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Übersehene Fortschritte – Polarisierte Debatte um den 13. Integrationsgipfel

de Dr. Annette Ranko
Der 13. Integrationsgipfel fand am 9. März 2021 statt. Sichtbarstes Ergebnis des Gipfels ist ein neuer Nationaler Aktionsplan Integration. Trotz des umfangreichen Katalogs an Vorhaben kamen Aktionsplan sowie Gipfel eher schlecht weg. Die einen kritisierten veraltete Konzepte, die anderen eine Anbiederung an den identitätspolitischen Zeitgeist. Eine zunehmende Polarisierung der Debatte verstellt jedoch den Blick auf tatsächliche Fortschritte in der Integrationspolitik.

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Am 9. März 2021 fand der 13. Integrationsgipfel statt. Es war der letzte unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, die das Format 2006 ins Leben gerufen hatte. Sichtbarstes Ergebnis des Gipfels ist ein neuer Nationaler Aktionsplan Integration. Erarbeitet wurde er seit 2018 von über 300 Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen, Migrantenorganisationen sowie der Wirtschaft. Trotz des umfangreichen Katalogs an Vorhaben kamen Aktionsplan sowie Gipfel aus Sicht vieler Beobachterinnen und Beobachter eher schlecht weg. Die einen kritisierten veraltete Konzepte, die anderen eine Anbiederung an den identitätspolitischen Zeitgeist. Eine zunehmende Polarisierung der Debatte verstellt jedoch den Blick auf tatsächliche Fortschritte in der Integrationspolitik.

Was sind die Kritikpunkte am Integrationsgipfel? Vonseiten der politischen Linken wurde moniert, dass Gleichstellung nach 15 Jahren noch immer nicht erreicht sei. Statt verbindlichen gesetzlichen Regelungen stünden lediglich freiwillige Maßnahmen und Kampagnen im Fokus. So forderte u.a. Filiz Polat von Bündnis 90/Die Grünen einen Neustart in der Integrationspolitik, „weg von verstaubten Konzepten der Integration“, hin zu einem Partizipationsgesetz mit Quoten und zu einer Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf staatliche Stellen inklusive Verbandsklagerecht. Jörg Schindler von der Linkspartei forderte u.a. ein Teilhabegesetz mit Verbandsklagerecht. Einige Vertreterinnen und Vertreter aus Zivilgesellschaft und Medien kritisierten das Integrationsverständnis des Gipfels als nicht zeitgemäß, da es die Verantwortung für Integration v.a. bei den Zugewanderten und zu wenig bei Staat und Aufnahmegesellschaft verorte. Die Vorstellung einer einseitigen Integration von Zugewanderten in eine Mehrheitsgesellschaft lehnen sie als diskriminierend ab. Stattdessen fordern sie die Wertschätzung einer Pluralität von Kulturen.

Andere Stimmen kritisierten hingegen, dass die Zusammensetzung des Integrationsgipfels einseitig sei und eine linksgerichtete identitätspolitische Schlagseite bediene. Dadurch würden, so bspw. der Integrationsexperte Ahmad Mansour, Positionen marginalisiert und als diskriminierend delegitimiert, die auf Risiken von misslungener Integration hinweisen und deren Ursachen nicht ausschließlich bei Staat und Mehrheitsgesellschaft verorten. Probleme wie Parallelgesellschaften, fehlende demokratische Werte, Radikalisierung, Ablehnung von Meinungs- und Freiheitsrechten, aber auch Defizite beim Spracherwerb oder der Arbeitsmarktintegration würden von der Politik somit unzureichend adressiert.

Die Reaktionen auf den Integrationsgipfel verweisen symptomatisch auf eine zunehmende Polarisierung in der Integrationsdebatte und deren Überlagerung durch identitätspolitische Auseinandersetzungen. Hier werden Personen mit Migrationsgeschichte als Schutzbedürftige in einer von strukturellem Rassismus durchzogenen „Dominanzgesellschaft“ verstanden. Dem Schutz von Minderheitenkulturen komme eine besondere Bedeutung zu, u.a. da sich Rassismus zunehmend von biologischen auf kulturelle Merkmale verlagere. Kritikerinnen und Kritiker warnen hingegen vor resultierenden kultur- und menschenrechtsrelativistischen Positionen, zunehmender Kollektivierung von Individuen hinsichtlich ethnischer oder kultureller Merkmale und der Gefahr der gesellschaftlichen Separierung in unterschiedliche Gruppen. Die Debatte verläuft zunehmend unversöhnlich. Dabei hat die deutsche Integrationspolitik seit 2005 nennenswerte Erfolge erzielt.

Mit dem Paradigmenwechsel im Jahr 2005 – als Integrationspolitik im Zuwanderungsgesetz erstmals zum bundespolitischen Handlungsfeld wurde – wurden eine Vielzahl von Maßnahmen und Gesetzen auf den Weg gebracht. Beispielhaft seien hier die Beschleunigung der Asylverfahren, eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Abschlüsse, der beschleunigte Zugang zu Integrationskursen oder deren massiver Ausbau genannt. Zusammen mit den 2016 eingerichteten Berufssprachkursen hat Deutschland ein europaweit einzigartiges System an Sprachförderung etabliert. Erfolge der Bemühungen zeigen sich beispielhaft bei den 2013 bis 2016 zugewanderten Geflüchteten. So zeigen Studien bspw. einen engen Zusammenhang zwischen der Verkürzung der Asylverfahren und des beschleunigten Zugangs zu Integrationskursen und der insgesamt günstigen Arbeitsmarktintegration der Schutzsuchenden. Ebenso stellen sie z.B. eine sehr hohe schulische Integration der damals geflüchteten Kinder und Jugendlichen fest. Auch religionspolitisch ist vieles vorangekommen: Islamischer Religionsunterricht wird mittlerweile in neun Bundesländern angeboten und islamische Theologie wurde an zahlreichen Hochschulen als Lehrfach etabliert. Schließlich steht auch der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus weit oben auf der bundespolitischen Tagesordnung. Ende 2020 wurden allein hier über eine Milliarde Euro zugesagt.

Ebenso ist das Stimmungsbild zur Integration – bei Personen mit und ohne Migrationshintergrund – laut dem Integrationsbarometer des Sachverständigenrats für Integration und Migration seit Jahren stabil und positiv. Gleichzeitig nehmen Präsenz und Sichtbarkeit von Personen mit Zuwanderungsgeschichte in vielen Bereichen zu. Die Tatsache, dass sich Debatten um Teilhabe häufen, so argumentieren Expertinnen und Experten, sei u.a. auch eine Folge dieser Fortschritte. Personen mit Zuwanderungsgeschichte steigen sozial auf und fordern vermehrt Teilhabechancen ein. Trotz vieler Herausforderungen ist also festzuhalten, dass Integration in Deutschland auch gelingt. Vieles spricht damit für mehr Gelassenheit in der Debatte. Dabei sollten aber auch die bestehenden Risiken und Probleme sowie alle involvierten Ebenen – Staat, aufnehmende Gesellschaft und Personen mit Zuwanderungsgeschichte – in den Blick genommen werden. Der zurückliegende Integrationsgipfel sollte also nicht nur zum Anlass von Grundsatzdebatten oder kulturpolitischen Auseinandersetzungen genommen werden, sondern auch als Etappe eines Prozesses mit einigen nennenswerten und oft übersehenen konkreten Fortschritten verstanden werden.

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