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Fernsehansprache von DDR-Ministerpräsident Dr. Lothar de Maizière am 2. Oktober 1990 (Auszug)

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Es ist ungewöhnlich, dass sich ein Staat freiwillig aus der Geschichte verabschiedet. Ebenso ungewöhnlich und widernatürlich war aber auch die Teilung unseres Landes.

In wenigen Stunden tritt die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland bei. Wir Deutschen erreichen die Einheit in Freiheit. Ich glaube, wir alle haben Grund, uns zu freuen und dankbar zu sein. Wir lassen ein System hinter uns, das sich demokratisch nannte, ohne es zu sein. Seine Kainszeichen die Unfreiheit des Geistes und das verordnete Denken, Mauer und Stacheldraht, der Ruin der Wirtschaft und die Zerstörung der Umwelt, die ideologisch kalkulierte Gängelung und das geschürte Misstrauen.

An die Stelle dieser Tyrannei sind Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenwürde getreten.

Unser Weg in die Freiheit war nicht gefahrlos und war nicht unumstritten. Wir danken denjenigen, die unbeirrt ihren Weg gingen und ihren demokratischen Willen furchtlos zum Ausdruck brachten. Da sie sich von der Angst befreit hatten, konnten sie auch die Freiheit erzwingen.

Wir wissen, dass wir diesen Weg nicht ohne das neue Denken in der Sowjetunion und ohne die Unterstützung unserer Nachbarn im Osten hätten gehen können. Wir danken den heutigen Tag auch dem Verständnis der Vier Mächte und ihrer Verständigungsbereitschaft, die für die Deutsche Einheit Voraussetzung war.

Wir sind jetzt Bürger eines gemeinsamen deutschen Staates, und mit der Länderbildung, die sich in wenigen Tagen vollzieht, werden wir gleichzeitig wieder Bürger von Thüringen und Sachsen, von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sein. Wir können uns wieder auf die Kräfte besinnen, die aus der Geschichte und den Traditionen dieser Länder herrühren. Das Diktat des Zentralismus mit seinen ortsfernen Entscheidungen und die Auszehrung des übrigen Landes finden endlich ihr Ende. Und, so will es der Einigungsvertrag, das geeinte Berlin wird Hauptstadt Deutschlands sein. Mit der Einheit in Freiheit wird Wirklichkeit, was viele kaum mehr für möglich hielten. Die 40-jährige Teilung unseres Landes ist überwunden, und das ganze Europa kann wieder zusammen finden.

Die Geschichte der letzten 4 Jahrzehnte ist trotz aller Widersprüche und Belastungen ein Teil unserer persönlichen Biografie, ein Stück unseres gewachsenen Ichs. Sie hat uns geprägt, und sie hat fast allen große Anstrengungen abgefordert. Dies schuf auch ein Gefühl von Identität und bei denen, die bewusst hier bleiben, eine Gemeinsamkeit, die zurückzulassen manchem schwer fallen wird. Wir wollen die Einheit, auch wenn nicht alle diesen Übergang heute mit leichtem Herzen erleben.

Ich weiß, dass nicht alle sorgenfrei in die Zukunft blicken. Die neue Währung, die Neuordnung der Wirtschaft und die Einführung der neuen politischen Strukturen bringen naturgemäß viele Schwierigkeiten mit sich....

Die Deutsche Einheit ist mit dem Beitritt nicht abgeschlossen. Sie ist und bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe aller Deutschen. Sie ist nicht nur eine materielle Frage, sondern eine Frage des praktizierten Gemeinsinns. Die Einheit will nicht nur bezahlt, sondern auch mit dem Herzen gewollt sein.

Zur Überwindung der Teilung gehört auch die Korrektur von Pauschalurteilen, auf beiden Seiten. Sie haben ihren Grund in der Unkenntnis voneinander und oftmals in mangelndem Einfühlungsvermögen. Wir wissen sehr wohl, was die Vergangenheit uns angetan hat. Wir wollen sie hinter uns lassen. Wir wollen die Vergangenheit nicht verdrängen, und wir haben sie ehrlich und verantwortungsvoll aufzuarbeiten. Aber sie darf nicht auch noch unsere Zukunft teilen.

Wir stehen am Beginn einer neuen Zeit. Wir haben allen Grund, mit Freude und Zuversicht in die Deutsche Einigung zu gehen. Unsere Probleme sind vergleichsweise gering, wenn man sich die Lebensumstände unserer Nachbarn in Osteuropa und die Ereignisse in der übrigen Welt vergegenwärtigt....

In der Geschichte sind wir Deutschen so manchen Irrweg gegangen. Dies geschah oft in bewusster Konfrontation mit unseren Nachbarn. Es ist ein Glücksfall der Geschichte, dass wir heute die Einheit Deutschlands friedlich und in gutem Einvernehmen mit unseren Partnern und Nachbarn vollenden können.

Wir wollen Freiheit und Einheit zum Wohle aller nutzen.

(abgedruckt in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 05.10.1990)

Quelle: Karin Lau/Karlheinz Lau: Einheit in Frieden und Freiheit. Dokumente der Wiedervereinigung Deutschlands. Braunschweig 1991

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