Globale Lieferketten als Chance für mehr Wachstum und zugleich Türöffner neuer Anforderungen
Rund 80% des Welthandels beruht auf globalen Wertschöpfungsketten.[i] Eine Überraschung ist dies nach einem Blick in den eigenen Kleiderschrank, auf das Herkunftsland der Bananen im Supermarkt oder den Bestand der elektronischen Geräte daheim wohl nicht.
Ein wichtiger Handelspartner für deutsche Unternehmen ist insbesondere die Asien-Pazifik-Region. Deutschland exportierte im vergangenen Jahr (2022) Waren im Wert von 236 Milliarden US-Dollar nach Asien.[ii]
Durch das Ziel Deutschlands, die Abhängigkeit von China zu reduzieren (sog. De-Risking), gewinnt die ASEAN Region an Relevanz. Seit dem Beginn der „China+1“-Politik nutzen deutsche Unternehmen die ASEAN-Region, um ihre Investitionen zu diversifizieren. Vietnam hat sich dabei für Unternehmen weltweit als besonders attraktiv herausgestellt. Nach Singapur und Indonesien gehen die meisten Direktinvestitionen in ASEAN nach Vietnam.[iii]
Vietnam als ein Land, welches 19 von 21 nationalen Sektoren für ausländische Investoren geöffnet hat,[iv] scheint gegenwärtig der größte Profiteur in der Region zu sein. Durch den Niedriglohnsektor, eine junge und dynamische Erwerbsbevölkerung, gepaart mit einer schnell wachsenden Mittelschicht und einer hohen Zahl von Verbrauchern, lockt das Land Investoren aus aller Welt an. Und auch der Außenhandel boomt. Maßgeblich hierbei ist die Mitgliedschaft Vietnams in allen relevanten Freihandels-abkommen in der Region.
Besonders deutsche Unternehmen handeln viel mit Vietnam. Dies verdeutlicht das bilaterale Handelsvolumen von rund 18 Milliarden EUR (2022) zwischen Deutschland und Vietnam, womit Deutschland innerhalb der EU Vietnams größter Handelspartner ist.[v]
Das seit dem 01. August 2020 in Kraft getretene Freihandelsabkommen (EVFTA) zwischen Vietnam und der Europäischen Union fördert die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Vietnam. Es ist das umfassendste Freihandelsabkommen, das die EU je mit einem Schwellenland ausgehandelt hat. Und neben Singapur überhaupt erst das zweite Freihandelsabkommen mit einem ASEAN-Mitglied.
Das Abkommen mit seinem Nachhaltigkeitskapitel stellt eine erste Brücke für vertrauenswürdige Geschäftsbeziehungen zwischen vietnamesischen und deutschen Unternehmen dar. Westliche Gesetzgeber versuchen darüber hinaus durch die Etablierung eigener verbindlicher Regelwerke für global agierende Unternehmen Menschenrechts- und Umweltstandards zu festigen. Sie verpflichten Unternehmen mit Aktionszentrum im jeweiligen Land, welche wiederum etwaige Standards auch bei ihren Lieferanten durchsetzen müssen. Die Umsetzung dieser Standards sind neben denen im Freihandelsabkommen festgelegten Standards ausschlaggebend für langfristige Geschäftsbeziehungen.
Einführung eines umfassenden deutschen Regelwerks für globale Lieferketten durch den deutschen Gesetzgeber
Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Einführung eines Lieferkettensorgfalts-pflichtengesetzes (LkSG) reagiert. Seit dem 01. Januar 2023 gilt das LkSG, welches bereits 2021 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Ziel des Gesetzes ist es, den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in globalen Lieferketten zu verbessern.
Das LkSG formuliert in 24 Paragraphen erstmals rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Handlungs-pflichten für Unternehmen entlang der Lieferkette. Adressat sind Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten im Inland. Für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeit-nehmern gilt das Gesetz ab dem 01. Januar 2024.
Das LkSG formuliert die Pflichten, dass die Unternehmen
- ein Risikomanagement einrichten und jährliche oder anlassbezogene zu veröffentlichende Risikoanalysen durchführen müssen (§§ 4, 5 LkSG).
- Zudem sind die Unternehmen ab 2023 verpflichtet, eine betriebsinterne Zuständigkeit für Angelegenheiten zum Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards festzulegen (§§ 4, 5 LkSG).
- Ferner müssen die Unternehmen eine Grundsatzerklärung der unternehmerischen Menschenrechtsstrategie veröffentlichen (§ 6 LkSG) und
- Präventionsmaßnahmen anhand der Lieferkette verankern (§ 6 LkSG).
- Die Unternehmen haben ein Beschwerde-verfahren einzurichten, bei dem Arbeitnehmer der gesamten Lieferkette Verstöße beim Bundesamtfür Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BaFa) rügen können (§§ 8, 9 LkSG). Das Rügeverfahren soll als Früh-warnsystem und schnelle Abhilfe dienen.
- Wird ein Verstoß innerhalb der Lieferkette erkannt, so haben die Unternehmen gegen die festgestellten Rechtsverstöße sofortige Abhilfemaßnahmen zu ergreifen (§ 7 LkSG).
- Zudem kommt den Unternehmen eine Dokumentations- und Berichtspflicht für die Erfüllung der genannten Sorgfaltspflichten zu (§ 10 LkSG).
Die Dokumentations- und Berichtspflicht muss vier Monate nach Schluss des Geschäftsjahres durch einen Bericht auf der Internetseite des Unternehmens, welcher für einen Zeitraum von sieben Jahren kostenfrei öffentlich zugänglich sein muss, erfüllt sein. Das BaFa hat die Berichtspflicht bis zum 1. Juni 2024 verlängert.
Die betroffenen Unternehmen müssen ihre Pflichten durch das LkSG für ihren eigenen Geschäftsbereich sowie ihrer Lieferanten, d.h. den unmittelbaren Zulieferer, erfüllen. Als Geschäftsbereich versteht das LkSG jede Tätigkeit zur Herstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen. Unerheblich ist dabei, ob diese Tätigkeiten an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen werden.
Bei einem Verstoß gegen die Anforderungen des LkSG drohen den Unternehmen Bußgelder von bis zu 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes.
Europäische Initiative zur Erreichung der Ziele des Green Deals sowie der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung
Auf europäischer Ebene erfolgte ein ähnlicher, noch strengerer Gesetzgebungsakt. Die Kommission brachte im Februar 2022 ihren Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) hervor. Eine provisorische Einigung zwischen Rat und EU-Parlament wurde am 14. Dezember 2023 erzielt.
Das Ziel der CSDDD ist es nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu fördern und Menschenrechts- und Umweltaspekte in der Geschäftstätigkeit und der Unternehmensführung von Unternehmen zu verankern. Insbesondere soll die Richtlinie den Zielen des Green Deals sowie der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) dienen.
Abweichend ist die CSDDD zu dem LkSG insbesondere in ihrem Adressatenkreis. Sie erfasst ab 2024 die Unternehmens-gruppe ab 500 Beschäftigte und einem Netto-jahresumsatz von 150 Mio. €. Unternehmen, die ihren Sitz nicht in der EU haben, sind betroffen, sobald sie nach drei Jahren Übergangsfrist einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro innerhalb der EU erzielen. Auch erfasst die Richtlinie die Unternehmensgruppe, welche einem Risikosektor angehören, d.h. in der Textil-. Leder-, Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei, Lebensmittelherstellung und Großhandel mit mineralischen Rohstoffen tätig sind und mehr als 250 Beschäftigte sowie einen Nettojahresumsatz von 40. Mio. € haben.
Die letztere Unternehmensgruppe ist für den Investitionsstandort Vietnam von besonderer Relevanz. Durch den Niedriglohnsektor liegt aktuell der Schwerpunkt der ausländischen Investitionen in Vietnam in handels- und arbeits-intensiven Gütern. Zwar bewegen sich die Investitionen weg von der Schuh- oder Bekleidungsproduktion hin zu den komplexeren Sektoren, wie Montage oder Produktion von Maschinen und elektronischen Geräten. Bisher erfolgten jedoch 59% der ausländischen Direktinvestitionen in Vietnam in die produzierende und verarbeitende Industrie[vi], sodass diese Investitionen in die betroffenen Risikosektoren fallen. Mithin müssen sich die Unternehmen vorerst mit den gesteigerten Sorgfaltspflichten auseinandersetzen.
Neben dem weiteren Adressatenkreis stellt die CSDDD auch inhaltlich umfassendere Anforderungen. Es wird die gesamte Wertschöpfungskette erfasst und nicht nur direkte Lieferanten. Auch werden weitgehendere Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Klima- und Umweltschutz gefordert. Im Einzelnen müssen die verpflichteten Unternehmen die Sorgfaltspflichten zum integralen Bestandteil der Unternehmenspolitik machen. Zudem müssen sie umfassende Ermittlungen entlang der Wertschöpfungskette durchführen für tatsächliche oder potenziell negative Auswirkungen auf Menschenrechte und die Umwelt. Sind solche erkenntlich, müssen sie Maßnahmen ergreifen, die der Verhinderung oder Abschwächung dienen. Diese müssen wiederum von den Unternehmen auf ihre Wirksamkeit kontrolliert werden. Darüber hinaus fordert die CSDDD, dass eine öffentliche Kommunikation über die Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht stattfindet sowie Bonuszahlungen erfolgen, wenn eine Lieferketten-Compliance besteht.
Kommen die verpflichteten Unternehmen ihren Anforderungen nicht nach, so müssen sie mit einer zivilrechtlichen Haftung rechnen, die Betroffene innerhalb von fünf Jahren geltend machen können. Nationale Aufsichtsbehörden können gegen nicht konforme Unternehmen nach Untersuchungen Geldbußen und einem „Naming and Shaming” der sorgfaltspflichtwidrig handelnden Unternehmen durch öffentliche Bekanntmachung verhängen. Zahlen die Unternehmen, die Geldbußen im Falle eines Verstoßes nicht, so müssen sie mit Geldstrafen von bis zu 5% des weltweiten Netto-Umsatzes rechnen.
Abbild einer bürokratischen Anforderung vs. tatsächliche Umsetzung
Damit stellen das LkSG und die CSDDD erhebliche, kostenaufwändige Pflichten auf, die nicht nur die verpflichteten Unternehmen zu erfüllen haben, sondern auch ihre unmittelbaren und mittelbaren Lieferanten in fernen Ländern.
Aktuell, ein Jahr seit in Kraft treten des LkSG, tun sich deutsche Unternehmen mit Aktionszentrum in Vietnam noch immer schwer. Viele Unternehmen stehen wegen der bevorstehenden Veröffentlichung der Berichtspflicht aktuell vor der Herausforderung, einen ordnungsgemäßen Bericht zu veröffentlichen. Die Unternehmen nehmen erst jetzt, ein Jahr später, die Hilfsangebote wie Awareness-Schulungen zur Erfüllung der Sorgfalts- und Handlungspflichten und der späteren Berichtserfassung an.
Die deutschen Unternehmen schieben scheinbar die Erfüllung der Sorgfaltspflichten auf und wollen abwarten bis andere Unternehmen ihre Berichte veröffentlichen. Bei deutschen Unternehmen bestehen noch immer große Unsicherheiten, wie sie auf ihre Lieferanten in Vietnam zuzugehen und welche Pflichten sie vor Ort konkret zu erfüllen haben.
Diejenigen Unternehmen, die ihren Pflichten bisher nachgekommen sind, sendeten Due-Dilligence-Nachfragen an ihre Vertragspartner. Bei diesen Nachfragen handelte es sich um einfache Fragebögen, wodurch sie angeben können eine Analyse entlang der Lieferkette erfüllt zu haben. Daher ist davon auszugehen, dass zwar gesetzestreu erste Sorgfaltspflichten umgesetzt wurden, aber erst langfristig ein wirklicher Mehrwert geschaffen wird.
Pragmatische Antworten von Seiten vietnamesischer Unternehmen
Die vietnamesischen Unternehmen gehen pragmatischer an die neuen Anforderungen heran. Bei ihnen sind deutsche bzw. europäische Unternehmen als wählerische und schwierige Kunden bekannt. Gleichwohl erkennen sie, dass sich für sie langfristige vertrauensvolle Unternehmensbeziehungen ergeben werden, wenn sie die geforderten Pflichten erfüllen. Vietnamesische Unternehmen sehen zwar die Chance, ihre Wettbewerbsposition auf in- und ausländischen Märkten zu festigen. Allerdings zählt für sie in erster Linie ein möglichst schneller und hoher Profit, um das Wirtschaftswachstum und den Aufschwung der vietnamesischen Wirtschaft weiter voranzutreiben. Widerstreben die neuen Anforderungen diesem Ziel dadurch, dass sie zu hoch bzw. zu kostenaufwändig sind, wenden sich die vietnamesischen Unternehmen langfristig ab. Zumindest so lange bis diese Anforderungen globale Praxis sind.
Zur Bewältigung der Anforderung wäre es für die vietnamesischen Unternehmen am kosten-günstigsten, wenn sie Zertifikate erhielten, welche ihnen bestätigen, dass sie die Anforderungen des LkSG oder der CSDDD erfüllen. Dies würde ihnen einen zeitintensiven und kostenaufwändigen Informationsaustausch ersparen.
Neben den Due-Dilligence-Anfragen ihrer deutschen bzw. europäischen Kunden erhalten die vietnamesischen Unternehmen von ihren einzelnen Kunden sog. Code of Conducts (CoC). Diese normieren Pflichten, die die vietnam-esischen Unternehmen zu erfüllen haben. Erfüllen die vietnamesischen Unternehmen alle Pflichten, gehen die Kunden mit ihnen lang-fristige Beziehungen ein. Durch die CoC können die verpflichteten Unternehmen beweisen, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachkommen sind.
Aufgrund der Unsicherheit der deutschen Unternehmen haben bisher nur wenige vietnamesische Unternehmen CoCs oder Due-Dilligence-Anfragen erhalten. Viele Unternehmen in Vietnam sind sich daher den neuen Anforderungen durch das LkSG und der CSDDD noch gar nicht bewusst. Aus diesem Grund gab es bisher kaum Rückmeldung, welche Anforderungen in Vietnam besonders schwierig umzusetzen sind.
Diejenigen Unternehmen, die bisher einen CoC erhalten haben, schicken die gewünschten Erklärungen unterschrieben ohne negative Rückmeldung zurück. Politische oder bürokratische Hürden möchten sie weitest-gehend beiseitelegen. Dass es bei der Verletzung der Pflichten zu einer Vertragsminimierung oder einem Bruch kommen kann, ist ihnen kaum bewusst. Auch die zum Teil vertretene Befürchtung, dass die zivilrechtliche Haftung der CSDDD privatvertraglich durch eingebrachte AGB abgewälzt werden könnte, ist derzeit keine Sorge der vietnamesischen Partner.
Nur wenige vietnamesische Unternehmen haben von einer möglichen zivilrechtlichen Haftung bei einem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten Kenntnis genommen. Mögliche Auswirkungen auf sie selbst werden bislang nicht gesehen. Aus Warte der vietnamesischen Unternehmenskultur wird erwartet, dass derjenige, der mit den Anforderungen konfrontiert ist bzw. von dem sie ausgehen, auch für sie einsteht. Eine Abwälzung der Haftung würde die vietnamesischen Unternehmen abschrecken und verärgern.
Unterstützung von Seiten der vietnamesischen Regierung
Die vietnamesische Regierung hat verschiedene Maßnahmen zur Erleichterung der Geschäfts-bedingungen ergriffen. Dazu zählt die große Arbeitsrechtreform im Jahr 2019, welche bereits höhere Standards im Arbeitnehmerschutz setzte. Dieser gesetzliche Rahmen ist seit 2021 in Kraft. Damit hat die vietnamesische Regierung ein attraktiven und den westlichen Standards entsprechenden Rahmen geschaffen.
Trotz der vielen positiven, den deutschen und EU-weiten Standards entsprechenden Regeln, weichen Normen davon ab und können ausschlaggebend für eine vertragliche Beziehung sein.
Eines der zentralsten Beispiele stellt dabei die Kinderarbeit dar. Durch das LkSG und die CSDDD soll Kinderarbeit entlang der Lieferkette vermieden werden. Kinderarbeit nach deutschen und europäischen Vorgaben ist dabei regelmäßig recht komplex. Zwar dürfen Kinder ab 15 oder 18 Jahren arbeiten,[vii] jedoch sind die Dauer und der Einsatz der Arbeitskraft zum Schutz der Kinder stark reguliert. Das vietnamesische Gesetz erlaubt eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich ab 15 Jahren; in bestimmten Bereichen bereits ab 13 Jahren. Es sieht zwar schützende Beschränk-ungen vor, welche jedoch nicht europäischen Standards entsprechen. Beispielsweise dürfen unter-18-Jährige in bestimmten Bereichen Überstunden und Nachtschichten leisten.[viii]
Handelt es sich bei den vietnamesischen Partnern deutscher bzw. europäischer Unternehmen um solche, die Kinder nach den vietnamesischen Recht in ihrer Fabrik arbeiten lassen, so kann dies erhebliche Auswirkung für die Vertragsbeziehungen haben.
Von vietnamesischer Seite wird dies auch als zentraler Kritikpunkt gesehen. Vietnamesische Unternehmen zeigen sich bei der Verbesserung der Produktqualität stets kooperativ. Bei An-forderungen hinsichtlich des Arbeitsrechts oder anderer sozialrechtlicher Fragen steht für sie dennoch die eigene Entwicklung und Selbstbestimmung an erster Stelle. Sie möchten nicht von ausländischen Investoren und Geschäftspartnern vorgeschrieben bekommen, welche Anforderungen sie zu erfüllen haben. Kontrollen durch die verpflichteten europäischen Unternehmen selbst oder Drittanbieter würden bei vietnamesischen Unternehmen auf Unmut stoßen und als neokoloniale Übergriffigkeit empfunden werden.
Anders wird dies bei einzuhaltenden Umwelt-standards zu bewerten sein. Die vietnamesische Regierung sowie Unternehmen haben sich hohe Umweltstandards mit konkreten Zielen gesetzt und sind wohl gewillt, diese auch einzuhalten. Bei der Feststellung eines Verstoßes werden die vietnamesischen Unternehmen mit ihren Vertragspartnern vorrausichtlich eng zusammenarbeiten. Verstärkend wirkt hierbei auch die gestiegene Aufmerksamkeit für Umwelt- und Klimabelange auf staatlicher Ebene. Beispiele sind die von Deutschland und Vietnam unterzeichnete Agenda 2030, die G7 Just Energy Transition Partnership (JETP) und die auf die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens fokussierte Entwicklungszusammenarbeit.[ix]
Aktuell ist nicht absehbar, dass die vietnamesische Regierung eine ambitionierte Symbolpolitik betreiben wird, um möglichst alle Anforderungen nach dem LkSG bzw. der CSDDD zu erfüllen. Die vietnamesische Regierung wird erst dann eigene, dem LkSG und der CSDDD entsprechenden Regularien implementieren, wenn es weltweit üblich ist oder von ihren größten Direktinvestoren - wie Japan und Korea - gefordert wird. Das Gewicht der deutschen bzw. europäischen Direktinvestition ist hierfür nicht ausreichend. Eine gewisse Bescheidenheit und realistische Erwartungen (und Vorgaben) erscheinen ratsam.
Beschwerdeverfahren
Skeptisch ist Vietnam gegenüber dem Beschwerdeverfahren, welches unmittelbar zur BaFa führen soll. Man würde es bevorzugen, wenn Missstände zunächst den Unternehmen im Land selbst mitgeteilt würden und diese wiederum die Informationen den zuständigen Stellen weitergeben, bevor die Informationen ins Ausland gelangen. Dies würde ihnen ermöglichen vor Ort Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
Ob dies letztlich geschieht, muss abgewartet werden und hängt von den vietnamesischen Unternehmen selbst ab.
Herausforderung für die kommenden Jahre
In der Gesamtschau ist Vietnam kooperativ und bereit, auf die neuen Pflichten und Anforderungen eingehen. Bislang gibt es zudem keine Anzeichen für eine verringertes Engagement und Geschäftsinteresse deutscher Unternehmen an Vietnam auf Grund der Anforderungen des LkSG und der CSDDD. Selbst in den Sektoren, die von der CSDDD als Risikobereich eingestuft werden, scheint dies nicht der Fall zu sein.
Ein Balanceakt wird das LkSG und die CSDDD dennoch für die deutsch- bzw. europäisch-vietnamesischen Beziehungen darstellen.
Das LkSG und die CSDDD können mit ihren Regularien hinsichtlich der Umweltfaktoren zukünftig als Katalysator zur Erreichung der Ziele dienen. Die Erreichung der Umweltziele ist im Interesse beider Wirtschaftsregionen. Bei den menschenrechts- und sozialpolitischen Regularien können das LkSG und die CSDDD sich als Bremse für die Vertiefung der deutsch bzw. europäisch-vietnamesischen Geschäfts-beziehungen herausstellen. Längst hat Vietnam eine Vielzahl anderer Partner zur Auswahl, die geringere Anforderungen stellen.
[i] Lieferketten und Wertschöpfungsketten | BMZ, zuletzt aufgerufen am 13.12.2023.
[ii] Asien-Pazifik: Motor der Weltwirtschaft (gtai.de), zuletzt aufgerufen am 10.12.2023.
[iii] ASEAN - Zuflüsse von Direktinvestitionen (FDI) 2021 | Statista, zuletzt aufgerufen am 14.12.2023.
[iv] VEPR report on facilitating Vietnam's integration into Global Value Chain through Enhanced FDI Linkages, 2023, S. 23.
[v] Deutschland und Vietnam: bilaterale Beziehungen - Auswärtiges Amt (auswaertiges-amt.de), zuletzt aufgerufen am 23.10.2023.
[vi] VEPR report on FDI in the context of EVFTA and EVIPA implementation and Hathaway policy report, 2022.
[vii] Arbeitsbedingungen - Beschäftigung, Soziales und Integration - Europäische Kommission (europa.eu), zuletzt aufgerufen am 12.12.2023.
[viii] Regulations on the employment of minor employees in Vietnam under the Labor Code (lawnet.vn), zuletzt aufgerufen am 14.12.2023.
[ix] Deutschland und Vietnam: bilaterale Beziehungen - Auswärtiges Amt (auswaertiges-amt.de), zuletzt aufgerufen am 12.12.2023.
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