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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Länderberichte mal anders

Selbstbestimmtes Leben? Die Situation von Menschen mit Behinderungen im Senegal

Inklusion weltweit – aktueller Stand aus dem Senegal

Ca. 6 Prozent der Bevölkerung im Senegal leben mit einem Handicap. Unter anderem sind Landminen eine der Ursachen für Versehrtheit, aber auch Unfälle und die schlechte Gesundheitsvorsorge. Stigmatisierung ist immer noch ein Teil der tief verankerten Vorurteile in der Gesellschaft. Gesetze und Konventionen existieren, aber die Umsetzung ist eine Mammutaufgabe.

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Sicap Baobab ist eines der beliebteren Viertel von Dakar. Es ist Wohn- und Geschäftsstandort und verfügt über eine ausgebaute Infrastruktur. Eine Ampel zwingt Fahrzeuge zum Anhalten. Menschen haben nun Zeit, Spenden zu erbitten. Einige von ihnen sitzen in selbstgezimmerten Rollstühlen, bewegen sich mithilfe von Gehhilfen fort oder haben andere Beeinträchtigungen. Springt die Ampel auf Grün, müssen alle Personen schnell von der Straße, denn der Verkehr kann recht hektisch werden. Die zum Teil unebenen beziehungsweise reparaturbedürftigen Straßen erschweren es Menschen mit Behinderungen sich fortzubewegen.

Täglich kommt es zu Verkehrsunfällen aller Art, da die im Senegal gültigen Verkehrsregeln teilweise nicht eingehalten werden oder manche Verkehrsteilnehmende sie nicht kennen. Verbrennungen und Verbrühungen durch offene Kochfeuer, aber auch Krankheiten wie Polio und Lepra, Umweltverschmutzung und defizitäre medizinische Versorgung während der Schwangerschaft sowie bei der Geburt sind unter anderem Ursachen von Behinderungen.

Der Casamancekonflikt im Süden des Landes hat viele Versehrte hervorgebracht, vor allem Opfer von Landminen. Immer noch gibt es nicht geräumte Bereiche und es kommt immer wieder zu Unfällen. Meist trifft es Kinder und Frauen, die im Wald oder auf den Feldern ihrer Arbeit nachgehen.

Menschen mit Beeinträchtigungen sind kaum im Berufs- oder Schulalltag inkludiert. Öffentliche Transportmittel und Gebäude verfügen oftmals nicht über barrierefreie Zugänge.

 

Stigmatisierung und Marginalisierung

Einigen Familien fehlen die Ressourcen oder sie weigern sich, Familienmitglieder mit Behinderungen zu unterstützen. Der Fortbestand von Überzeugungen und Traditionen, die sich gegen Personen mit Behinderungen richten, verschärft die Situation zusätzlich, insbesondere in ländlichen Regionen.

Ein Bambara-Sprichwort lautet beispielsweise wie folgt: „Mit einer Behinderung geboren zu werden, ist eine Strafe, die von Mutter Natur verhängt wird, um die Gesellschaft vor zukünftigen Schäden zu schützen, die die Person verursacht hätte, wenn sie gesund gewesen wäre.“ Offiziell wird Stigmatisierung von den meisten afrikanischen Ländern der Subsahara abgelehnt, im Volksglaube ist diese Haltung dennoch vorhanden.

 

Behinderungen können Folgen haben: schlechte Versorgung, mangelhafte Bildung, Ausbeutung

Eine Volkszählung im Jahr 2013 ergab, dass 5,9 Prozent der 13.465.536 erfassten Personen im Senegal mit einer Behinderung leben. Neuere Zahlen sind gegenwärtig nicht erhältlich.

Der Anteil von Frauen mit Behinderungen ist mit 6,2 Prozent höher als der von Männern mit Behinderungen (5,6 Prozent). Menschen mit Behinderung sind einem höheren Risiko der Diskriminierung und Marginalisierung ausgesetzt.

Menschen mit Behinderungen haben mit 2 Prozent eine deutlich höhere Prävalenzrate von AIDS, als der nationale Durchschnitt von 0,7 Prozent. Gründe hierfür sind unter anderem, dass sie häufiger stigmatisiert werden und Opfer sexueller Gewalt sind. Die Prävalenzrate von HIV bei Frauen mit Behinderungen ist mit 2,5 Prozent doppelt so hoch wie die der Männer mit Behinderungen, welche bei 1,3 Prozent liegt.

Des Weiteren kommt es immer wieder zur Ausbeutung von Kindern mit Behinderungen als Bettler*innen. Allerdings machen sich auch einige Menschen ihre Behinderungen zu „Nutzen“ und geben sich beispielswiese als „Seher“ aus, der*die von anderen respektiert beziehungsweise gefürchtet wird.

Senegal verfügt nur über eine defizitäre medizinische Grundversorgung für Menschen mit Behinderungen. Etwa 70 Prozent von ihnen haben keinen Zugang zu kostenloser bzw. kostengünstiger medizinischer Grundversorgung. Eine Studie zeigte außerdem, dass der Anteil an Schüler*innen mit Behinderungen an Schulen sehr gering ist. Bei der Volkszählung von 2013 wurde die Anzahl von Kindern mit Behinderungen im Alter von sieben bis sechzehn Jahren auf 35.369 geschätzt. 66 Prozent dieser Kinder besuchten keine Schule. Zum Vergleich: der Anteil aller Kinder Senegals, die nicht zur Schule gehen, liegt bei 37 Prozent. 18,8 Prozent der Menschen mit Behinderungen im Senegal sind arbeitslos und 37,9 Prozent befinden sich in (frühzeitiger) Rente.

 

Gesetze werden oftmals nicht beachtet

Einige Teile der Bevölkerung beklagen, dass der Staat Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend unterstütze und Versprechen am Ende nicht umsetze. Denn im Senegal gibt es einige Gesetze und Maßnahmen, welche die Anliegen von Menschen mit Behinderungen eigentlich adressieren.

Am 07.09.2010 ratifizierte Senegal die International Conviction on the Rights of Persons with Disabilities. Die Förderung und der Schutz von Menschen mit Behinderung ist im Gesetz zur sozialen Orientierung Nr. 2010-15 vom 06. Juli 2010 festgeschrieben. Das Gesetz wurde gemeinsam mit Verbänden und Institutionen, die sich für die Verteidigung und Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzen, erarbeitet. Es bildet einen Orientierungsrahmen bei der Unterstützung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft.

Mit dem Gesetz wurde auch die Karte für Chancengleichheit eingeführt, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Dienstleistungen, insbesondere medizinische Versorgung, ermöglichen soll. Der ehemalige Präsident Wade versprach 50.000 Karten der Chancengleichheit, von denen bis jetzt allerdings nur 35.000 produziert wurden, obwohl im Senegal 794.466 Personen mit Behinderungen leben (Stand 2013). Außerdem sollten strukturelle Veränderungen im Transport, der Berufsausbildung und der Beschäftigung vorgenommen werden, besonders bezüglich der Barrierefreiheit. Das Gesetz garantiert Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen das Recht auf eine möglichst kostenlose Bildung in einer wohnnahen Einrichtung. Außerdem wurde im Rahmen des Gesetzes auch eine nationale Woche für Menschen mit Behinderungen eingeführt. Diese soll jährlich in den ersten zehn Tagen des Dezembers gefeiert werden.

 

Ein Handlungsplan für Inklusion existiert, die Umsetzung ist lückenhaft

2011 hat Senegals Regierung einen nationalen Handlungsplan (2017-2021) bezüglich der Situation von Personen mit Behinderungen angenommen, in dem besonders Frauen mit Behinderungen im Vordergrund stehen. Um die Rechte und Teilhabe von Frauen mit Behinderungen zu fördern, wurde außerdem der Ausschuss für Frauen mit Behinderungen innerhalb der senegalesischen Föderation der Vereinigung von Menschen mit Behinderungen gegründet. Das Programme d’Amélioration de la Qualité, de l’Équité et de la Transparence du secteur de l‘Éducation et de la Formation (PAQUET-EF) setzt den Rahmen für die Operationalisierung der Bildungspolitik für 2018 bis 2030.

Darin enthalten sind Pläne für die Bereitstellung von Lernmöglichkeiten, die für den spezifischen Bedarf von Kindern mit Behinderungen ausgelegt sind. Die Institutionen sollen dementsprechend angepasst werden und Lehrende eine Schulung in inklusiver Bildung erhalten. Weitere Programme wurden umgesetzt, unter anderem das Nationale Gemeinschaftsbasierte Rehabilitationsprogramm sowie das Inklusive Pilotprojekt für Kinder mit visueller Beeinträchtigung. Dies ist ein Projekt zur Stärkung des Schutzes von Kindern durch Bildung (RAP), welches Trainingsmodule in acht Regionen zur inklusiven Bildung durchführt.

Kinder, die spezielle Schulen besuchen, haben oftmals Schwierigkeiten beim Übergang zu weiterführenden Schulen. Obwohl einige Universitäten besondere soziale Maßnahmen ergriffen haben, gibt es kein formelles System, welches die Schüler*innen beim Übergang der besonderen Schulen zu gewöhnlichen weiterführenden Bildungseinrichtungen, nachdem sie die Sekundarschulausbildung abgeschlossen haben, unterstützt.

Das nationale Bildungsministerium hat ein inklusives Positionspapier für Grundbildung verabschiedet. Der Begriff „inklusive Bildung“ lässt sich außerdem in allen Positionspapieren des Bildungsministeriums finden. Das Bildungsangebot soll laut Bildungsministerium durch die Anpassung an die Nachfrage inklusiv werden („2015 National Review of Education for All“).

Laut Artikel 35 der senegalesischen Konvention der Rechte von Personen mit Behinderungen soll Schüler*innen möglichst eine kostenlose Bildung ermöglicht werden. Wenn es sich um eine schwerwiegende Behinderung handelt und die Person keine gängigen Bildungseinrichtungen besuchen kann, soll sie Zugang zu einer speziellen Einrichtung der „Abteilungstechnischen Kommission für Sonderpädagogik“ erhalten.

  • In Dakar gibt es fünf Busse, die Kinder mit Behinderungen transportieren können.
  • Senegal hat vier große öffentliche Sonderpädagogikzentren.
  • Das Institut National d’Éducation et de Formation des Jeunes Aveugles (INEFJA) ist ein Internat, dass nur Kinder mit visueller Beeinträchtigung annimmt. Der Unterricht erfolgt von Grundschule bis Gymnasium mit Brailleschrift. Die staatliche Einrichtung setzt sich außerdem für die soziale Inklusion der Schüler*innen ein.
  • Das Centre Verbo-tonal (CVT) ist eine Schule für gehörlose und (hochgradig) schwerhörige Kinder.
  • Außerdem gibt es das Centre Talibou Dabo für Personen mit physischen Beeinträchtigungen sowie das Centre d’éducation et de formation des enfants déficients intellectuels (CEFDI), für Menschen mit Lernschwierigkeiten.

 

Menschen mit Behinderung benötigen entsprechende Strukturen für ein selbstbestimmtes Leben

Theoretisch existieren also schon einige Maßnahmen, welche die Chancengleichheit für Personen mit Behinderungen verbessern würden, allerdings mangelt es an ihrer adäquaten Umsetzung. Die Regierung sollte inklusive Bildung weiter vorantreiben und eine ökomische Inklusion von Personen mit Behinderungen unterstützen, indem sie beispielsweise Arbeitgeber*innen zur Bereitstellung von barrierefreie Arbeitsplätze (inklusive barrierefreie Transportmittel) verpflichtet und diese dabei unterstützt. Außerdem sind der Schutz und die Förderung der Gesundheit von allen Bürger*innen und insbesondere von Bürger*innen mit Behinderungen essentiell. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Beendigung jeglicher Gewalt gegen Mädchen und Frauen mit Behinderungen gelegt werden. Des Weiteren wäre die Bereitstellung entsprechender Strukturen und Vorsorge / Behandlungsmöglichkeiten für sexuelle und reproduktive Gesundheit ein wichtiger Schritt.

Nicht zuletzt würde eine inklusive Regierung zu mehr Repräsentation von Menschen mit Behinderungen sowie ihren Interessen führen. Denn die Regierung sollte sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können

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