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Verzicht auf heilige Kühe
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Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass ihm Dinge heilig sind. Kein Recht gibt es hingegen darauf, dass sich niemand darüber lustig macht. Mit dieser Argumentation präsentiert Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, eine vortreffliche Lösung für den viel diskutierten Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Religion. Denn die Glaubensfreiheit darf kein Argument sein, um Kritiker mundtot zu machen: Das Recht auf unverletzte religiöse Gefühle steht nicht über dem Recht, die eigene Meinung offen zu äußern.
Meinungsfreiheit darf dabei aber nicht in bloße Beleidigung umschlagen: „Wenn der andere nicht mehr antworten kann, kommt die Meinungsfreiheit an ihre Grenzen“ (Bielefeld). Deshalb ist es gut, dass ein deutsches Gericht den Mann zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilte, der mit dem Wort „Koran“ bedrucktes Toilettenpapier an Moschee-Gemeinden geschickt hatte.
Ganz anders hingegen die Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“: Die Zeichnungen äußern berechtigte Kritik an bombenden und mordenden Islamisten. Bissig, gemein, spöttisch – verbunden mit einem bewussten Tabubruch. Niemand muss die Karikaturen gut finden, aber jeder sollte einsehen, welch großes Privileg die lang erkämpfte Meinungsfreiheit in sich trägt. Denn die Auseinandersetzung hat gezeigt, dass Meinungsfreiheit es erst ermöglicht, die Schwächen der anderen aufzuzeigen. Statt die Kritik ernst zu nehmen, haben politische Führer die Karikaturen damals missbraucht, um die brandschatzenden Massen von Marokko bis Pakistan auf die Straße zu locken. Auf den Vorwurf der Gewalttätigkeit antworteten die Demonstranten mit Gewalt – und bestätigten ihn so. Das alles war nicht die Schuld der Karikaturisten. Und erst Recht nicht die des Staates, der ihnen die Freiheit gibt zu zeichnen, was sie wollen – ob es nun heilig ist oder nicht.
Eine moderne Rechtsordnung kann ohnehin nicht den Respekt vor dem Heiligen garantieren. Denn in einem freien Land kann jeder selbst bestimmen, was ihm heilig ist. Es gibt keine staatliche Autorität, die von oben herab die Welt in Heiliges und Profanes teilt, wobei ersteres zu schützen und letzteres dem Spott eines jeden überlassen ist. Der Staat muss nur das schützen, was ihm selbst heilig ist: Ganz vorne stehen Religions- und Meinungsfreiheit.
„Religion kann Freiheit gefährden, Freiheit aber keine Religion“, bringt es der Journalist Robert Leicht auf den Punkt. Nach diesem Grundsatz gibt es im pluralistischen Deutschland keine heiligen Kühe.
Philipp Heinz