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Zwischen Tradition und Moderne

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Anlässlich der Olympischen Spiele ist Peking zu einem Schauplatz architektonischer Megainszenierungen geworden. Die chinesische Hauptstadt hat sich in den vergangenen Jahren einer radikalen Erneuerung und Modernisierung unterzogen. Mit prachtvollen Stadien und architektonischer Avantgarde möchte sich China als fortschrittliches und offenes Land präsentieren.

Schon am Flughafen sollen die Gäste ins Staunen gebracht werden. Rechtzeitig vor dem Ansturm der Besuchermassen wurde im März 2008 das neue Terminal 3 fertig gestellt. Mit dem von dem britischen Architekten Norman Forster entworfenen Bau kann der Pekinger Flughafen nun insgesamt 65 Mio. Passagiere abfertigen. Die lichte und futuristische Konstruktion mit ihren dreieckigen Zacken auf dem Dach soll an das chinesische Nationalsymbol, einen Drachen, erinnern.

Nicht weniger beeindruckend sind die neu erbauten Stadien. Das Nationalstadion ist wegen seiner wild angeordneten, von sich kreuzenden Stahlträgern geprägten Oberfläche einem Vogelnest nicht unähnlich und ist international einzigartig. Die Arena, die fast 100.000 Besucher fasst, wirkt nicht nur durch ihre schiere Größe imposant, sondern auch durch ihr außergewöhnliches Design. Zusätzlich verleiht die rote Beleuchtung der geschwungenen Form des Gesamtbaus bei Nacht ein ruhiges Antlitz.

Für den Neubau der diversen architektonischen Highlights in Peking wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche ausländische Architekten verpflichtet. So wurde zum Beispiel das neue Nationalstadion von dem Schweizer Architektenbüro Herzog & de Meuron entworfen. Die Olympische Schwimmhalle, die mit ihrer wabenförmigen Oberflächenstruktur und der blauen Farbe an Schaum oder Wasser erinnert, wurde in Kooperation mit australischen Architekten kreiert. Beide Stadien haben wegen ihrer extravaganten Erscheinung schon lange vor ihrer Fertigstellung das Interesse der Öffentlichkeit auf sich gezogen und werden in den nächsten Wochen durch ihre ausgeklügelte Technik und ihre elaborierte Innenausstattung den High-Tech Anspruch der Olympischen Spiele 2008 untermauern.

Aber auch abseits der Olympischen Sportstätten hat Peking architektonisch aufgerüstet. Eine ganze Reihe von neuen Bauwerken kann sich sicherlich mit der Weltklasse der modernen Architektur messen. Allen voran der neue CCTV Tower, dessen zwei gläserne Türme schräg in die Höhe wachsen und scheinbar nur mit Hilfe eines Querriegels gegenseitig gehalten werden. Über ein Jahr lang sollen 13 Statiker Berechnungen angestellt haben, ob der verdrehte Torbogen wirklich stabil ist und vor allem ob er auch einem Erdbeben oder einem Flugzeugabsturz standhält. Nun ist der gewaltige Bau fast fertig gestellt. Doch nicht alle scheinen von diesem Wunderwerk der Statik beeindruckt zu sein. Dakucha, „große Unterhose“, nennen die Chinesen den Turm. Viele kritisieren den bedingungslosen westlichen Kulturimport und beklagen, dass die modernen Bauwerke nicht mit der traditionellen Umgebung harmonisieren.

Besonders lebhaft wurde die Diskussion um Tradition und Moderne beim Bau des neuen chinesischen Nationaltheaters geführt. Von dem französischen Architekten Paul Andreu als ein in Wasser gebettetes, silbernes Oval konzipiert, wird es von den Chinesen als Eierschale oder Ei verunglimpft. Die Kontroverse hat sich im Wesentlichen daran entzündet, ob westlich des Tiananmen Platzes und der Großen Halle des Volkes, gegenüber der Verbotenen Stadt, also Mitten im Herzen Pekings, dies der richtige Ort sei für ein derart futuristisches Gebäude. Viele Chinesen würden diese Frage eher verneinen.

Der zunehmende Import westlicher Technik und Kultur hat eine Suche nach den eigenen Wurzeln ausgelöst. So wir zunehmend versucht, wie bei dem Drachendach des neuen Flughafens erkennbar, zeitgenössisches Design mit chinesische Kultur und Baukunst zu verbinden.

Ein gutes Beispiel hierfür ist auch das neue Hauptstadtmuseum. Sein Dach soll eine Assoziation an die traditionelle Form der leicht geschwungenen und überstehenden chinesischen Dächer darstellen. Die große Steinwand an der Vorderseite spielt auf eine chinesische Stadtmauer an. Gleichzeitig wurden die in der Haupthalle verwendeten Steine wie in den alten Zeiten eigens aus Fangshan, einem Ort in der Nähe der Hauptstadt angeliefert. Als zentrales Element traditioneller Bauweise wurde ein gegenüber dem Haupteingang kunstvoll bemalter chinesischer Torbogen angebracht, der im Kontrast zur zeitgenössischen Architektur des gesamten Bauwerkes steht.

Die chinesische Regierung hat Peking zuletzt einem Modernisierungsprozess unterworfen, möchte ihre Bürger aber auch nicht mit zu gewagten ästhetischen Formen herausfordern.

Ein solcher Mittelweg wird derzeit mit der Renovierung des Nationalmuseums beschritten, das sich an der Ostseite des Tiananmen Platzes befindet. Ursprünglich war ein Entwurf des Hamburger Architektenbüros Gerkan, Marg und Partner favorisiert worden. Dieser sah vor, das Museum bis auf die 300 Meter lange Fassade abzureißen und durch einen darüber hinausragenden Neubau zu ersetzen. Die Ausstellungen sollten in das Dach- und Kellergeschoss verlagert werden. Auf diese Weise wäre der Platz des Himmlischen Friedens bis in das Gebäude hinein ausgeweitet worden. Doch der Plan löste scharfe Kritik aus. Nach chinesischer Auffassung handelt es sich nämlich beim Nationalmuseum um einen geschichtsträchtigen Bau, der 1959 zum 10. Gründungstag der Volksrepublik eingeweiht wurde und somit einen hohen Symbolwert besitzt. Allzu avantgardistische Experimente sind hier nicht erwünscht. Der Entwurf musste deshalb abgeändert werden. Inzwischen beschränkt sich der Umbau nur noch auf den Innenbereich; von außen wird das Gebäude unverändert bleiben.

Peking befindet sich heute gewissermaßen in einem Spannungsfeld zwischen der Adaption westlicher Ideen und Technologien und der Bewahrung der eigenen Tradition. Erfolgreich hat die Stadt einen Weg in Richtung Moderne eingeschlagen, nicht nur in der Architektur, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen. Gleichzeitig will man sich jedoch bemühen das Eigene zu bewahren.

In der Architektur mündet dieser Zwiespalt derzeit in eine Koexistenz. Deutlich wird dies einmal mehr an den Olympischen Sportstätten. Gemeinsam mit dem Olympischen Park bilden sie eine Verlängerung der traditionellen Pekinger Mittelachse, auf der sich auch die Verbotene Stadt befindet. Das Alte und das neue sind somit untrennbar verbunden.

Sabrina Eisenbarth, 6. August 2008

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