Seit Langem berichten verschiedene NGOs, wie zum Beispiel das Hilfswerk Open Doors oder die päpstliche Stiftung Aid to the Church, von Ent-führungen, sexueller Ausbeutung und Zwangskonversionen von Frauen unter Todesdrohungen. Trotz dieser alarmierenden Lage scheint das Problem in der Bundesregierung noch nicht ange-kommen zu sein. Dies ist umso besorgniserre-gender, da die Regierung eine wertegeleitete und feministische Außenpolitik fordert. In den kürzlich veröffentlichten zehn Leitlinien vom Auswärtigen Amt wird zwar eine solche Politik dargelegt, jedoch ohne das Thema der Religionsfreiheit zu erwähnen. Droht dieses wichtige Menschenrecht in Deutschland ins politische Abseits zu geraten?
Religionsfreiheit in Deutschland: Politisches Desinteresse und fehlgeleitete Annahmen?
Der weltweite Kampf für Religionsfreiheit erhält in Deutschland immer weniger politische Aufmerksamkeit. Dies liegt an zwei Entwicklungen: Erstens hat der Einsatz für Religionsfreiheit ein parteiübergreifendes Personalproblem. Für die Generationen Y und Z ist das Thema keine Herzensangelegenheit. Hier stehen Klima- und Gerechtigkeitsfragen im Vordergrund. Gleichzeitig scheiden immer mehr Personen, die sich für das Menschenrecht Religionsfreiheit einsetzen, aus der aktiven Politik aus. Volker Kauder und Heribert Hirte beendeten ihr parlamentarisches Wirken 2021. Stefan Ruppert von der FDP verließ bereits 2020 und Volker Beck von den Grünen 2017 den Bundestag. Bei SPD und Linkspartei gilt Religionspolitik schon seit Längerem als Orchideenfach.
Zweitens ist das Interesse der aktuellen Bundesregierung an religiösen Themen sehr gering. Insbesondere die Bundesaußenministerin betont immer wieder, „den Genderblick in den Köpfen verankern“ (Annalena Baerbock) zu wollen. Allerdings scheint die Bundesregierung dem Irrtum aufzusitzen, dass Feminismus ein wesenhaft säkulares Projekt ist und sich Emanzipation und Religion grundsätzlich ausschließen. Dieses offenbar ideologisch-motivierte Ausblenden von Religion könnte erklären, weshalb wachsende Angriffe auf die Religionsfreiheit von Frauen kontinuierlich von der Regierung übersehen werden und warum kein substanzieller Einsatz für Religionsfreiheit in ihrer politischen Arbeit erkennbar ist (s. auch Iran). Obwohl das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit neu besetzt wurde, ist es weder mit angemessener personeller Ausstattung noch einem entsprechenden Budget versehen.
Querschnittsthema wertebasierter Politik
In Hinblick auf eine wertebasierte Politik gibt es drei Handlungsfelder, die angegangen werden müssen, um die Religionsfreiheit zu stärken: Ers-tens müssen Verbündete der kommenden Generationen im Einsatz für Religionsfreiheit durch gezielte On- und Offline-Kampagnen gewonnen werden. Diese Bemühungen um den Nachwuchs müssen die Verbindung zwischen Religionsfrei-heit und den in der jüngeren Generation bereits beliebten Themen der Geschlechter- und Klimagerechtigkeit betonen.
Zweitens benötigt das Engagement für Religionsfreiheit eine andere institutionelle Gewichtung, an deren Anfang eine personelle und finanzielle Aufwertung sowie Erhaltung des Amtes des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit jenseits von Legislaturperioden steht. Der Erfolg dieser Arbeit hängt entscheidend von regelmäßigen Reisen in Krisengebiete und dem Aufbau und der Pflege von Netzwerken ab. Wie auf der letzten „International Ministerial Conference on Freedom of Religion or Belief“ zu beobachten war, machen die zwischen zivilgesellschaftlichen und politischen Akteuren entstandenen Koalitionen im Kampf für weltweite Religionsfreiheit Hoffnung. Deutschland sollte sich endlich diesen Initiativen verbindlich anschließen.
Drittens muss Religionsfreiheit verstärkt als Querschnittsthema begriffen und entsprechend institutionell abgebildet werden, da nachweislich die Angriffe gegen das Menschenrecht Religionsfreiheit zunehmend gleichzeitig Frauenrechte, aber auch andere Menschenrechte betreffen.
Den eigenen Anspruch, im Sinne einer „Feministischen Außenpolitik“ zu handeln, sollte die Bundesregierung als Gelegenheit begreifen, beim Thema Menschenrechte auch die intersektiona-len Verbindungen zwischen Frauenrechten und Religionsfreiheit zu beachten. Am Anfang dieses Umdenkens muss die Einsicht stehen: Ohne Religionsfreiheit sind Frauenrechte nicht zu haben.
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