurf von Theresa May vorgesehen war. Das heißt nicht, dass es auch so kommt. Aber nach allem, was man im Parlament hört, versuchen die Briten nun, in letzter Minute noch irgendeinen Konsens zu finden. Die neueste Wortschöpfung aus Westminster lautet "cross-parliamentary consensus".

Soll heißen?

Es ist ein "überparlamentarischer" Konsens - und damit im Prinzip das Gleiche wie ein "überparteilicher" Konsens, nur hat man auf das Wort "Partei" bewusst verzichtet. Konkret würde das bedeuten, dass das britische Parlament stärker die Federführung übernimmt. Für Großbritannien wäre das ein Bruch mit der Tradition. Aber man käme von den roten Linien weg, die Theresa May zu Beginn der Verhandlungen mit der EU festgelegt hat. So könnte man das Paket vielleicht doch nochmal öffnen, um das ein oder andere nachzuverhandeln.

Mit Felix Dane sprach Judith Görs.


Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von n-tv.de.


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