Das Verhältnis zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika ist gerade nicht zum Besten bestellt. Mit der Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran oder der Androhung von Zöllen auf europäische Handelsgüter hat US-Präsident Donald Trump die EU-Staaten vor den Kopf gestoßen. Doch nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in der Sicherheitspolitik setzt er den Kontinent unter Druck und fordert zum Beispiel höhere europäische Rüstungsausgaben.
Washington blickt jetzt besonders auf Asien
Die Motivation dafür finden die USA in ihren geopolitischen Ambitionen. Während Walt zufolge bis kurz nach Ende des Kalten Kriegs noch die Europäer – und ihr Schutz – an erster Stelle auf der US-Interessen-Liste standen, sei in den letzten Jahren eine andere Region nach oben gerückt: Asien. „China ist der einzige potenzielle Rivale für die USA.“ Was die Vereinigten Staaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg und auch im Kalten Krieg zum Ziel hatten, gelte aus Walts Sicht auch jetzt noch: Zu verhindern, dass ein Staat so mächtig wird, wie die USA selbst, und dass ein Land eine zu große Dominanz über seine unmittelbare Nachbarschaft erringt.
Video-Mitschnitt des Vortrags
Soll Europas Sicherheit von den USA abhängig bleiben?
Daher sollten die USA sich darauf konzentrieren, Chinas Macht auszubalancieren – und dafür auch ihre militärische Präsenz in Europa reduzieren. Walt meint, die Europäer sollten ihre Verteidigung selbst organisieren und gibt sich zuversichtlich: „Europa schafft das“, denn es sei beispielsweise reicher als Russland und habe die nötigen Ressourcen, die nur effektiv verteilt und genutzt werden müssten. Die USA würden natürlich weiter als sogenannter Restgarant in der NATO bleiben und ihr den Rücken stärken. Wenn Europa sicherheitspolitisch auf eigenen Beinen stehe und wirklich aktiv werde, sei das die Basis für eine langfristig stabile transatlantische Partnerschaft. Und solange die Verteidigung des Kontinents von den USA abhänge, könne Washington sich so viel herausnehmen und Europas Staaten und Wirtschaften beispielsweise wirkungsvoll Sanktionen androhen, warnt Walt.
Mehr Diplomatie, weniger Nationbuilding
Walt empfiehlt den USA zudem eine effektivere Außenpolitik: Schluss mit dem erfolglosen Nationbuilding und dem Verbreiten liberaler Werte mit militärischer Gewalt – beides führe laut Walt nur zu gescheiterten Staaten. Stattdessen solle Washington sich stärker diplomatisch engagieren und beispielsweise im Nahen Osten mit allen Ländern normale Beziehungen aufbauen, anstatt nur einige spezielle Partnerschaften zu pflegen und mit einigen Ländern gar nicht zu reden. Er wünscht sich, dass die Vereinigten Staaten natürlich weiter die liberalen Werte proklamieren, „am besten aber verbreiten wir sie, wenn wir daheim ein gutes Beispiel abgeben“, so Walt. Das alles sei kein Aufruf zum Isolationismus, ganz im Gegenteil verkündet Walt: „Wir werden weiter weltweit wirtschaftlich aktiv sein, diplomatisch noch aktiver und natürlich in einigen Regionen auch militärisch präsent bleiben.“
Die anschließende Diskussion zwischen Stephen M. Walt, Stefanie Babst und Botschafter Boris Ruge können Sie hier im Video anschauen:
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