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Der Traum von den perfekten Spielen
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Die Olympischen Spiele 2008 standen unter keinem guten Stern, aber die gute Nachricht vorweg: Die Spiele sind ohne große Eklats und nahezu reibungslos von statten gegangen. Sowohl das internationale Organisationskommittee als auch das chinesische Organisationsteam sind zufrieden mit den Ergebnissen der diesjährigen Spiele. Nun heißt es erstmal Aufatmen und Kräftesammeln für die zweite Etappe der Paralympics.
Vor allem die angespannte politische Lage seit den Unruhen in Tibet aber auch das Erdbeben in der Provinz Sichuan im Mai, das 80.000 Menschen in den Tod riss, erschwerten den Veranstaltern die Ausrichtung eines lockeren, freudigen Sportfests. Die schlimmsten Befürchtungen der Machthaber in Peking haben sich jedoch nicht bewahrheitet. Es wurde kein Terroranschlag verübt, der Himmel war blau und die Luftqualität relativ gut, die Spiele waren nahezu störungs- und demonstrationsfrei, es gab keine bemerkenswerten Dopingfälle und auch die Eröffnungs- und Schlusszeremonie liefen wie am Schnürchen. Bis auf einige nicht erwähnenswerte Kleinigkeiten - wie zum Beispiel die Enttäuschung darüber, dass der Nationalheld Liu Xiang seinen Lauf aufgrund einer Verletzung nicht antreten konnte - war das Sportfest ein großer Erfolg.
Chinas Traum von grünen, technologischen und vor allem perfekten Spielen ist also in Erfüllung gegangen. Vor und während der Olympischen Spiele in Peking präsentierte China der Welt ein nahezu makelloses Bild und bewährte sich als perfekter Gastgeber. Die Hostessen hatten monatelang ihr traumhaftes Lächeln einstudiert, alle Taxifahrer Pekings waren kurz vor Beginn der Spiele mit neuer Kleidung ausgestattet worden, die Freiwilligen verhielten sich stets freundlich und äußerst zuvorkommend gegenüber den ausländischen Gästen, die sich beeindruckt von der Gastfreundlichkeit der Chinesen zeigten. Peking verdient zweifelsohne eine Goldmedaille für diese organisatorische Meisterleistung, die ohne die breite Unterstützung der fleißigen Voluntäre nicht möglich gewesen wäre.
Auch rein sportlich betrachtet war das Zusammentreffen der 204 Nationen für China ein großer Erfolg. Mit 51 gewonnenen Goldmedaillen ist China der Überflieger der diesjährigen Olympischen Spiele. Mit 100 Medaillen insgesamt konnte sich das Land als neue Sport-Supermacht einen ebenbürtigen Platz neben den USA und Russland in den höchsten Rängen erkämpfen. Damit hat China neue Maßstäbe gesetzt, wie auch mit den neuen modernen Architekturwundern, die nun die von Grund auf modernisierte Stadt schmücken.
Doch hinter der Glitzerfassade des Erfolgs und der Harmonie verbergen sich auch Probleme, die zwar für die Zeit der Spiele, wo aller Augen auf Peking ruhten, kaschiert werden konnten. Gelöst werden konnten sie freilich nicht. Eine große Herausforderung bleibt die Eindämmung der Luftverschmutzung. Für die Zeit der Spiele hat die Regierung alles daran gesetzt, dass die Luftwerte den nationalen Richtlinien entsprechen und damit die Sportler in ihrer Leistung möglichst nicht beeinträchtigt werden. Die Produktion in einigen hundert Fabriken in und um Peking herum wurde ausgesetzt, ein eingeschränktes Fahrverbot für PKWs und LKWs wurde erlassen, außerdem wurde mit modernster Technik Regen erzeugt bzw. umgeleitet, wenn es nötig war.
Die vorübergehenden strengen Richtlinien waren im Grunde genommen erfolgreich. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Regierung im Anschluss an die Paralympics auch eine dauerhafte Lösung anstrebt und die Idee mit einem eingeschränkten Fahrverbot als Beitrag zum Umweltschutz weiterverfolgt. Gleichzeitig wäre es erstrebenswert, das Umweltbewusstsein der Pekinger zu erhöhen, denn viele sind heute noch nicht bereit, ihr Auto stehenzulassen. Natürlich kann die Produktion in den Fabriken nicht ewig stillstehen, allerdings müsste auf lange Sicht über effiziente Lösungen nachgedacht werden, die helfen, Schadstoffemissionen zu reduzieren und damit die Luftqualität verbessern.
Die zweite große Herausforderung ist die Wasserversorgung des semiariden Pekings. Für die Olympischen Spiele wurde Wasser aus der ohnehin schon wasserarmen Provinz Hebei in die Hauptstadt geleitet, um eine Versorgung der Sportstätten, der neugeschaffenen Grünanlagen und der Haushalte zu gewährleisten. Doch längerfristig müssen neue Strategien erarbeitet werden, um die Hauptstadt zu versorgen. Auch hier ist ein stärkeres Umweltbewusstsein der Bevölkerung und der Unternehmen gefragt. Dazu beitragen könnte eine Erhöhung der künstlich niedrig gehaltenen Wasserpreise. Ein positives Beispiel für gelungene Wassermanagement-Projekte sind die neun modernen Kläranlagen, die im Vorfeld der Spiele gebaut wurden und eine Wasseraufbereitungsrate von 92 Prozent erreichen.
Ein weiteres wichtiges Thema bleiben die Menschenrechte. Die Verhinderung der geplanten Demonstrationen seitens der Regierung in den eigens dafür vorgesehenen Protestparks wurde von Menschenrechtlern scharf kritisiert, und reflektiert im Kleinen, was tagtäglich in großem Ausmaß in China stattfindet. Die zeitweilige Inhaftierung von ausländischen Tibet-Demonstranten und die Behandlung zweier alter Damen, die in Folge ihrer Antragstellung auf eine Demonstration für ein Jahr in ein Umerziehungslager verschickt wurden, zeigt, dass China noch einen langen Weg in Richtung Einhaltung der Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit vor sich hat.
Ein weiteres wichtiges Thema, das die Organisatoren der Olympischen Spiele während der Spiele ausblenden konnten, ist die Frage nach den rückkehrenden Wanderarbeitern und die damit verknüpfte Frage nach der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich. Im Vorfeld der Spiele mussten die etwa drei Millionen Land-Stadt-Migranten, die den Bauboom der Hauptstadt erst möglich gemacht hatten, Peking verlassen und in ihre Heimatstädte zurückkehren. Mit dieser Maßnahme wollte Peking sich als entwickelte und wohlhabende Stadt präsentieren und die existierende Armut kaschieren. Um die Wirtschaft weiter ankurbeln zu können, werden die Wanderarbeiter nach Aufhebung des Baustopps nach Peking zurückkehren. Durch ihre mangelnde Ausbildung arbeiten sie meist in den sogenannten 3-D Jobs (dirty, dangerous, difficult), um sich bei schlechter Bezahlung und ohne Krankenversicherung ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie sind es jedoch, die maßgeblich zu dem enormen Wirtschaftswachstum der boomenden Regionen beigetragen haben.
China hat bewiesen, dass es im Stande ist, ein internationales Großereignis wie die Olympischen Spiele meisterhaft zu organisieren. Damit wollte das Reich der Mitte der Welt zeigen, dass es den Status eines Entwicklungslandes inzwischen hinter sich gelassen hat und mit dem gewonnenen Ruhm ebenbürtig auf dem internationalen Parkett der Weltbühne auftreten kann. Schaut man allerdings hinter den glitzernden Vorhang, dann wird man erkennen, dass noch etliche Fragen für die Zukunft offen geblieben sind.
Tabea Holtz, 28. August 2008