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Mit den Möglichkeiten des technischen Fortschritts verbreiten sich neue Formen und Variationen von Medien zunehmend auch außerhalb der globalen technologischen Zentren. Die dadurch stattfindende Kommunikation in der Bevölkerung kann potentiell zu Rückkopplungen auf die Entwicklung der gesellschaftlichen und politischen Verfassung von Staaten führen und damit diese in erheblichem Maße beeinflussen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat diese Perspektive und Entwicklung zum Anlass genommen, die Frage nach dem Zusammenhang von gesellschaftlicher Entwicklung und Medien zum Thema der ersten einer in Kooperation mit dem Inforadio des rbb getragenen Reihe von drei Veranstaltungen zum Thema „Säulen der Demokratie“ zu machen.
Medien und Mediensysteme in Asien
Sicherlich konnte und kann nicht stark genug betont werden, wie sehr das, was unter Asien zu verstehen ist, durch eine schier unvorstellbare Unterschiedlichkeit geprägt ist. Die einzelnen Staaten der Region sind untereinander und auch bezogen auf ihre innere Beschaffenheit extrem heterogen. Dies gilt für Sprachen, Kultur, Religion, Staats-und Gesellschaftssysteme. Und nicht anders ist es bei ihren Mediensysteme und deren Entwicklungen und Auswirkungen auf die Menschen und Regierungen: in manchen ländlichen Gebieten Asiens findet mediale Entwicklung im hier gemeinten Sinn kaum oder gar nicht statt.
Die Entwicklung der „neuen“ Medien in Asien
Weitestgehend gemein scheint den verschiedenen Ländern Asiens jedoch die rasante Verbreitung sogenannter „neuer“ Medien, insbesondere sozialer Netzwerke, sowie des mobilen Telefons und Internets.
420 Millionen Asiaten besitzen derzeit ein Handy. Trotz vermeintlich am Kollektiv orientierter kultureller Veranlagung zeigt sich dadurch zunehmende Unabhängigkeit und damit Individualisierung im kommunikativen und medialen Konsumverhalten. Im zugegebenermaßen extremen Fall Japans greifen 75% der Internetnutzer mit ihrem Handy auf das World Wide Web zu. Aber auch in Singapur, Thailand, Indonesien oder Malaysia scheint das Mobiltelefon immer mehr im Einsatz zu sein. Das zeigt, gerade auch Länder, die in anderen Bereichen weniger entwickelt sind, treten also in dieser medialen Entwicklung als Vorreiter in Erscheinung.
In den letzten 24 Monaten konnte beispielsweise das auf dem Internet basierende soziale Netzwerk Facebook in vielen asiatischen Ländern enorm wachsen: in den Philippinen wuchs die Anzahl der Nutzer um 4738%, in Indien immer noch um 1513%, auch in Malaysia waren es 1022%. In Taiwan konnte Facebook sogar ein Wachstum von 7600% erreichen.
Fraglich erscheint, ob im Netzwerk neue Verbindungen und Gruppierungen entstehen oder nicht vor allem reale Netzwerke abgebildet werden. Definitiv aber beschleunigt sich der Austausch zwischen den Nutzern und Angehörigen unterschiedlicher Gruppen.
Damit verbunden ist der wirtschaftlich - offenbar in Asien besonders - bedeutende Trend der „recommended search“: über die „Freundeslisten“ und Empfehlungsfunktionen der einzelnen Netzwerke bietet sich Wirtschaftsakteuren wie Unternehmen die Möglichkeit, den Bedarf und das Konsumverhalten der Nutzer zu messen, zu beeinflussen oder im Extremfall zu steuern.
Auch das Phänomen Twitter, das seine Nutzer mithilfe von digitalen Kurznachrichten untereinander in Kontakt treten lässt, ist in Asien auf dem Vormarsch. Entsprechend stark ist etwa der Trend sogenannter „Tweetups“: Zusammenkünfte unter den digital vernetzten Nutzern im realen Leben.
Damit materialisiert sich die digitale Entwicklung in der Mitte der Gesellschaft und – weil Netzwerke im Internet alleine nicht ausreichen – erst dadurch entsteht auch die Möglichkeit von Veränderungen in der sozialen und politischen Ordnung eines Staates. Mit den neuen Medien verbindet sich die Chance auf offenen Gedanken- und Meinungsaustausch über das Internet. Soziale Netzwerke erscheinen als mögliche Gegenbewegung zu übermäßiger staatlicher Kontrolle und dadurch bedingter Unfreiheit in der Gesellschaft und den „alten“ Medien.
Als Folge der Entscheidung zur Aufhebung der Zensur des Internets in Malaysia durch den damaligen Premierminister Mahathir (zum Wohle der Idee eines digitalen Korridors als malaiische Entsprechung des US-amerikanischen Silicon Valley) öffnete sich dieser Raum für die politische Opposition: Es entstanden ca. 7000 Blogs und Internetseiten, sowie mehrere anhaltend bedeutende Onlinezeitungen über die im Wahlkampf 2008 versucht wurde, die Jugend des Landes für sich zu gewinnen. Dem entgegen unterhielt die Regierung im Wahlkampf lediglich drei Internetseiten und fand sich in einem politischen Alptraum wieder. Es folgte ein Regierungswechsel.
Ähnliche Entwicklungen hatte es in Indonesien bereits 1998 vor dem Ende der Regierungszeit des Präsidenten Suharto gegeben.
Angesichts dieser Phänomene entsteht die generelle Hoffnung auf politischen Wandel durch die Macht der „neuen“ Medien und darauf, dass die technische Entwicklung der Medien zum Boten einer weiterführenden Demokratisierung durch (mehr) Meinungs- und Pressefreiheit führt. Dahinter steht die Vorstellung von einem unaufhaltsamen Entstehen mündiger Zivilgesellschaften im Internet.
Gesellschaftliche und politische Auswirkungen und Reaktionen
Sicherlich hat die Entwicklung der neuen Medien Einfluss genommen auf die globalen Gesellschaften und politischen Prozesse. Neben erwähnter wirtschaftlicher Auswirkungen durch „recommended searches“ und die Tweetup-Events, liefern der Wahlkampf von Barack Obama und die Tatsache, dass auch Angela Merkel und andere Mitglieder der Bundesregierung oder der Parlamente als mehr oder weniger regelmäßige Sender und Empfänger von SMS, Tweets und anderer digitaler Botschaften bekannt sind, einschlägige Beispiele.
Soziale Netzwerke, Blogs und Online-Foren sind besonders in Asien zu ernsthaften Instrumenten der Meinungsforschung und –bildung auch im politischen Bereich geworden und werden von Unternehmen, Politikern und anderen Akteuren aktiv genutzt.
Auf der anderen Seite stehen die Versuche, die Entwicklung unkontrollierter Kommunikation über die „neuen“ Medien doch noch aufzuhalten: in Vietnam wurde den Online-Medien generell die gleiche Zensur auferlegt wie ihren „analogen“ Vorgängern; in Singapur wurde etwa die Gruppierung Digital Citizen zur politischen Vereinigung erklärt und damit entsprechenden strengen Regelungen unterworfen; die thailändische Regierung hat im Zuge der jüngeren politischen Entwicklungen im Land ca. 75000 Internetseiten blockiert und eine bedeutende Online-Zeitung war mehrfach dazu gezwungen, unter anderem Namen zu publizieren.
Darin wiederum zeigen sich die Grenzen der Kontrolle: das Internet ist vom Grundsatz dezentral angelegt und damit schwer zu kontrollieren. Selbst Versuche wie das bekannte Beispiel der „zweiten chinesischen Mauer“ (im Internet) oder die Maßnahme der VR China, seinen Bürgern den Zugang zu Facebook zu verwehren, können angesichts der Existenz von Umgehungen und Alternativen nicht als voller Erfolg der Regierung gewertet werden. Selbst ein Nachrichtenverbot wie zum Friedensnobelpreis 2010 hat eine Lücke: wenn in China nichts berichtet wird, ist es ein Chinese.
Grundsätzlich gilt anscheinend – wie beispielsweise seinerzeit im Verhältnis zwischen Sowjetunion und der Entwicklung des Transistorradios –, dass Regulatoren (und selbst Medienrechtler im positiven Fall des Rechtsstaats) in ihren Bemühungen gleichzeitig zu Jägern und Gejagten des technischen Fortschritts werden. Der Versuch der Regulierung bleibt.
Auf der einen Seite zum Zwecke der Aufrechterhaltung politischer Kontrolle durch nicht-demokratische Regierungen – so wurde der Zustand und die Entwicklung von Medien in der VR China in vier Sätzen folgendermaßen beschrieben:
„Die Medien in China sind kontrolliert.
Die Medien in China ändern sich.
Die Änderung wird kontrolliert.
Die Kontrolle ändert sich.“
Auf der anderen Seite drohen– abgesehen von Gefahren wie Kinderpornographie, Cyberkriminalität und dergleichen – die „neuen“ Medien die in den alten Medien etablierten Regeln des klassischen Journalismus in Vergessenheit geraten zu lassen.
Verhältnis zwischen „alten“ und „neuen“ Medien
Ohnehin bleibt die Frage nach dem Verhältnis zwischen „alten“ und „neuen“ Medien. Ökonomisch, gesellschaftlich und politisch enorm bedeutend bleiben Erstere dabei besonders in Asien auch im Vergleich zu Letzteren zweifelsfrei.
In Malaysia etwa machen die neuen Media gerade erst 2-5% des Anzeigenmarktes aus und die traditionellen Medien büßen in keiner Weise bei ihren Reichweiten ein. In Indien wächst neben Facebook auch weiterhin der Zeitungsmarkt: eine wachsende Mittelschicht und gerade die fast unzähligen Landessprachen führen zu immer mehr Neuauflagen. Stabilität und Wachstum des japanischen Zeitungswesens sind bekannt und berühmt. In China gibt es 2011 (2700) gut zehn Mal so viele Zeitungen wie in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. In den Philippinen bleibt währenddessen nicht zuletzt durch die anhaltend hohe Analphabetenquoten in vielen Teilen des Landes das Radio und Fernsehen von zentraler Bedeutung für Unterhaltung aber auch Information: so sind es traurigerweise auch gerade Radiojournalisten, die immer wieder zu Opfern politisch (durch Korruption) motivierter Auftragsmorde werden.
Trotz allem ist festzustellen: die „alten“ Medien reagieren auf die Entwicklungen in Asien besonders, indem sie sich verändern. Das Internet mit all seinen Möglichkeiten wird als Ergänzung integriert, die Trennung zwischen „alt“ und „neu“ verschwimmt: es entstehen „audiovisuelle Zeitungen“ oder Fernsehsendungen über Blog- und Foreneinträge. Facebook, Twitter und Co. werden Werkzeuge in den Händen von Journalisten.
Fazit
Gesellschaftliche und politische Veränderungen durch mediale Entwicklungen finden statt, auch in Asien. Doch die Trends sind gemischt und entscheidend bleiben die Nutzer und der Zweck, die Botschaft, den das Medium vermittelt.