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„BRICS Plus“ - Kurzanalyse Nahost und Nordafrika

Vier der sechs potenziellen neuen BRICS-Mitglieder - Ägypten, Saudi-Arabien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) - gehören zur Region Naher Osten und Nordafrika. Die Beweggründe dieser vier Länder für den Beitritt zu BRICS sind divers: Während es Ägypten, Saudi-Arabien und den VAE vornehmlich um den Ausbau ihrer wirtschaftlichen Partnerschaften geht, bedeutet die Mitgliedschaft in der BRICS-Gruppe für den Iran einen Weg aus der wirtschaftlichen und politischen Isolation. Einige weitere Länder der Region wie Bahrain, Kuwait, Algerien, Sudan und die Palästinensischen Gebiete haben Beitrittsanträge gestellt. Während Ägypten, die VAE und Iran zum 1. Januar 2024 offiziell beigetreten sind, zögert Saudi-Arabien noch, die Einladung zum Bündnis offiziell anzunehmen.

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Ägypten - geostrategische Multipolarität 

In Ägypten machen offizielle ägyptische Stellen kein Geheimnis aus ihrem Interesse nach einer geostrategischen Multipolarität. Während die Europäische Union (EU) wichtigster Wirtschaftspartner Ägyptens ist und man an engen politischen Beziehungen zur EU und ihren Mitgliedstaaten interessiert bleibt, ist die ägyptische Regierung an einer Diversifizierung ihrer Außenpolitik stark interessiert. Für die sicherheits- und stabilitätsgeleitete ägyptische Außenpolitik mit ihrer traditionell engen militärischen US-Kooperation gilt eine BRICS-Mitgliedschaft als logische Erweiterung ihres neuen Ansatzes der Diversifizierung und Loslösung von einseitigen Abhängigkeiten. Die Mitgliedschaft wird pragmatisch als ökonomische Chance für neue Handels- und Wirtschaftsbeziehungen wahrgenommen. Ägypten verspricht sich durch eine BRICS-Mitgliedschaft vor allem einen erleichterten Zugang zur BRICS-Entwicklungsbank und die mittelfristige Überwindung der Abhängigkeit vom US-Dollar bei internationalen Handelsgeschäften. Man möchte Teil einer möglicherweise neuen einflussreichen geopolitischen Struktur sein, ohne jedoch bestehende Verbindungen zum Westen notwendigerweise zu gefährden oder zu beenden. Zudem gehe man davon aus, dass eine BRICS-Mitgliedschaft auch die USA animiere, erneut um die Gunst Ägyptens zu buhlen und man dadurch erneut in eine positivere strategische Ausgangslage als umworbener Akteur in der Region gerate. 

Für Ägypten sind vor allem die VAE inzwischen ein geoökonomisch bedeutender Partner, da sie neun Prozent der ägyptischen Auslandsschulden tragen. Zudem ist die äthiopische Aufnahme in die BRICS auch geopolitisch von Relevanz für Ägypten, da die beiden Staaten im Rahmen des Nilstaudammprojekts seit Jahren einen Interessenskonflikt um Wasserressourcen austragen. Sollte die BRICS zu einer Dialogplattform zur Bewältigung dieses vielschichtigen Konflikts zwischen Ägypten und Äthiopien werden, würde ihr ein wichtiger diplomatischer Coup gelingen. In Ägypten jedenfalls wird vor allem ein größeres wirtschaftspolitisches Gewicht der erweiterten BRICS erwartet und eine zunehmende geopolitische Bedeutung perspektivisch nicht ausgeschlossen. 

 

Iran – Wege aus der Isolation 

Von der iranischen Regierung wird die BRICS als anti-westliche Allianz und Gegenmodell zur westlichen Welt wahrgenommen. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi sieht in der Aufnahme seines Landes in die BRICS eine Chance, den Iran stärker in den Welthandel einzubinden und US-Wirtschaftssanktionen zu entkommen. Hinter dem Versuch der BRICS, „den Dollar in Handels- und Wirtschaftsgeschäften zwischen ihren Mitgliedstaaten loszuwerden und zusätzlich dazu von [Transaktionen in] einheimischen Währungen zu profitieren“, steckt aber ein tieferes geopolitisches Kalkül: Die Errichtung eines alternativen Finanzsystems, mit der sich die (Finanz-)Macht der USA zurückdrängen lässt. Iranische Medien gehen davon aus, dass eine erweiterte BRICS die USA „entwaffnen“ wird – also an Macht gegenüber westlichen Akteuren gewinnt. Die Hoffnung in Teheran ist vor allem, dass die erweiterte BRICS wirtschaftlich so an Gewicht gewinnt, dass auch die stark sanktionierte Islamische Republik künftig ökonomisch profitieren könnte – auch wenn offizielle Vertreter noch zurückhaltend sind und befürchten, finanzielle Gewinne könnten aufgrund der Zurückhaltung einiger BRICS-Mitglieder eher gering ausfallen. Nichtsdestotrotz wird ein klarer Prestigegewinn für die BRICS gesehen. Der Iran sieht in seiner BRICS-Mitgliedschaft einen möglichen Weg, die Auswirkungen der amerikanischen Wirtschaftssanktionen auf Iran zu mildern. Innenpolitisch sehen Anhänger Raisis die Aufnahme des Irans in die BRICS-Allianz als Bestätigung des außenpolitischen Kurses des Präsidenten, der eine härtere Gangart als sein moderaterer Vorgänger, Hassan Rouhani, gegenüber dem Westen angeschlagen hat. 

 

Saudi-Arabien – geopolitischer Balanceakt 

Saudi-Arabien sieht die BRICS nicht als anti-westliches Gegenmodell, sondern will seine Beziehungen diversifizieren und dabei die BRICS-Mitgliedschaft als eine von mehreren komplementären Partnerschaften führen. Dass das Königreich die Einladung der BRICS bisher noch nicht angenommen hat – wohl aber annehmen wird – zeigt, dass Riad umsichtig beim Aufbau neuer Kooperationen vorgeht und gleichzeitig seine traditionellen Partnerschaften, vor allem die zu den USA, nicht opfern möchte. Die saudische Regierung stellt die BRICS-Mitgliedschaft daher auch eher als eine praktische Kooperation dar. In der Öffentlichkeit und den staatsnahen Medien überwiegt hingegen die Überzeugung, dass es sich bei der Erweiterung der BRICS um eine größere geopolitische Verschiebung handelt. Dabei wird besonders die wachsende Bedeutung des BRICS-Blocks im Vergleich zu den G7 und eine mögliche Abkehr von der bislang unumstrittenen Hegemonie des US-Dollars im Welthandel hervorgehoben. Das Königreich geht mittelfristig davon aus, dass die BRICS wirtschaftlich an Gewicht gewinnen wird. Umgekehrt weiß Saudi-Arabien aber auch um seine eigene Bedeutung in einer erweiterten BRICS – zum Beispiel wären saudische Einlagen ein Gewinn für die New Development Bank und die Zahlungsabwicklung in lokalen Währungen hätte beim Mitwirken des weltgrößten Ölexporteurs Auswirkungen auf die Mineralstoffmärkte. Außenminister Prinz Faisal bin Farhan betonte beim Gipfel in Johannesburg daher auch die Wichtigkeit Saudi-Arabiens im Hinblick auf seine Rolle als Energieproduzent und auf die strategische Lage des Königreichs am Kreuzungspunkt von drei Kontinenten und wichtigen Wasserstraßen für den Welthandel. Dieses Gewicht möchte Saudi-Arabien zur Mitgestaltung im Rahmen der BRICS künftig nutzen. Durch den Aufbau eines zusätzlichen politischen Standbeins will Riad gleichzeitig aber auch seinen Einfluss bei angestammten Partnern, gerade in Washington, vergrößern. 

 

Vereinigte Arabische Emirate - ausbalancierte strategische und wirtschaftliche Beziehungen 

Die BRICS wird von Abu Dhabi eher als Ausdruck einer multipolaren Weltordnung verstanden, denn als Gegenpol zum Westen. Die emiratische Führung möchte nicht, dass die Aufnahme des Landes im Westen als Provokation betrachtet wird, sondern als logisches Ergebnis des multipolaren Ansatzes seiner Außenpolitik, welche die Zusammenarbeit mit allen Partnern sucht. Dieser Ansatz wurde im Kontext der Aufnahme der VAE in die BRICS von Außenminister Abdallah bin Zayed Al Nahyan in seinem Verweis auf die Wichtigkeit des Pflegens von ausbalancierten strategischen und wirtschaftlichen Beziehungen betont. Während wirtschaftliche Interessen, vor allem engerer Handel, Austausch und Konnektivität mit den BRICS-Mitgliedern eine herausgehobene Rolle in der Außenwirtschaftsstrategie der VAE spielen, wollen sich die Emirate aber auch generell als strategischer Knotenpunkt zwischen verschiedenen Polen der internationalen Politik positionieren. Ein Beitritt zur BRICS ist in diesem Zusammenhang daher auch ein geopolitisches Vehikel und wird in jedem Fall als positive Entwicklung für das Land gesehen. Im Gegensatz zu Saudi-Arabien erteilten die VAE eine schnelle Zusage als Antwort auf die Einladung zur BRICS. Wirtschaftlich antizipiert das Land einen einfacheren Zugang zu den Märkten der Mitgliedstaaten und politisch kommt es seinem außenpolitischen Ziel, Multipolarität zu ermöglichen, näher. 

Insgesamt wird die BRICS-Erweiterung in der Region aufmerksam verfolgt. Allgemein lässt sich feststellen, dass eine grundsätzliche geopolitische Verschiebung und eine Schwächung des Westens wahrgenommen werden. Die BRICS-Erweiterung wird als weiterer Meilenstein in der Entstehung einer neuen globalen Ordnung interpretiert.

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Dr. Thomas Volk

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Abteilungsleiter der Abteilung „ Naher Osten und Nordafrika“

thomas.volk@kas.de
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Magdalena Jetschgo-Morcillo

Magdalena Jetschgo-Morcillo bild

Referentin Entwicklungspolitik

magdalena.jetschgo@kas.de +49 30 26996-3866 +49 30 26996-53796

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