Alex Alexiev, Sofia: "Ich bin völlig einverstanden damit, dass der bulgarische Islam historisch ein moderater ist. Ich denke aber, dass es genug Beweise für meine These gibt, dass es in Bulgarien Ansätze für radikalen Islam gibt und dass man sich frühzeitig darum kümmern muss, bevor diese zu bedeutend werden."
Assan Mutek, Moschee Tschepintsi: "Kommt ein Gast zu einem Muslim, ist es seine erste Aufgabe, ihn zu fragen, ob er gegessen hat oder vielleicht hungrig ist. Erst dann geht es um die eigentlich Sache."
Beyadsid Ivan Mollov, Pasardschik: "Im Koran werden die Menschen nicht mit Bösem zum Glauben geladen. Leute werden mit Schönem geladen, mit Liebenswürdigkeit. Das machen wir, nichts anderes."
Efrem Mollov, Smoljan: "Das erste Dokument, das wir mit dem Europäischen Institut Pomak verfasst haben, betrifft die Selbstbestimmung der Pomaken. Wir sagten, wir Pomaken sind ein eigenes Volk, die ersten Muslime in Europa. Niemals sind wir durch etwas anderes gegangen."
Evgenia Ivanova, Sofia: "Der traditionelle Islam in Bulgarien und auf dem Balkan gehört einer der vergleichsweisen moderaten Schulen an. Er enthält eine Vielzahl heidnischer Elemente, die auch die Imame, die nicht richtig ausgebildet worden sind, praktizieren. Die Imame aber mit höherer Bildung akzeptieren diese hinzugefügten Praktiken nicht. Das ist der Unterschied des traditionellen Islams des Balkans und des orthodoxen der arabischen Welt."
Anthony Georgieff, Sofia: "Der katastrophale Schlag, den die Kommunisten mit dem Wiedergeburtsprozess dem Verhältnis der Volksgruppen zugeführt haben, hat tiefe Wunden geschlagen und es wird lange dauern, sie zu heilen."
Hassan Jurukov: "Was sie jetzt im Fernsehen zeigen, Afghanistan, Irak, Syrien, Islamischer Staat und so weiter, was sind das für Menschen. Ich kann sie nicht für Muslime halten. Wie kannst du eine Waffe ziehen und sie auf einen Menschen richten? Allah hat streng verboten, solch eine Tat zu vollbringen."
Hassan Takirov, Momtschilgrad: "Wir waren so lange fern der islamischen Religion, dass bestimmt achtzig Prozent der Leute in ihrer einfachen Sprache beten, wie es ihnen ihr Willen erlaubt, ansonsten fühlen sie sich als ganz normale Bürger, essen Schweinefleisch und trinken Bier. Und jetzt will Bulgarien zeigen, dass wir so tief gläubige Muslime haben, aber das ist gar nicht so. Man muss nur mal sehen, wieviele Muslime demonstrativ Schweinefleisch essen, trinken, beginnen mit Mastika..."
Ibrahim Seyid Raschid, Baschtino: "Vor vielen Jahren habe ich in Sofia gearbeitet. Alle meine Kollegen waren Bulgaren, ich war der einzige Türke. Über Religion haben wir nie gesprochen, auch haben meine Kollegen nie zu mir gesagt, „Du bist Türke, was machst Du hier?“, solche Beleidigungen hat es nie gegeben."
Mustafa Ahmedov, Schumen: "Der Islam sagt, wer einen Menschen tötet, tötet alle Menschen, wer einen Menschen rettet, rettet alle Menschen."
Schaksine M., Pasardschik: "Vor fünf Jahren las ich immer mehr über die Kleider der Muslima und begann, den Vollschleier zu tragen. Damals war es in Pasardschik noch ruhig, alle akzeptierten es, manche meckerten, aber es war nicht so wie heute."
Juliana Metodieva, Sofia: "Stigmatisierst du eine Minderheit ständig als Trägerin schlafender Zellen wird das Resultat sein, dass sich diese Gruppe vor dir verschließt und du den Kontakt zu ihr verlierst. Als Staat wirst du für sie zu einem fremden Faktor."
„Einen Gegensatz zwischen Muslimen und Christen auf religiöser Grundlage hat es nie gegeben“, sagt Fikri Sali, der von 1992 bis 1998 als Bulgariens erster gewählter Großmufti amtierte und auch von 2003 bis 2005 den bulgarischen Muslimen als geistliches Oberhaupt vorstand.
Als Großmufti habe er nie erlaubt, dass sich Muslime Andersgläubigen entgegensetzen. Stets habe er zu Duldsamkeit und Toleranz aufgerufen, versichert Sali, der heute als Berater des amtierenden Großmuftis Mustafa Hadschi wirkt. „Wir möchten zeigen, dass die Muslime in Bulgarien keine Gefahr für die nationale Sicherheit des Landes darstellen. Ganz im Gegenteil; eine Offenbarung unseres Propheten sagt, damit ein Mensch seinen Glauben leben kann, muss er zunächst Liebe zu seiner Heimat empfinden“.
Der Journalist Anthony Georgieff hat zwei Bücher über die bulgarischen Türken veröffentlicht. Bei seinen Recherchereisen durch die sogenannten gemischten Gebiete, in denen Muslime und christliche Bulgaren in Städten und Dörfern zusammenleben, hat er das Verhältnis zwischen ihnen als nachbarschaftlich wahrgenommen. „Manche Nachbarn mögen sich und manche mögen sich nicht. Das ist hier wie überall auf der Welt“, sagt Georgieff. Bestehendes Misstrauen wird seiner Einschätzung nach eher auf politische Ebene geschürt, von manipulativen Politikern, die von Bulgariens eigentlichen Problemen ablenken wollen. „Mit den Muslimen hat das nichts zu tun, sondern mit ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten“.
Dass Bulgariens eigentliches Problem weniger im zwischenmenschlichen Verhältnis der Ethnien und Konfessionen liege als vielmehr in der anhaltenden Wirtschaftskrise, die die soziale Lage für muslimische wie christliche Bulgaren prekär mache, haben uns viele Gesprächspartner gesagt. „Es gibt keine Arbeit hier“, klagt etwa Orhan Jacub, Imam im zentralrhodopischen Ardino. Einen Großteil ihrer jüngeren Bürger habe seine von ethnischen Türken und christlich-orthodoxen Bulgaren bewohnte Stadt an die Emigration ins westliche Europa verloren. Und Jaschar Mustafa, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Ebu Bekir-Moschee in Pasardschick berichtet, auch viele zum Islam übergetretene Roma suchten aufgrund mangelnder Perspektiven im eigenen Land ihr Auskommen in Ländern wie England, Deutschland oder den Niederlanden.
„Es hat im Kommunismus drei, vier schöne Sachen gegeben, die wir in der Demokratie nicht sehen“, meint Jaschar Mustafa und nennt allem voran Arbeit und Gleichheit. „Außer Bulgaren gab es auch noch andere Leute wie Juden und Armenier. Die gibt es jetzt natürlich auch noch. Doch damals waren wir gleich. Manchmal sage ich im Scherz: ´so wie die Deutschen jetzt leben, so haben wir im Kommunismus gelebt: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag bei der Arbeit, Samstag und Sonntag Essen und Trinken, Montag wieder bei der Arbeit.` Was anderes haben wir nicht gemacht“. Natürlich sei die Religionsfreiheit zu „Soz-Zeiten“ eingeschränkt gewesen für Muslime wie für Christen, räumt er ein. Dafür habe es aber mehr Geburten gegeben und für die Kinder eine gute Betreuung. „Ja, die Gehälter waren mit zwei-, dreihundert Lewa minimal, aber das sind sie jetzt auch. In der Demokratie sind wir frei; aber wenn du keine Arbeit hast, deine Familie nicht ernähren und deine Kinder nicht bilden kannst, was nützt dir dann, dass du sagen kannst, was du denkst?“.
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