Comptes-rendus d'événement
Seinen Vortrag gliederte Keller in drei Teile. Er begann mit der Erwartungshaltung, die das amerikanische Volk an den amerikanischen Präsidenten im Wahlkampf hatte, ging dann auf konkrete politische Themen wie Afghanistan und Russland ein und entwickelte zum Schluss Thesen zur Zukunft des transatlantischen Bündnisses mit Amerika.
Zu Beginn wies Patrick Keller auf Obama als „Anti-Bush“ hin, für ihn der entscheidende Faktor für den Wahlsieg des ersten farbigen Präsidenten. Schon im Duell mit Hillary Clinton ging es vorrangig darum, wer überzeugender das komplette Gegenteil von G.W. Bush darstellen konnte. Außerdem versprach Obama, mit allen Gegnern der USA einen offenen Dialog führen zu wollen und galt so als klarer Anti-Kriegs-Kandidat, der sogar zur Eingestehung eigener Fehler bereit war.
Doch wie setzte Obama diese Erwartungen, die das Volk an ihn stellte, in seinen ersten Regierungsmonaten um? Keller berichtete von der Einführung des Instrumentes der „smart power“, der cleveren Macht, die eine neue Form zwischen der von George Bush geprägten „hard power“ (von militärischer Durchschlagskraft geprägte Macht) und der durch diplomatische Finesse gekennzeichneten „soft power“ darstelle. Mit der durch Hillary Clinton eingeführten „smart power“ lasse sich die Obama-Regierung viel Spielraum für die amerikanische Politik, die zudem vom eigenen Slogan „managing expectations“ – also das Bewältigen der Erwartungen – geprägt sei.
Im zweiten Teil seiner Ausführungen skizzierte Keller die außenpolitischen Themengebiete der Vereinigten Staaten. Obama plane den Abzug aus dem Irak und wolle den Fokus nach Afghanistan verschieben. Der Irak-Krieg sei für Obama immer der falsche Krieg gewesen, Afghanistan stattdessen der richtige Krieg. Dort fordere der Präsident implizit eine Lastenverteilung: die Europäer sollten mehr Truppen nach Afghanistan senden.
Anschließend stellte Dr. Keller die Frage, wie Obama die NATO sehe. Hierzu erläuterte er die drei Phasen der NATO, die aus Gründung, Erweiterung nach Osten und dem Aufruf zu einer gemeinsamen Verteidigung bestehen. Obama müsse heute alle drei Phasen erfüllen oder wie Keller es nannte, „mit allen Phasen jonglieren“.
Auch auf das amerikanisch-russische Verhältnis ging er ein und erwähnte den „Reset-Button“, den Hillary Clinton im März 2009 mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow drückte und der symbolisch einen politischen Neustart zwischen Russland und Amerika einläuten sollte. Durch die Zurücknahme des geplanten Raketenabwehrschildes in Polen und Tschechien machte Obama einen ersten Schritt in Richtung Russland.
Daraufhin sprach Dr. Keller die iranische Atomwaffen-Problematik an und stellte die Frage, was passieren würde, wenn der Iran wirklich Atomwaffen besitze. Werden andere Nationen dann nachrüsten, und wie sicher sind Atomwaffen in Ländern mit solch instabilen Verhältnissen? Auch hier war Obama aktiv: Er gab dem arabischen Fernsehsender Al-Jazeera ein Interview und auch in Kairo hielt er eine große Rede, doch die von ihm „ausgestreckten Hände“ wurden bisher nicht ergriffen.
Am Ende des zweiten Teils verwies Dr. Keller auf die bisherige Vernachlässigung des pazifischen Raumes: Obama habe noch keine klare Position zu China bezogen, ebenso nicht zu Nordkorea, Japan oder Indien. Dies hat sich schon bemerkbar gemacht: Australien, bisher nicht wirklich als Kriegsmacht bekannt, rüstet deutlich auf, weil es Angst vor den aufstrebenden Nationen in Südostasien hat. Hier lobte Keller die Bush-Politik, die in Asien immer sehr gut gewesen sei.
Im letzten Abschnitt seines Vortrags ging Dr. Patrick Keller auf die zukünftigen Herausforderungen im transatlantischen Bündnis ein und formulierte einige Thesen. So warnte er trotz der neuen Bedrohungen, wie Terrorismus oder Ressourcenknappheit davor, klassische Konflikte – also einen Krieg zwischen zwei Staaten – nicht zu vergessen. Konfliktpotential sieht er zum Beispiel an der Grenze zwischen Russland und China, weil die Chinesen als aufsteigende Macht einen „Platz an der Sonne“ wollten und bestehende Mächte ihre Position verteidigen möchten. Hinzu kommt, dass auf chinesischer Seite zu viele Menschen leben, während im rohstoffreichen Russland zumeist menschenleeres Gebiet anzutreffen ist. Die Integration Chinas in die bestehende Weltordnung sieht Dr. Keller als eine schwierige Herausforderung, die nur gemeinsam im transatlantischen Bündnis zu erfüllen sei.
Als zweiten Punkt sieht er die Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin als die Top-Macht in der Welt, die sie auf unvorhersehbare Zeit auch bleiben wird. Militärisch sei die USA mit Abstand am besten aufgestellt, und die Regierung gebe auch immer noch sehr viel Geld für die Sicherstellung der Macht aus. So empfiehlt Dr. Keller, das Bündnis zwischen Deutschland und Amerika weiter auszubauen.
Als letzten Punkt äußerte er die These, dass die USA die Nation blieben, die das internationale System garantiere. Die Vereinten Nationen oder auch der Völkerbund, die für den freien Handel einstehen, seien amerikanische Erfindungen, von denen Deutschland als Exportweltmeister profitiere.
Zum Abschluss des Vortrages zitierte Keller den einflussreichen Publizisten der New Yorker Times Thomas L. Friedmann: „Die unsichtbare Hand des Marktes wird nie ohne die versteckte Faust (des amerikanischen Militärs) funktionieren“.
Im Anschluss an den Vortrag folgte eine Diskussion, in der es unter anderem um die Lage in Afghanistan, das Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea und die Wirtschaftskrise in Saudi-Arabien ging.
Fortgesetzt wird die Reihe am 29. Oktober um 18:00 Uhr mit dem Thema „Weltweit Ressourcen sichern? Geostrategische Aspekte der amerikanischen Außenpolitik im 21. Jahrhundert“.
Steffen Lühning