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Gut genug ist besser als perfekt

Eltern und Erziehung nicht nur in Quarantäne-Zeiten

Die Corona-Krise stellt Familien auf eine harte Probe. Dies gilt insbesondere für Eltern, die einen hohen Anspruch an sich und ihre Erziehung stellen. Dabei ist weniger Perfektion oft mehr. Warum das so ist, zeigt ein Blick auf internationale Forschungsergebnisse.

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Niemals wollten Eltern so perfekt sein wie heute. Ihr Ziel ist, ihrem Kind eine glückliche Kindheit und Jugend zu ermöglichen. Umfragen zeigen, dass die junge Generation mit der Art und Weise ihres Aufwachsens tatsächlich oft glücklicher und zufriedener ist als frühere Generationen. Aber Eltern zahlen dafür einen hohen Preis: Zeit für die eigene Person und für die Partnerschaft kommen zu kurz. Gerade in Corona-Zeiten, die einhergehen mit Homeoffice für Eltern und gleichzeitiger Betreuung der Kinder, werden Erziehungs- und Beziehungsfähigkeiten auf eine harte Probe gestellt. Latente Ängste werden verstärkt: Wird mein Kind die Bildungsrückstände aufholen? Wie sichere ich das Glück meines Kindes in angespannten und nicht selten auch räumlich beengten Situationen? Oft sehen Eltern sich als „Architekten“ ihres Kindes, und denken, dass nur „Star-Architekten“ einem Kind gerecht werden. Dieser Glaube an Alleinverantwortlichkeit und die Suche nach Perfektion ist unrealistisch und belastend. Auf der Suche nach Perfektion verlieren Eltern ihre Lebensfreude und Energie, zumal auch berufliche Herausforderungen, Haushalt, soziale Netzwerkpflege oder die Begleitung der Großeltern hohe Ansprüche stellen.

„Perfekte Eltern sind ein Mythos“, sagt die amerikanische Professorin und Familientherapeutin Catherine Pearlman. Eltern können gar nicht perfekt sein. Warum? Weil sie Menschen sind, genau wie ihr Kind. In ihrer zwanzigjährigen Arbeit mit Familien, so Pearlman, habe sich das Prinzip des „good-enough parenting“ am besten bewährt. Erkannt wurde es durch den Londoner Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald Winnicott (1896-1971), der perfekte Erziehung und perfekte Eltern nicht nur für unmöglich, sondern auch nicht für erstrebenswert hält: „Good enough parents are better than perfect parents“. Der bedeutendste Wegbereiter internationaler Kinderpsychotherapie hält es bei nicht mehr ganz kleinen Kindern für weitaus besser, wenn sie angemessen - gut genug - erzogen werden. Eltern, die heranwachsenden Kinder jeden Wunsch und jedes Bedürfnis erfüllen, lassen ihnen oft zu wenig Raum für die Entwicklung zunehmender Unabhängigkeit und für eigene Erfahrungen. Weniger perfekte Eltern lassen zu, dass ihr Kind kleine Schwierigkeiten und Enttäuschung zu bewältigen lernt, so Winnicott. „Good-enough parenting“ heißt, dass wir den kleinen Fehler und Begrenzungen unseres Eltern- und Menschseins Raum lassen.

In der internationalen Familienforschung wird seit vielen Jahren erforscht, was Eltern benötigen, um „gut genug“ zu sein. Demnach spielen nicht nur Kenntnisse, Ressourcen und Zeit eine Rolle, sondern vor allem die Motivation. Sie betrifft die Wünsche und konkreten Handlungen für die gute Entwicklung eines Kindes. Motivation gilt als die zerbrechlichste aller Voraussetzungen guter Elternschaft. Dies lenkt den Blick auf Eltern selbst: Woraus schöpfen sie Motivation, wo liegen Kraftquellen? Insgesamt 3,7 Millionen kleine Kinder werden derzeit deutschlandweit zu Hause betreut. In Berlin wird die Wiederaufnahme der Kinderbetreuungsinstitutionen erst zum 1. August hin erwogen. Wie können Eltern ihre Motivation erhalten? „Elternwohl fördert Kindeswohl“ ist das Motto des Family and Childcare Trust in Großbritannien, der leitenden Organisation für praxisorientierte Familienforschung und -unterstützung. Eltern sollten überlegen, was ihnen guttut. Vielleicht ist es ein kleiner Ruhe- und Rückzugsraum nur für sich allein. Nach einem anstrengenden Tag kann es guttun, sich abends drei Dinge zu überlegen, die einem Freude bereitet haben. Wichtig kann auch sein, nervenzehrenden Telefonaten in der Freizeit freundlich aber bestimmt Grenzen zu setzen, denn zu Hause zu sein bedeutet keineswegs ständige Verfügbarkeit. Gerade mit Kindern in der Trotzphase oder der Pubertät ist es gut, manchmal bewusst über kleinere Verfehlungen hinweg zu schauen– das verschafft Eltern eine Pause in nicht enden wollenden Machtkämpfen. Das Kind erhält dadurch den Raum, sein Verhalten selbst zu verbessern - und Erziehende können tief durchatmen. Und: Eltern die wissen, dass weder sie selbst noch ihr Kind perfekt ist bleiben auch bei der Kombination von Homeoffice und Home-Schooling möglicherweise gelassener.

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Elisabeth Hoffmann

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Jugend und Familie

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