Was bewegt Menschen dazu auf moralisch fragwürdige Angebote einzugehen? Wie wird Korruption möglich und wie können sich junge, politisch aktive Menschen selbst schützen? Eigennützigkeit, Arroganz und Eitelkeit sind Eigenschaften, die Politikern im Zusammenhang mit Korruption häufig von außen zugeschrieben werden. Zu diesem Thema hat das Sonderprojekt Gemeinsam.Demokratie.Gestalten der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Zoom-Webinar mit Prof. Dr. Nikolaus Knoepffler, Leiter des Lehrstuhls für angewandte Ethik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, veranstaltet.
Nach einer Begrüßung der Teilnehmenden durch Tim-Jonas Beyer, begann Prof. Dr. Knoepffler seinen Vortrag mit einer allgemeinen Definition von Korruption. Unter Korruption verstehe man demnach den heimlichen Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Knoepffler benennt die drei wesentlichen Formen für Korruption in der Politik. Es könne demnach zu Genehmigungskorruption, Käuflichkeit politischer Entscheidungen oder zur Bestechung und Bestechlichkeit in der öffentlichen Verwaltung kommen. Eine Folge von Korruption sei, neben dem Verlust von Vertrauen in die jeweiligen Politiker oder Behörden, die Überbezahlung einer Leistung. Ein Korruptionsverdacht lasse sich zudem auch daran erkennen, dass ein Produkt oder eine Leistung in einer Not oder Knappheit überteuert angeboten wird.
Bei der bonum commune, so Prof. Dr. Knoepffler, handle es sich um eine politisch-soziologische Bezeichnung für das Gemein- oder Gesamtinteresse einer Gesellschaft und sei daher als Gegensatz zum Individualinteresse zu verstehen. Wenn sich jedoch Stadträte, Polizeibeamte, Bürgermeisterinnen oder Abgeordnete bestechen ließen und damit nicht im Sinne der bonum commune handeln, könne das Vertrauen der Bürger in die Politik gestört werden. Dabei ginge es oft nicht darum, ob eine Person wirklich korrupt gehandelt habe, sondern eher darum, wie die Außenwahrnehmung des Vorfalls ist.
Um zu verstehen wie es zu Korruption kommen kann, führte Prof. Dr. Knoepffler ein Modell bestehend aus Handlungsebene, Regelebene und Diskursebene ein. Es könne dazu kommen, dass ein Politiker auf der Handlungsebene ein Einzelinteresse daran habe, einen Beratungsgewinn zu bekommen und sich dieser daher auf ein unmoralisches Angebot einlasse. Somit würde der Politiker das Einzelinteresse über die gesellschaftlichen Erwartungen und das Gemeinwohl stellen. Knoepffler betonte jedoch, dass nicht nur den betreffenden Politikern auf der Handlungsebene Vorwürfe gemacht werden dürften. Auch das politische System in seiner Gesamtheit müsse auf eventuelle Defizite überprüft werden. Oftmals stellt die Gesellschaft zu hohe moralische Ansprüche an Politiker, welche nicht immer mit der komplexen Systemwelt zu vereinbaren seien. Daher sei es bei der Suche nach Lösungsansätzen wichtig, dass die sowohl die Institutionen, als auch die politischen Führungskräfte mehr Verantwortung übernehmen. Denn nur so könne das bonum commune erreicht werden. Die Verantwortung der Institutionen sei nicht zu vernachlässigen, da die individuelle Verantwortungsethik nur begrenzt tragfähig sei.
Auf die Frage eines Teilnehmers, ob eine Pflicht zur Offenlegung über Nebeneinkünfte bei Politikern Korruption verhindern könne, antwortetet Prof. Dr. Knoepffler, dass es leider auch bei besseren Transparenzregeln immer Umgehungsmöglichkeiten gäbe. Dennoch sei es nicht unwichtig, angemessene Regeln auszuarbeiten, damit die Bevölkerung Vertrauen zurückgewinnen könne. Dabei monierte Prof. Dr. Knoepffler jedoch, dass der gesellschaftliche Diskurs oftmals nicht angemessen sei, da er alle Politiker unter Generalverdacht stelle.
Bei der Frage, wie es zu Korruption oder Manipulation von Entscheidungen kommen könne, insbesondere wenn Beschlüsse im Team getroffen werden, antwortete Prof. Dr. Knoepffler, dass auch einzelne Personen im Umkreis eines Politikers, diesen in bestimmte Richtungen leiten und Entscheidungen beeinflussen könnten. Ein Problem sieht Prof. Dr. Knoepffler darin, wenn Politiker direkt nach dem Ende ihrer politischen Karriere Posten in Unternehmen übernehmen würden. Er weist darauf hin, dass Korruption erst dann überhaupt möglich werde, wenn sich die Betreffenden in Machtpositionen mit Entscheidungsbefugnissen befänden. Sei dies nicht der Fall, erklärt Prof. Dr. Knoepffler, verliere jeglicher Korruptionsversuch an Wirkmächtigkeit. Demnach ließen sich beispielsweise bei Oppositionsparteien weniger Korruption finde, da diese weniger Entscheidungsmacht haben.
Prof. Dr. Knoepffler betont, dass die Anfälligkeit für Korruption aufgrund von Charakterzügen eines Menschen bisher nicht mithilfe von Studien belegt worden wäre. Oftmals handele es sich jedoch um eitle Menschen, die nicht nur wegen des Geldes korrupt seien, sondern vor allem, auch weil ihnen die Anfrage schmeichle und ihnen das Gefühl vermittle, wichtig zu sein. Da der Begriff der Korruption jedoch nicht geschützt sei, handele es sich oft um eine Grauzone, in der Korruption nur schwer festzustellen sei. Es müsse unterschieden werden, ob es sich, beispielswiese im Fall der Bezahlung für eine Rede eines ehemaligen Kanzlers, um marktübliche Preise oder um eine Überbezahlung handle. Wird eine Person für ihre Arbeit sichtbar überbezahlt, sollte zunächst die Frage gestellt werden, ob dabei irgendwann eine Gegenleistung verlangt werden könne. Gerade jungen Politikern fällt es jedoch schwer, diese Überbezahlung zu erkennen. Die Problematik der Korruption liegt nach Prof. Dr. Knoepffler in der Grauzone, die an sich nicht illegal und verboten ist, aber dennoch verwerflich oder bedenklich sein kann. Besonders da Politiker auch mit der Wirtschaft verhandeln und kooperieren müssen, kann die Beurteilung der Frage nach Korruption manchmal sehr schwer fallen. Denn Politiker stehen andererseits sogar in der Verantwortung gute Produkte oder Firmen aus ihrem Wahlkreis zu unterstützen und zu fördern, wenn sie der bonum commune dienen.
Hier gibt es den Vortrag zum Nachschauen (verfügbar bis 20.5.21):
„Die da oben sind doch alle korrupt!“
Vom „bonum commune“ und wie man zum gemeinnützigen Politiker wird
YouTube, KAS
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