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Einmal im Leben zu den Apostelgräbern

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Sie kamen aus dem Norden über die alten römischen Straßen, die nur noch Wege waren. Sie kamen aus den zuerst christianisierten Ländern England und dem Frankenreich. Ab dem 7. Jahrhundert wurde eine eigene Pilgerstraße angelegt, die „Via Francigena“, die Frankenstraße.

 

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Pilgerstraßen. Via Francigena

 

Auch sie folgte dem Verlauf der antiken Straßen bis in die ewige Stadt. Nach Rom pilgern, bedeutete monatelange abenteuerliche Fußmärsche. Die Hauptpilgerstraße endete auf dem Monte Mario. Von dort oben sahen die ermüdeten Pilger mit Herzklopfen erstmals die Heilige Stadt und die Peterskirche.

 

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Kuppel von Sankt Peter

 

Was führte einen Christen dazu, eine so mühevolle Pilgerreise nach Rom anzutreten? Für viele war es die Sorge um das Seelenheil und das Bedürfnis nach privater Verehrung heiliger Orte, in denen die Apostel Petrus und Paulus gewirkt hatten und wie viele andere Märtyrer für ihren Glauben gestorben waren. Die Sehnsucht, mit eigenen Augen diese Grabstätten zu sehen oder gar zu berühren, stärkte ihren Glauben. Für Andere war die Pilgerreise nach Rom ein Bußgang in der Hoffnung, von Schuld und Sündenstrafen erlöst zu werden. Als Pilger kamen nicht nur einfache Menschen, sondern auch Priester, Bischöfe, Äbte und Adlige, sogar Könige und Kaiser.

 

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Sankt Peter

 

Wie erlebte ein Pilger die Stadt Rom um das 10. Jahrhundert? Man muss sich vorstellen: die Einwohnerzahl war seit der Spätantike auf ca 30.000 gesunken, die Wohngebiete beschränkten sich auf die Bereiche unterhalb der Hügel um den Tiber. Von der Aurelianischen Stadtmauer bis zu den bewohnten Quartieren schlängelten sich Wege über Wiesen und Felder und von Kirche zu Kirche, die verstreut über die Stadt meist isoliert mit ihren hohen Glockentürmen herausragten. Auf dem Weg lagen von Natur überwucherte Ruinen antiker Aquädukte, Thermen, Tempel und Paläste. Aber ein Pilger im Mittelalter nahm Rom nicht als kulturelle Stadt wahr. Er war nicht gekommen, die Antike zu sehen. Daher muss ihm die Heilige Stadt in diesem mysteriösen Miteinander von Natur, antiken Ruinen, Götterstatuen und Kirchen wie ein Traum aus „Tausendundeiner Nacht“ mit großer Anziehungskraft erschienen sein. Schon in der Heimat hatte er von wundersamen Dingen in Rom gehört.

 

Ferner kursierten seit dem 8. Jahrhundert meist von Mönchen verfasste Berichte mit phantasievollen Geschichten, die im 12. Jahrhundert in einem Romführer mit dem Namen „Mirabilia urbis“ festgehalten wurden. Es war das meist übersetzte Buch und wurde in ganz Europa gelesen. Interessant war, dass in diesem Buch nicht das christliche, sondern das antike Rom beschrieben wurde, aufgeladen mit herrlichen spannenden Geschichten wie z.B. die des Kapitols: dort sollen in der Antike 70 Statuen als Repräsentanten der von den Römern beherrschten Völker gestanden haben. Jede der Statuen war mit silbernen Glöckchen behängt, die sofort zu läuten begannen, sobald eine Provinz gegen die Vorherrschaft der Römer rebellierte. Man muss sich also vorstellen, dass sich ein übermüdeter Pilger ständig an der Grenze von Realem und Fabelhaften durch das mittelalterliche Rom bewegte.

 

Im 13. Jahrhundert kam ein mehr christlich ausgerichtetes Buch hinzu, die „Legenda Aurea“. Wie der Name sagt, eine Sammlung legendärer Geschichten zum Leben und Tod bedeutender Heiliger und Märtyrer, um sie in der christlichen Welt bekannt zu machen. Ein Pilger war nicht in der Lage, Legende von Realität zu unterscheiden. Jedenfalls sind darin Beschreibungen von Martyrien mit allerlei Grausamkeiten ausgeschmückt, das Herz eines Pilgers zu berühren, wie zum Beispiel die Geschichte des Oratoriums „San Giovanni in Oleo“ an der Porta Latina. Demnach soll der Evangelist Johannes an dieser Stelle zu Tode gekommen sein, indem man ihn in einen Bottich mit kochendem Öl warf.

 

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Sankt Peter, Palliennische über dem Petrusgrab

 

Aber die religiöse Erwartungshaltung, die innige Sehnsucht eines Pilgers erfüllte sich erst, wenn er in der Peters- und der Pauluskirche ganz nahe am Grab des Apostels stand, zum Gebet niederkniete und einen persönlichen Gegenstand mit dem Grab in Berührung brachte. Die zu besuchenden Kirchen waren angegeben. Obligatorisch war der Besuch der Peters- und Pauluskirche, die Gräber des heiligen Laurentius vor den Mauern und des heiligen Sebastian an der Via Appia Antica, die Kirche Santa Croce in Gerusalemme mit den Kreuzreliquien und San Pietro in Vincoli mit den Kettenreliquien.

 

Wo und wie wurden die Pilger in Rom betreut? Rund um die Peterskirche war seit dem 8.Jahrhundert ein Pilgerquartier mit einfachen Unterkünften entstanden. Diese waren nach Ländern und Sprachgemeinschaften organisiert, für Pilger aus Dalmatien, Griechenland, der Bretagne, Portugal, Flandern, Germanien usw. Meist waren sie mit einer kleinen Kirche verbunden, einer Krankenstation und einem Friedhof, da nicht wenige Pilger dem römischen Fieber oder anderen Krankheiten erlagen. Der neben der Peterskirche gelegene „Campo Santo Teutonico“ lebt in abgewandelter Form als einzige dieser Einrichtungen bis heute fort.

 

Die Pilgerreise nach Rom und der Besitz einer kleinen Reliquie aus der ewigen Stadt hatten immer einen höheren Wert als die anderer Pilgerstätten wie etwa Santiago de Compostela in Spanien. Schon seit dem 5. Jahrhundert hatten die Päpste die „Heiligkeit Roms“ betont und bald danach Rom zur „Heiligen Stadt“ erklärt. Wie war das möglich? Allein Jerusalem durfte diesen Titel beanspruchen. Als aber im 6. Jahrhundert Jerusalem erst in die Hände der Perser und danach der Moslems fiel, wurde die Stadt für die Christen unzugänglich. Nur so konnte die Heiligkeit von Jerusalem auf Rom übergehen und mit den Apostelgräbern von Petrus und Paulus legitimiert werden. Es war genau diese Heiligkeit Roms, die die Pilger über Jahrhunderte anzog. Nach der Rückkehr in ihre Heimat wurden die Pilger zu Multiplikatoren, erzählten von dem wundersamen Rom, der Heiligkeit dieser Stadt, den sagenhaften Ruinen und den eindrucksvollen Kirchen mit den Gräbern der Apostel und Märtyrer.

 

Als Jerusalem 1291 erneut von Moslems eingenommen und damit für die Christen völlig unzugänglich wurde, hatte Papst Bonifaz VIII. die günstige Situation als erster erkannt und genutzt und kam damit gleichzeitig einem tiefen religiösen Bedürfnis der Christen entgegen. Bonifaz führte 1300 in Rom das erste „Heilige Jahr“ (erst unter Alexander VI. wurde es so genannt) ein und lenkte damit den Pilgerstrom gezielt in die ewige Stadt. Für eine Romwallfahrt im Heiligen Jahr, verbunden mit dem Besuch der wichtigsten Gräber und Kirchen erhielten die Pilger jetzt einen schriftlich bestätigten kompletten Ablass ihrer Sündenstrafen. Die Heiligen Jahre fanden zunächst im Abstand von 50 Jahren statt, der bald auf 25 Jahre verkürzt wurde, wie es bis heute Tradition ist. Im ersten Heiligen Jahr sollen 200.000 Wallfahrer aus den europäischen Ländern nach Rom gekommen sein, das Vielfache der Einwohnerzahl. Der Kirche flossen enorme Gelder in Form von Spenden zu (mit Rechen sollen die Geistlichen Tag und Nacht in den Apostelkirchen die Münzen an den Gräbern zusammengekehrt haben). Die Heiligen Jahre führten ab dem 15.Jahrhundert zu einem enormen ökonomischen Aufschwung und bestätigten Rom erneut als Hauptstadt des Christentums.

 

Die Pilger, die seit dem Mittelalter ununterbrochen bis heute in das christliche Rom kommen, wurden selbst Teil der Geschichte Roms. Sie haben Spuren hinterlassen und dazu beigetragen, die Stadt zu transformieren. Sie haben sich dabei selbst verändert und vielleicht zu sich selbst gefunden.

 

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Literatur

 

Andrea Giardina, André Vauchez. Il Mito di Roma 2000

Gudrun Schäfer, Heinz-Jürgen Kliewer(Hrsg.)Italien Traumziel und Wirklichkeit 2001

 

Link: http://francigena-international.org/en_GB/

 

  • Adelaide Trezzini. Kleine Geschichte einer großen Pilgerstraße
  • Plan mit Verlauf der Via Francigena

 

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