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Karl der Große. Wegbereiter des christlichen Europas
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Rom im Jahre 800. Weihnachtsmesse in der Peterskirche. Der Frankenkönig Karl kniete betend am Petrusgrab vor dem Hauptaltar. Bevor er sich erhob, setzte ihm Papst Leo III. die Krone aufs Haupt und ernannte ihn zum Kaiser des römischen Reiches. Das versammelte Volk applaudierte. Mit dieser Krönung hatte das Abendland seit der Nachantike erstmals einen eigenen Kaiser, Karl Imperator Augustus, Kaiser des Römischen Reiches.
Noch heute erinnert die dunkelrote Porhyrscheibe im Fußboden der Peterskirche nahe des Eingangs an dieses Ereignis. Auf ihr kniend soll Karl die Kaiserkrone empfangen haben. Auch die monumentale barocke Reiterstatue, links in der Vorhalle der Peterskirche, hält die Erinnerung an Kaiser Karl wach. Warum die Kaiserkrönung und was war ihr vorausgegangen? Alles, was wir aus zeitgenössischen Quellen wissen, stammt aus der Feder des Mönches Einhard, der mit der Aufgabe des kaiserlichen Biographen beauftragt war. Einhard bewunderte den Kaiser sehr und machte aus ihm einen Helden. Da er das Leben Karls erst zwanzig Jahre später niederschrieb, kann man davon ausgehen, dass er schon Manches vergessen hatte und wie man heute weiß, für viele Legenden verantwortlich ist.
Schon Karls Vater Pippin hatte 753 einen Bund mit dem Papst geschlossen. In der Klosterkirche Saint Denis in Paris hatte Papst Stephan II. Pippin und seine beiden Söhne gesalbt. Das stärkte die Stellung des Frankenkönigs und legitimierte seine Dynastie. Der König hatte als Gegenleistung die „Konstantinische Schenkung“ anerkannt und damit den territorialen Besitz der Kirche bestätigt. Auch hatte der König das Versprechen gegeben, das Papsttum zu schützen. Der Papst behielt sich dafür die Kaiserkrönung in Rom vor und dies blieb so bis 1452.
Beim Tode seines Vaters Pippin 768 war Karl 21 Jahre alt. Wie ein zweiter Alexander der Große eroberte er in kurzer Zeit halb Europa. Die Gebiete seines Bruders Karlmann fielen ihm zu, als dieser auf mysteriöse Weise zu Tode kam. Papst Hadrian I. hatte 773, also nur wenige Jahre später, den Frankenkönig Karl zu Hilfe gerufen, er solle die arianischen Langobarden vertreiben, die seit dem 6. Jahrhundert in Italien eingewandert waren und jetzt das katholische Rom bedrohten. Karl besiegt sie in ihrem Hauptsitz in Pavia und war ein Jahr später König der Franken und Langobarden. Dieses erweiterte Frankenreich wurde in seiner geografischen Ausdehnung die Basis für das moderne Europa. Es war kein Nationalstaat, sondern ein Miteinander verschiedener Völker unter der Autorität des Frankenkönigs. Das einzige Band der Einigung, das im Reich eine starke Identität schuf, war die christliche Religion. Karl fühlte sich dem Versprechen seines Vaters Pippin verpflichtet, das Papsttum und die römische Kirche zu schützen und zu verteidigen. Weniger mit Glauben als mit dem Schwert christianisierte er die arianischen Langobarden in Italien und die heidnischen Sachsen in Germanien.
Ein Jahr vor Karls Kaiserkrönung 800 in Rom war der neue Papst Leo III. knapp einem grausamen Attentat durch römische Adelskreise entkommen und in ein Kloster gesperrt worden. Der erniedrigte Papst flüchtete mit Hilfe von Vertrauten zu König Karl nach Paderborn und bat um Schutz und Hilfe. Ein Geleit der königlichen Truppen brachte Leo III. nach Rom zurück. Die darauf folgende Kaiserkrönung Karls durch Leo III. in der Peterskirche war der Dank von päpstlicher Seite. Mit dieser neuen Allianz von Kaiser und Papst war der Kaiser in Konstantinopel als bisheriger alleiniger Schutzherr der römischen Kirche definitiv abgelöst. Kaiser Karl fühlte sich ab jetzt dem Kaiser im oströmischen Reich ebenbürtig.
Unter dem Einfluss von Mönch Alkuin, seinem vertrauten Berater, setzte sich Kaiser Karl in seinem Reich für die Erziehung und Bildung der jungen Menschen in Klosterschulen ein. Die Förderung von Kunst führte zur „karolingischen Renaissance“, einer Wiederbelebung der römisch antiken Kunst, die in Verbindung mit der einheimisch germanischen zu einem neuen Formenschatz verschmolz.
Kaiser Karl der Große, der sich in jeder Hinsicht als Nachfolger der römischen Kaiser sah, richtete dennoch sein Machtzentrum nicht in Rom, sondern in Germanien, in Aachen ein. Neben der grandiosen kaiserlichen Residenz lag die Pfalzkapelle, ganz nach dem Vorbild der Kirche San Vitale in Ravenna (5.Jh.). Den gesamten Komplex nannte er sein „Palatium“, genau wie den Hügel in Rom, dem Sitz der römischen Kaiser. Von dem römischen Palatin leitet sich auch der Begriff Pfalz im Sinne von Herrschersitz ab. Für den christlichen Kaiser war es selbstverständlich, Herrschersitz und Kirche eng zu verbinden. Im Bau seiner Aachener Kaiserpfalz verschmolzen oströmische und weströmische Bauformen. Für die künstlerische Ausstattung bedienten sich Karl und seine Nachfolger auch ohne päpstliche Erlaubnis mit kostbarem Material aus Italien. Aus Rom und Ravenna kamen wertvollste Kunstwerke, Säulen, Kapitelle, bunte Marmorplatten. Der kaiserliche Thron war aus solchem Marmor zusammengesetzt.
Das Prunkvollste aber war der marmorne Sarkophag, in dem Kaiser Karl bei seinem Tode 814 bestattet wurde und bis zu seiner Heiligsprechung 1165 ungestört darin begraben lag. Ein Werk von solch imperialen Dimensionen hatte man in Aachen noch nie gesehen. Genau diese Analogie zu den römischen Kaisern hatte Karl angestrebt. Mühevoll hatte er den tonnenschweren Marmorsarkophag aus dem frühen 3. Jahrhundert aus Rom über die Alpen nach Aachen schleppen lassen (heute im Dom Museum in Aachen). Aus weiteren guten Gründen hatte er genau diesen Sarkophag ausgewählt, denn er ist mit einem Hochrelief dekoriert, das einen der schönsten und bedeutungsvollsten Mythen darstellt: den „Raub der Proserpina“, wie ihn Ovid überliefert hat.
Pluto, der Gott der Unterwelt, war auf Sizilien aufgetaucht. Da sah er Proserpina, ein junges Mädchen, die Blumen pflückte. Pluto sah sie, liebte sie, raubte sie und nahm sie mit in die Unterwelt. Die verzweifelte Mutter Demeter, Schutzgöttin der Natur, erreichte durch Bitten bei Zeus, dem Vater Proserpinas, dass die Tochter sechs Monate des Jahres bei Pluto in der Unterwelt und sechs Monate auf die Erde verbringen sollte. Der Mythos vom Raub der Proserpina ist ein Sinnbild für den Rhythmus der Natur, für das Werden und Vergehen, für das Leben und Sterben. Im Herbst, wenn Proserpina zu Pluto in die Unterwelt geht, trauert die ganze Natur mit ihr und stirbt ab. Kommt Proserpina im Frühling wieder auf die Erde, freut sich die Natur und sprießt und lebt. Dieser Mythos war in der antiken Grabmalsdekoration sehr beliebt. Später wurden im christlichen Rom antike Sarkophage mit diesem Thema bevorzugt von der Oberschicht wieder benutzt, weil sich die Botschaft des Mythos mit dem christlichen Gedanken der Wiederauferstehung verbindet. In diesem Sinne hatte sich der christliche Kaiser Karl einen römischen Sarkophag mit diesem trostvollen Mythos gewünscht und damit zu einem bedeutenden Kulturtransfer beigetragen.
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Literatur
Richard Faber. Das ewige Rom 2000
Dieter Hägermann. Karl der Große 2003
Johannes Fried. Karl der Große, Kriegsherr als Erneuerer von Wissen und Gelehrsamkeit 2013
Ders. Karl d.Gr. Gewalt und Glaube 2014
Stefan Weinfurter. Karl der Große. Der Heilige Barbar 2013
Goethes Gedicht zu ‚Proserpina’
Filme- DVD
Karl der Große. Der komplette Historien Dreiteiler
Carlo Magno. Padre dell’ Europa