Die Nachfrage nach nachhaltig hergestellten Lebensmitteln ist in den letzten Jahren gestiegen. Diese werden dabei oftmals mit regional produzierten Lebensmitteln gleichgesetzt. Das ist im Kern auch nicht verkehrt. Es wird aber problematisch, wenn im Umkehrschluss davon ausgegangen wird, dass Produkte weniger nachhaltig sind, wenn sie außerhalb Deutschlands oder der EU produziert werden. Das ist so aber nicht richtig. Im Gegenteil ist es bei vielen Lebensmitteln, die nach Deutschland importiert werden, in der Summe nachhaltiger, wenn sie beispielsweise aus Marokko oder Senegal kommen. Dies sollte die EU in ihrer Handelspolitik stärker berücksichtigen.
80 Prozent der Lebensmittelimporte aus innereuropäischem Handel
Deutschland ist in der vorteilhaften Situation, über einen hohen Selbstversorgungsgrad von rund 80 Prozent zu verfügen. Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Zucker, Fleisch und Milch können durch die heimische Landwirtschaft produziert werden. Eier, Gemüse und Obst müssen hingegen zu einem großen Anteil importiert werden. Gleichzeitig exportiert Deutschland eine Vielzahl an Agrargütern, beispielsweise Fleisch- und Milchprodukte. Größter Absatzmarkt ist die EU. Rund 80 Prozent der Lebensmittelimporte stammen ebenfalls aus dem innereuropäischen Handel. Wichtigster Partner sind die Niederlande, deren Lieferungen rund 23 Prozent unserer Lebensmittelimporte ausmachen. Als außereuropäische Partner sind Brasilien und die USA hervorzuheben, die jeweils aber nur rund 2 Prozent unserer Importe ausmachen.
Anbau von Bananen oder Kaffee in Deutschland wenig zielführend
Dass bei bestimmten Produkten ein Import sinnvoll ist, liegt etwa bei Bananen oder Kaffee auf der Hand. Technisch wäre es möglich, diese Lebensmittel in Deutschland anzubauen. Wirtschaftlich und sicher auch ökologisch wäre dies aber wenig zielführend. Das wird auch für Südfrüchte wie Zitronen und Orangen niemand bestreiten. Das Klima in Deutschland erlaubt es nicht, diese Früchte auf offenem Feld anzubauen. Riesige Gewächshäuser zu bauen, zu beleuchten und zu beheizen, wäre wegen der Kosten und der durch den Transport entstehenden Emissionen nicht vertretbar.
Kosten und Emissionen aus längerem Transport für Gemüse aus Südeuropa gerechtfertigt
Doch wie sieht es bei Gemüse aus, das zu großen Teilen aus Südeuropa und zunehmend aus (Nord-) Afrika eingeführt wird? Auch hier lassen sich Kosten und Emissionen aus dem längeren Transport mit dem in Deutschland nötigen Aufwand für die Beheizung von Gewächshäusern verrechnen. Dazu kommt bei vielen Gemüsesorten der Arbeitsaufwand, vor allem bei der Ernte. Es ist in Deutschland kaum noch möglich, Erntehelfer zu finden, etwa für die Spargel- oder Erdbeerernte.
Entfernung des Herstellungsortes kein Indikator für weniger nachhaltige Produktion
Daneben sind die Emissionen aus dem Transport zum Beispiel aus Marokko oder Senegal nicht zwingend höher als diejenigen für Lieferungen aus Spanien. Denn die spanischen Zucchini werden mit dem LKW nach Deutschland transportiert, die afrikanischen Zucchini kommen hingegen per Schiff in einen norddeutschen Hafen und müssen dann nur eine verhältnismäßig kurze Strecke per LKW an ihren Bestimmungsort gebracht werden. An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Entfernung des Herstellungsortes nicht notwendigerweise ein Indikator für eine weniger nachhaltige Produktionsweise ist.
Tomate aus Marokko kann im Ergebnis die nachhaltigere Wahl sein
Es ist sicherlich ideal, Nahrungsmittel bewusst einzukaufen und sich von dem zu ernähren, was in der eigenen Region zur aktuellen Jahreszeit verfügbar ist. Die Politik ist daher gut beraten, weiterhin die eigene Landwirtschaft zu fördern und regionale Wertschöpfungsketten zu stärken. Nur lässt sich eine moderne, ausgewogene Ernährung damit nur schwer bestreiten. Importe werden gebraucht und es ist sehr sinnvoll, nicht nur auf Entfernung zum Herstellungsort zu achten, sondern eben auch auf andere Aspekte. Denn wie oben gezeigt, kann die Tomate aus Marokko im Ergebnis die nachhaltigere Wahl sein.
Einsatz für verstärkten Import aus Entwicklungsländern
Daher sollten Deutschland und die EU sich für eine Verbesserung und Vereinfachung der Handelsbedingungen für Obst und Gemüse aus Entwicklungsländern einsetzen. Denn Zucchini aus dem Senegal oder Mangos aus Kenia können zur Diversifizierung der Lebensmittelversorgung beitragen. Mit dem verstärkten Import aus diesen Ländern würden Deutschland und die EU gleichermaßen nachhaltige Nahrungsmittel einführen und dazu beitragen, dass mehr Menschen vor Ort eine formale und regelmäßige Beschäftigung finden.