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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Länderberichte mal anders

Der Weg zu einem inklusiven Bildungssystem in Marokko

Inklusion weltweit – aktueller Stand aus Marokko

Die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Königreich Marokko sieht sich noch mit einigen baulichen und personellen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Regierung hat durch Gesetzesneuerungen und einer Schulreform einen großen Fortschritt auf diesem Gebiet errungen. Programme und Organisationen, unterstützt von Staatsgeldern, dem Königshaus und privaten Spenden, leisten des Weiteren einen Beitrag, um den Leitsatz „Leave no one behind“ der Agenda 2030 der Vereinten Nationen zu realisieren.

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Die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist erst seit einem Jahrzehnt ein relevantes politisches Thema im Königreich Marokko. Deswegen gibt es im Bildungssystem noch einige Hürden für eine gelingende Inklusion. Diese sind nicht nur baulich, wie der barrierefreie Zugang zu Klassenzimmern und Hörsälen, sondern auch personell und sozial.

Schon der Weg zur Bildungseinrichtung kann sich als schwierig gestalten. Die Bordsteine der Straßen sind zu hoch und nicht überall gibt es entsprechende Zugänge. Öffentliche Verkehrsmittel sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich. In Marrakesch sind Busse nicht barrierefrei, während in Rabat, der Hauptstadt Marokkos, neue Straßenbahnen an die Bahnsteighöhen angepasst worden sind. Vor allem die älteren Gebäude an den Schulen und Universitäten sind nur schwer zugänglich.

Auch personelle Hürden sind ein Problem. In Schulen sind unausgebildete und überforderte Lehrkräfte nicht in der Lage, ein Kind mit Behinderung individuell zu unterstützen. Vertreter und Vertreterinnen von Organisationen sind sich sicher, dass auch behinderte Studierende mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Professoren und Professorinnen, die nicht auf jene Bedürfnisse eingehen, sind eine große Hürde. Hinzu kommen mögliche Probleme mit Mitschülerinnen und Mitschülern. In der marokkanischen Gesellschaft wurden behinderte Familienmitglieder lange der Öffentlichkeit ferngehalten, zum Teil sogar versteckt. Durch diese oftmals noch stark verankerte Sichtweise erschwert sich die soziale Integration. Berichte von Mobbing und fehlender Unterstützung sind keine Einzelfälle. Erst in den letzten Jahren hat sich dies langsam verändert.

Am 8. April 2009 hat das Königreich Marokko die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Mit der Ratifizierung hat sich Marokko verpflichtet, diese Rechte auch national zu implementieren. Nach den Protesten des sogenannten "Arabischen Frühlings" im Jahr 2011 und der folgenden marokkanischen Verfassungsreform gab es den größten rechtlichen Fortschritt für Menschen mit Behinderung. Das Verbot und die Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung, eingeschlossen gegen Behinderungen, verankerte die Reform im Gesetz.

Vor allem das Ministerium für Familie, Solidarität, Gleichberechtigung und soziale Entwicklung treibt das Thema Inklusion in der Politik voran. Die Regierung Marokkos verabschiedete im Jahr 2015 ein Programm, welches die Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderung vorsieht. Die ausgearbeitete Strategie soll in folgenden Jahren landesweit greifen. Sie beinhaltet zwei große Projekte: Zum einen eine Gesetzesreform und eine integrierte öffentliche Politik, zum anderen eine nationale Befragung von Menschen mit Behinderung. Aus diesen sollen Maßnahmen und Konzepte entwickelt werden, um die Umsetzung der Regierungsstrategie zu gewährleisten. Auch nationale Programme und Workshops sind Teil des Plans. Diese sind u.a. Qualifizierungsprogramme für Fach- und Lehrkräfte, Standardisierung der marokkanischen Gebärdensprache und die Gründung von Orientierungs- und Hilfezentren für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige.

Des Weiteren beinhaltet das Regierungsprogramm eine große Bildungsrevision. Dabei steht eine Schulreform, welche Kinder mit Behinderungen als einen wichtigen Teil beinhaltet, im Fokus. Es werden die soziale, pädagogische Inklusion von behinderten Kindern in Regelschulen, bauliche Veränderungen sowie das Förderschulsystem unterstützt. Zudem entstehen immer mehr Behindertenwerkstätten. Die Aufnahme von Kindern mit Behinderungen an Regelschulen sieht sogenannte Integrationsklassen vor, in denen behinderte Kinder zunächst bis zu drei Jahre gefördert werden. Wenn sie bereit sind, wechseln sie danach in Klassen, in denen sie zusammen mit nichtbehinderten Kindern unterrichtet werden. Sie haben aber auch die Möglichkeit, an eine Förderschule zu gehen.

In bestimmten Einrichtungen ist es sogar möglich, Schule und Ausbildung unter einem Dach zu absolvieren. Individuell abgestimmte Förderprogramme und therapiegestützte Ausbildungen ermöglichen jenen Kindern, sich selbst zu entdecken und zu entfalten. Damit dies umfassend gewährleistet werden kann, werden Fachkräfte ausgebildet sowie die Weiterbildung von Lehrkräften gefördert.

Die Strategie hat sich positiv ausgewirkt. Die Anzahl von Kindern mit Behinderung, die unterrichtet werden, ist 2021 auf insgesamt 55,1% gestiegen. Dies wurde von der Marokkanischen Beobachtungsstelle für inklusive Bildung (frz. L'Observatoire Marocain de l'Education Inclusive) veröffentlicht. Im Gegensatz dazu ist die Anzahl von Menschen mit einer Behinderung, die in einer Hochschulbildung sind, mit 1,8% gering.

Universitäten haben unterschiedliche Ansätze für die Inklusion von behinderten Studierenden. Die Universität Mohammed V. in Rabat bietet individuelle Unterstützung im Studierendenleben. Weitergeleitet an das Student Life Center, kann eine studierende Person mit Behinderung angepasste Stundenpläne, Hilfe in verschiedenen Situationen und Informationen für außerhalb des Campuslebens bekommen. Andere Hochschulinstitutionen stellen hingegen keine Informationen oder Konzepte für Studierende mit Behinderung zur Verfügung. Weiterhin sind viele Universitätsgebäude nicht zugänglich.

Das Ministerium für Nationale Bildung, Berufsbildung, Hochschulwesen und Forschung, und das Königshaus unterstützen Programme und Organisationen, die die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Bildungssystem fördern. Viele Projekte sind aber auf private Spenden angewiesen. Im Jahr 2022 werden erstmalig Fördergelder ausgeschüttet, die zukünftig jährlich die mehr als 600 marokkanischen Vereine und Organisationen, die Inklusionsarbeit leisten, unterstützen sollen. Der marokkanische Regierungshaushalt hat ein jährliches Budget von 500 Millionen Marokkanischer Dirham (ungefähr 46,2 Millionen Euro) vorgesehen.

Erfolg ist zu sehen: die Regierungsprogramme erreichten innerhalb von fünf Jahren (2015-2020) die fast vierfache Anzahl an Menschen. Auch durch die wichtige Arbeit der Vereine und Organisationen wird die Sicht der traditionell religiös geprägten Gesellschaft Marokkos auf Menschen mit Behinderung sensibilisiert und in ein positives öffentliches Licht gerückt.

In Marokko arbeitet die Konrad-Adenauer-Stiftung mit keiner Organisation zusammen, die sich explizit für die Förderung von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Dennoch fühlt sie sich verpflichtet, allen Menschen die Teilnahme an ihren Projekten und Veranstaltungen zu ermöglichen. Diese werden möglichst zugänglich gestaltet, die Veranstaltungsräume und Hotels werden mit Bedacht ausgewählt. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ermutigt und lädt Menschen mit Behinderungen ein, an Seminaren und Workshops teilzunehmen. Ein großes Projekt der Stiftung ist die Eröffnung von Bürgerbüros in verschiedenen Städten und Kommunen. Die lokale Bevölkerung entwickelt mit der Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Konzept, welches den entsprechenden Bedürfnissen angepasst ist. Dieses schließt auch das Thema Inklusion ein.

Mit unserer Arbeit leisten wir einen kleinen Beitrag zur Umsetzung des zweiten Leitsatzes der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung und ihrer Ziele (engl. Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen. Doch auch weiterhin ist noch einiges zu tun, um dem Grundsatz “Leave no one behind” nachzukommen.

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Interlocuteur

Steven Höfner

Steven Höfner (2020)

Leiter Auslandsbüro Marokko

steven.hoefner@kas.de
Interlocuteur

Barbara Bergmann

Barbara Bergmann bild

Referentin für Inklusionsfragen in der Europäischen und Internationalen Zusammenarbeit

Barbara.Bergmann@kas.de +49 30 26996-3528 +49 30 26996-53528

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