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Der Mythos des Plattmachens und Ausverkaufs beim Weg in die Marktwirtschaft
Der Präsident des Thüringer Landtags Christian Carius MdL betonte in seinem Grußwort, dass gerade im 25. Jahr der Deutschen Einheit ein Blick zurück geworfen werden müsse, was in den vergangenen 2,5 Jahrzehnten in den Neuen Ländern und insbesondere in Thüringen erreicht worden ist. Daher sei er Franz Schuster sehr dankbar, dass er die Geschichte Thüringens in diesem Bereich aufgearbeitet habe.
Prof. Dr. Richard Schröder, SPD-Fraktionsvorsitzender in der letzten Volkskammer, sah Franz Schusters Buch auch als Replik auf andere Werke zum Thema bzw. wiederholt in allen Medienbereichen geäußerten Zahlenangaben, die keinen Faktencheck standhalten können. (Die vollständige Rede Prof. Schröders ist im Link am Seitenrand abrufbar) Dabei bezog er sich explizit auf die Vorwürfe eines Ausverkaufs der DDR-Wirtschaft durch die Treuhand-Anstalt an fast ausschließlich westdeutsche Investoren und Käufer, in dessen Konsequenz 600 Mrd. Volksvermögen der DDR-Wirtschaft in 250 Mrd. Schulden umgewandelt sein worden. Diese Sichtweise vernachlässige Grob die Tatsache, dass die Ursachen für den Zusammenbruch der Wirtschaft systemimmanent in der SED-Diktatur zu suchen seien und von Gerhard Schürer, oberster Planungs-Chef der SED, selbst konstatiert wurde bis hin zu Reformvorschlägen, welche auch in der DDR Arbeitsplatzabbau und Rationalisierung bedeutet hätten.
Da die Treuhandakten selber bisher nicht verfügbar sind, werden die zur Verfügung stehenden Textsorten des Erfahrungsberichts, Skandalisierungstexte als auch die unter Subjektivitätsverdacht stehenden Treuhandtexte nicht wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht, weshalb Franz Schusters Buch ein wertvoller Beitrag zur fachlich fundierten Aufarbeitung ist. Schröder merkte an, dass natürlich auch einem Minister Schönfärberei unterstellt werden könnte, jedoch man in Betracht ziehen sollte, dass Landesregierungen und Treuhand durchaus beträchtliche Interessenunterschiede hatten, wodurch entsprechend wohlwollende Darstellung nicht zu erwarten sei. Dies ist auch in Schusters Buch nachzulesen, wo er das Primat der Privatisierungspolitik der Treuhand kritisierte, welches zu wenig Rücksicht auf Strukturpolitik nahm. Bilanzierend gab Schröder die Einschätzung Schusters am Ende des Buches wieder, dass sei der Treuhand gelungen, die Deindustrialisierung der neuen Bundesländer zu stoppen. Aber die Rückstände zum Westen seien noch nicht hinreichend aufgeholt. Die Betriebe seien im Durchschnitt deutlich kleiner als im Westen, Forschung und Entwicklung werde im Westen weit intensiver betrieben als im Osten. Die Arbeitsproduktivität sei durchschnittlich im Osten immer noch niedriger, was freilich nichts mit mangelndem Fleiß zu tun hat, sondern mit jenen Strukturproblemen. Großbetriebe können produktiver sein. Diese Unterschiede verkleinerten sich derzeit kaum, man kann von einer Stagnation des Aufholprozesses sprechen.
Vom schwierigen Auferstehen aus den DDR-Ruinen und die Etablierung Thüringens in der Marktwirtschaft
An der von Claus Peter Müller von der Grün (FAZ) moderierten Diskussion nahmen mit Klaus Berka, Vorstandsvorsitzender Analytik Jena AG, Dietmar Grosser, Thüringer Allgemeine (TA), Dr. Bärbel Voigtsberger, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS und Prof. Dr. Rolf Walter, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Friedrich Schiller Universität Jena, Experten wie auch Zeitzeugen teil. Müller von der Grün strukturierte die Diskussion in vier Teilbereiche 1.)Wie war es damals VOR 1989? Wo stand Thüringen VOR dem Weg in die Marktwirtschaft? 2.)Die Transformationsphase vom Ende der DDR bis zur erkennbaren Errichtung neuer Strukturen als dem Aufbau Ost. 3.) Es folgt 3. eine Phase, die ich als Ausbau Ost bezeichnen würde, die bis in die Gegenwart reicht.4.) Wir sollten uns der Zukunft zuwenden. Denn nach 25 Jahren ist auch die Zeit eines Generationswechsels gekommen.
In der Diskussion war gerade die Darstellung des Neuanfangs und Aufbruchs mit realistischer Einschätzung der Lage zu DDR-Zeiten von besonderem Interesse, wobei trotz verschiedener Perspektiven, Funktionen und Orten kaum divergierende Beschreibungen des maroden Zustands der DDR Wirtschaft und der Aufbauphase mit Schwierigkeiten, Hoffnungen und innerdeutscher Solidarität geäußert wurden. Zur Rolle der Treuhand merkte der TA-Journalist Grosser an, dass es natürlich negative Beispiele gebe mit dubiosen Akteuren, aber in den großen Linien dennoch nachvollziehbar entschieden worden ist. Dies gelte auch für die Politik, wobei er auch auf das Wirken von Franz Schuster in konkreten Einzelfällen als auch Strategie würdigte. Gleichwohl ermangele es Thüringen immer noch an großen Firmenzentralen, aber dies sei auch Erbe der Deutschen Teilung. Darin stimmten die anderen Podiumsteilnehmer überein und verwiesen für die Zukunft auf die Demografische Herausforderung, zu deren Lösung Dietmar Grosser eine gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften forderte.
Resümee durch die Verantwortungsträger der ersten Jahre
In Erwiderung der Gedanken der Diskussion nutzte der anwesende Autor Franz Schuster die Gelegenheit, eigene Gedanken und Dank zu äußern. Darüber hinaus gab er zu bedenken, dass ihn manche schwere Entscheidung von Betriebsschließungen wie Arbeitsplatzabbau emotional sehr bewegt hätten, besonders im persönlichen Kontakt bei Protesten mit Betroffenen, doch war für ihn ein wirtschaftlicher Neuanfang nur auf tragfähigen Strukturen verantwortbar. Darüber hinaus war es ihm besonderes Anliegen zu ergänzen, dass Rückblickend festzustellen ist, dass die Bilanz der Treuhandanstalt (THA) die polemische Kritik an deren Tätigkeit(Symbol eines brutalen Kapitalismus, Ausverkauf der Wirtschaft, Plattmacher usw.) eindeutig widerlegt.
Ein falsches Bild vermittele auch eine Aufgabenkritik, die lediglich den Zeitraum 1990 bis 1994 (Ende THA) betrachtet und deren Nachfolgeorganisation BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) ausblendet, obwohl sie doppelt so lange tätig war. Sie hat die Privatisierung fortgesetzt,
bereits privatisierte Unternehmen konsolidiert oder erneut privatisiert, und Brachflächen dem Land für wichtige industriepolitische Großvorhaben übertragen. Damit hat die BvS die Privatisierungsquote stark gesteigert. Schließlich hat auch die Strukturpolitik des Freistaates mit seinen Landesgesellschaften wesentlich zur Privatisierung der Wirtschaft und zur Industrialisierung des Landes beigetragen. Diese Triade hat den Weg Thüringens in die Soziale Marktwirtschaft stark beschleunigt.
Der KAS-Ehrenvorsitzende und Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Bernhard Vogel dankte in seinem Schlusswort den Rednern und Podiumsteilnehmern und würdigte insbesondere Franz Schuster, welcher in dankenswerter Weise ein historisches Werk über den wirtschaftlichen Weg Thüringens in die Marktwirtschaft beschreibt. Als Ministerpräsident Thüringens habe er gemeinsam mit Franz Schuster die nicht konfliktfreie Arbeit bewältigen müssen, wobei er im Hinblick auf das Wirken Franz Schusters hinwies, dass dieser auch als Innenminister Thüringens bis heute Spuren hinterlassen habe, geht die Gebietsstruktur doch auf seine Reform zurück. In dieser Hinsicht wünschte sich Vogel ähnliche historische Aufarbeitungen auch in den anderen Politiksektoren der letzten 25 Jahre. Ihm ist dabei bewusst, dass nicht alle Menschen Gewinner waren und Biografien unterbrochen worden sind, wodurch die vermeintlichen Alternativen sozialistischer Systeme immer noch Kinjunktur hätten. Nach mehr als zwei Stunden endete die Veranstaltung im Thüringer Landtag und viele Gäste nutzten die Gelegenheit, sich ihr Buchexemplar vom Autoren Franz Schuster signieren zu lassen.
Bei der Thüringer Landeszentrale für Politische Bildung können Sie das Buch "Brücken in die Zukunft - die wirtschaftliche Entwicklung Thüringens 1989-2009" von Prof. Rolf Walter mit einem Beitrag von von Franz Schuster (S. 129-146) kostenfrei bestellen.
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