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Die Ausbrecherin – Aufstieg als Ausbruch und Abgrenzung (Türkischstämmige ehemalige Selbstständige)
Reportage zur Publikation "Gesundheit und Familie vor Arbeit und Einkommen - Studie zum sozialen Aufstieg in Deutschland"
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Diesen Typus verkörpert eine 54-jährige Berlinerin, die im Alter von fünf Jahren mit ihren Eltern aus der Türkei nach Deutschland eingewandert ist. In Armut aufgewachsen und mit einer nur rudimentären Schulbildung im Gepäck, erlebte sie Phasen der Arbeitslosigkeit mit Versuchen der Selbstständigkeit als Ladenbesitzerin. Auch privat musste sie Rückschläge hinnehmen. So kümmert sie sich gegenwärtig um ihren kranken Ehemann und ist dazu noch ehrenamtlich in der Altenpflege tätig. Sie würde auch gerne als Altenpflegerin arbeiten, der Umgang mit Menschen liegt ihr.
Große Sprünge kann sie sich derzeit nicht leisten. Als sie und ihr Mann noch selbstständig waren, war die finanzielle Situation besser. In ihrer jetzigen Situation definiert sie Aufstieg im beruflichen Bereich wie auch in Bezug auf ihr Wohnumfeld und die Gesundheit ihres Mannes:
„Aufstieg wäre für mich jetzt, wenn ich irgendeine schöne Arbeit finden würde, wo ich mehr, MEHR geben kann, mehr bieten kann die Leute. Also diese Pflege und so weiter. Das wäre für mich ein Aufstieg. Aufstieg wäre für mich, wenn ich jetzt nicht eine Mietswohnung hätte, sondern schön eine Wohnung mit einem kleinen Garten, wo ich meine eigenen Kräuter pflanzen kann, Beispiel. Wenn es meinem Mann ein bisschen besser gehen würde und ich mit ihm ein bisschen mehr unternehmen könnte. Das wäre für mich Aufstieg.“
Trotz ihrer derzeit schwierigen Situation, empfindet sie sich gegenüber ihren Eltern klar als Aufsteigerin:
„Ich muss sagen, von meine Eltern, wenn ich sehe, dann bin ich ganz oben. … Weil, meine Eltern kamen aus der Osttürkei, die konnten beide gar nicht schreiben, dass wir die erstmal gezeigt haben, wie sie unterschreiben oder ihren Namen schreiben.“
Bei ihrem Handeln steht im Vordergrund, sich von den Denkweisen und sozialen Verhältnissen der eigenen Eltern abzugrenzen und ein „besseres“ Leben als diese zu führen. So strebt sie beispielsweise nach mehr Bildung und geistiger Reife, und obwohl sie nach der siebten Klasse von der Schule abgegangen ist, sieht sie dies als erfüllt an. Darüber hinaus hat sie sich auch durch die Ehe mit einem Deutschen von ihren Eltern abgegrenzt, was den Eltern sehr missfiel.
Diese Emanzipation vom eigenen Elternhaus überträgt sie auch auf die nächste Generation: Sie hat sich vorgenommen, ihre eigenen Kinder grundlegend anders zu erziehen, als sie selbst erzogen wurde: „Mit der Liebe, die ich selbst nicht erhalten habe.“ Diese Bemühungen haben offenbar gefruchtet, alle ihre Kinder haben Abitur gemacht, wenn auch zum Teil unter starkem Druck der Mutter. Auf die Entwicklung ihrer Kinder ist sie sehr stolz:
„Mein Sohn ist von der zehnten Klasse ab, hat er gesagt, er will nicht mehr. Und dann habe ich gesagt, deinen Abschluss hast du nicht, dann haben wir dafür gesorgt, dass er später seinen Abschluss nachher machen sollte. Will ich aber nicht. Und irgendwann habe ich ihn erpresst, hast du mich lieb? Beweise es mir, zeige es mir. … Ja, und dann hat er es doch gemacht, ja.“