Als Opfer eines mehr als 20 Jahre andauernden Konflikts in Nord-Uganda frage ich mich oft: Hätten sich meine Brüder in den ersten Tagen freiwillig der LRA-Rebellengruppe angeschlossen, wenn sie das Konzept der zivilgesellschaftlichen politischen Bildung verstanden hätten? Hätte der Konflikt, der tausende Menschenleben und unzähliges Eigentum zerstört hat, so viele Jahrzehnte gedauert, wenn es ein grundlegendes Bewusstsein dafür gegeben hätte, sowohl bei der LRA, die die Gewalt verübt hat, als auch beim UPDF, die den Krieg in seinen Anfängen hätte stoppen können? Ich werde wohl nie eine Antwort auf diese Fragen bekommen.
Alles, was ich weiß, ist, dass zivilisierte Menschen, die ihre Mitmenschen lieben und eine bessere Welt schaffen wollen, sich nicht gegenseitig töten. Natürlich sind auch zivilisierte Menschen manchmal nicht einer Meinung, aber trotz dieser Meinungsverschiedenheit schätzen sie den Standpunkt des Anderen; sie respektieren die Sichtweise der Anderen; finden einen Mittelweg und erzielen letztlich einen gemeinsamen Kompromiss.
Aber vor allem lassen sie nicht zu, dass ihre unterschiedlichen Ansichten dem Fortschritt einer prosperierenden Zivilisation im Wege stehen. Wenn Joseph Kony das verstanden hätte, wäre die Bevölkerung Nord-Ugandas sicher nicht diesem schrecklichen Krieg ausgesetzt gewesen. Wüssten die verschiedenen Konfliktparteien im Südsudan dies, wären jene 400.000 Menschen nie gestorben und mehr als 4 Millionen Südsudanesen wären nie gewaltsam vertrieben worden.
Vielleicht sollten wir uns deshalb alle auf eine Mission zur Erschaffung einer zivilisierten Welt begeben: Toleranz predigen; für die Achtung anderer Meinungen und Weltanschauungen eintreten; Dialog statt Kampf und Liebe statt Hass wählen. Das ist die Mission, auf der ich hier in Yei River State bin, einer herrlichen Landschaft mit bewundernswerten Menschen - die meisten von ihnen unschuldige Frauen und Kinder, die nie wieder der Gewalt von unzivilisierten Männern und ihrer Gier nach Geld und Macht ausgesetzt sein dürfen.
Dieser Vortrag untersucht nicht nur die Rolle des zivilgesellschaftlichen Engagements als Instrument der Friedensförderung, sondern reflektiert auch kritisch über seine Potenziale und Grenzen.
Wenn Schüsse fallen und Bomben fliegen, wie es in den letzten Jahren im Südsudan der Fall war, gibt es nicht immer Raum für bürgerliches Engagement. Denn in Kriegs- und langwierigen Konfliktsituationen verschwindet die Achtung vor demokratischen Werten wie Recht und Ordnung, Toleranz, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht. Mehr noch, wenn es Krieg gibt, kann keine Entwicklung stattfinden. Krieg und Entwicklung sind Erzfeinde, die nie zusammen auftreten können.
Und doch ist konstruktives zivilgesellschaftliches Engagement während und nach Konflikten eine der bewährtesten Möglichkeiten, Gewalt zu deeskalieren und Frieden zu schaffen. Sie bietet eine Plattform, auf der (i) kriegsführende Parteien versöhnliche Dialoge führen können und (ii) Opfer von Konflikten Raum zur Heilung finden, sowie die Möglichkeit bekommen neue Energie und Hoffnung zu schöpfen, ihr Leben wiederaufzubauen. In diesem Zusammenhang spielt das zivilgesellschaftliche Engagement eine entscheidende Rolle, indem es verschiedenen Akteuren ermöglicht, bestehende Konflikte zu überwinden und eine gemeinsame Basis zu finden, um Brücken des Friedens, der Einheit und der Harmonie zu schaffen.
Im speziellen, spielt das zivilgesellschaftliche Engagement zur Friedensförderung bei diesen Punkten eine wichtige Rolle:
- Schutz von Leben und Eigentum
- Schaffung eines Gefühls der gemeinsamen Verantwortung und Rechenschaftspflicht
- Bereitstellung einer Plattform zur Interessenvertretung verschiedener Gruppen
- Befähigung der Bürger, Kontakte zu knüpfen und sich gegenseitig kennenzulernen und so eine Kultur des Friedens aufzubauen.
- Menschen konfliktsensitiver zu machen, weil sie sich jetzt kennen und bewusst versuchen werden, sich an Aktionen zu beteiligen, die Gewalt vermeiden.
- Einen Raum für den Austausch zu schaffen.
- Ermöglichung der Bereitstellung der dringend benötigten Konflikt- und Post-Konflikt-Dienste, wie z.B. Trauma Heilung, humanitäre Hilfe und andere.
Bei dem Versuch, die Rolle des zivilgesellschaftlichen Engagements als Friedensförderung zu verstehen, ist es unerlässlich, dass wir uns von der oft falschen Annahme distanzieren, dass bürgerliches Engagement und Bildung nur eine Angelegenheit der zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) sind, die wiederum meist auf NGOs beschränkt sind. Vielmehr sollte das zivilgesellschaftliche Engagement eine Angelegenheit verschiedener öffentlicher und nicht-öffentlicher Akteure sein, darunter Privatunternehmen, Einzelpersonen und/oder andere organisierte Personengruppen, die ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Vision über die Verbesserung ihrer Gemeinschaft verfolgen.