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Nachruf

Der „intellektuelle Tausendsassa“ im Umfeld von Helmut Kohl

Nachruf auf Wolfgang Bergsdorf

 

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Auf den ersten – oberflächlichen - Blick sieht die Karriere von Wolfgang Bergsdorf, um den die Konrad-Adenauer-Stiftung trauert, aus wie der typische Werdegang jener Wegbegleiter von Bundeskanzler Helmut Kohl, die zu seinem inneren Beraterkreis gehört haben. Dazu zählt zunächst die Tatsache, dass Wolfgang Bergsdorf früh, zu den rheinland-pfälzischen Zeiten, in den Dunstkreis des Politikers geriet. Dem war der junge Mann mit dem ebenso ausgeprägten Hang zum Journalismus wie zur Wissenschaft und mit großer Sympathie für die Kulturpolitik, der nach seiner Tätigkeit als Wissenschaftsreferent des Kuratoriums Unteilbares Deutschland in den turbulenten Tagen der 1968er kulturpolitischer Referent der Bundes-CDU geworden war, schnell als kluger und fundierter Öffentlichkeitsarbeiter aufgefallen und er berief den Stellvertretenden Leiter der Presseabteilung der CDU zunächst zum Pressereferenten „seiner“ rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Bonn und dann 1973 zum Leiter seines Büros als Bundesvorsitzender der CDU. Nach der Wahl Kohls zum Kanzler wurde Wolfgang Bergsdorf zum Leiter der Abteilung Inland im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Das mag schon damals vergleichsweise glanzlos geklungen haben, aber Bergsdorf gehörte immer zur engeren Morgenrunde des Kanzlers und zu jenen, die für Ihre Loyalität bekannt waren und stets direkten Zugang zu ihm hatten und die damit auch in gewissen Ausmaßen Einfluss auf die Politik des Kanzlers genommen haben. Einfluss hat er dann später auch im Feld der Kulturpolitik genommen, in dem Helmut Kohl, anders als  die Berichterstattung ihn portraitiert hat, so viele Akzente gesetzt hat, wie kaum ein Kanzler vor und nach ihm. Als Wolfgang Bergsdorf 1993 Leiter der Abteilung für Kultur und Medien im Bundesministerium des Inneren wurde, zog er gemeinsam mit dem damaligen Staatsminister im Kanzleramt, Anton Pfeiffer, viele entscheidende kulturpolitische Fäden für den Kanzler.

Was nun aber Wolfgang Bergsdorf zu einem besonderen Vertreter dieser Art der loyalen „Mitreisenden“ des Vollblutpolitikers Helmut Kohl gemacht hat, das hat der FAZ-Herausgeber Günther Nonnenmacher bereits 1988 sehr treffend in einer Rezension der zahllosen Bücher von Wolfgang Bergsdorf zum Ausdruck gebracht. Er gehöre zu einer „raren Spezies: seine Tätigkeit zieht ihn unweigerlich in den Strudel der Bonner Politik, doch er hält den Kopf über der Wasseroberfläche, um zu studieren, wie die Wirbel um ihn herum zustande kommen und wirken“. Damit spielt Nonnenmacher auf die Tatsache an, dass Wolfgang Bergsdorf seinem Selbstverständnis als Intellektueller und als leidenschaftlicher Wissenschaftler auch als Teil des Politikbetriebes in der damaligen Bundeshauptstadt treu geblieben ist.

Mit seiner Habilitation „Herrschaft und Sprache“, für die er 1984 den renommierten Theodor-Eschenburg-Preis erhält, erarbeitet er ein wissenschaftliches Standardwerk zu den Risiken und Chancen der politischen Kommunikation. Dieses Thema bleibt für den intellektuellen Tausendsassa Bergsdorf, der immer auch in anderen wissenschaftlichen Teichen gefischt hat, von der Deutschlandpolitik bis zur Europapolitik und der sich auch als Mitarbeiter Kohls immer seine eigene analytisch-kritische Meinung bewahrt hat, wertvolles Steckenpferd. Und vieles, was Wolfgang Bergsdorf damals gesagt hat, mutet geradezu schmerzhaft aktuell an. Weil sich Herrschaft anders als vormals in den Monarchien in der freiheitlichen Demokratie nicht durch prächtige Gebäude manifestiere, sondern durch sprachliche Konstruktionen, sei die politische Kommunikation inzwischen das wichtigste Instrument der politischen Führung, mit allen Gefahren, etwa dass Sprache dadurch „formelhaft, ungenau, gefällig“ werde. Meinungsumfragen hat er nicht verdammt, sondern als wichtige Informationsquelle für den Politiker gesehen, die ihn aber dazu verführen könnten, sich von populistischen Strömungen mittragen zu lassen und gleichzeitig durch kräftiges Rudern „Meinungsführerschaft“ zu demonstrieren. Stattdessen verlangt Bergsdorf – wohlgemerkt bereits in den 1980ern vor der Deutschen Wiedervereinigung – den Politikern die heroische Anstrengung ab, „dem Zeitgeist furchtlos ins Auge zu blicken, ohne sich ihm zu opfern, sensibel die intellektuellen und mentalen Grundströmungen zu beobachten, fest zu sein im Ansteuern des Zieles, flexibel in der Wahl der Wege dorthin, unbeirrbar das Wohl des Ganzen über die Interessen der Teile zu stellen.“ Dieses Zitat zeigt, dass Wolfgang Bergsdorf immer als zutiefst überzeugter Christ auch daran geglaubt hat, dass Politik, die von fehlbaren Menschen gemacht wird, dennoch auch moralischen Prinzipien zu folgen habe. Eine Demokratie, das hat er bei einem seiner letzten Vorträge angesichts des Erstarkens der politischen Ränder und der Erfolge der AfD betont, müsse „mental verankert sein“. Dass das heute angesichts der Vielzahl von Kommunikations- und Meinungskanälen nicht leichter geworden ist, hat ihn bis zu seinem Tod umgetrieben.

Sein Wissenschaftsverständnis war immer vom Humboldtschen Ideal der Einheit von Forschung und Lehre geprägt, der „Elfenbeinturm“ war ihm persönlich fremd. Entsprechend ernst hat er seinen „Nebenberuf“ als Lehrbeauftragter und dann auch als außerplanmäßiger Professor am Politischen Seminar der Universität Bonn, an der er selbst studiert hatte, genommen. Seine Seminare waren regelmäßig völlig überlaufen, weil sein Themenkanon so viele Studentinnen und Studenten gereizt hat. Als er vom Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel, der ihn ebenfalls sehr geschätzt hat, im Jahr 2000 zum Präsidenten der wiederbegründeten Universität Erfurt gemacht wurde, war ihm ebenfalls nicht nur die Exzellenz der Lehre wichtig, sondern dass diese Universität kein Fremdkörper in der Landeshauptstadt bleibt und bei den Bürgerinnen und Bürgern über öffentliche Vorlesungen im wahrsten Sinne des Wortes ankommt. Nach der Zeit in Erfurt führte er für acht Jahre die traditionsreiche Görres-Gesellschaft und setzte auch hier wertvolle Akzente für die Wissenschaft.

Der Journalismus, der ganz am Anfang seines beruflichen Lebens stand, hat ihn zeitlebens nicht losgelassen. Auch das ist ein Kunststück, das nur wenigen gelingt: Im öffentlichen (Regierungs)Amt zu verbleiben und dennoch in zahlreichen Zeitungsbeiträgen die Zeitläufte zu betrachten. Bereits 1994 wurde er zum Mitherausgeber des Rheinischen Merkur, den er mit zahlreichen eigenen Kolumnen bereichert hat. Mit der Konrad-Adenauer-Stiftung verbindet er sich eng über seine Tätigkeit für die „Politische Meinung“, die sich seit 1976 ebenfalls fast durch sein ganzes Berufsleben zieht. 1998 übernimmt er die Chefredaktion der Monatszeitschrift und macht sie zu einer wesentlichen Stimme im christlich-demokratischen Meinungsspektrum.

Wenn man sich an persönliche Begegnungen mit Wolfgang Bergsdorf erinnert, dann kommt schnell das feine Lächeln in den Sinn, das sein Gesicht immer und in fast allen Lebenslagen geziert hat und das Ausdruck seiner Fähigkeit war, mit ausgesuchter Ironie auf die Dinge zu schauen. Eine Ironie, die aber mit einer fast schon strukturellen Freundlichkeit und nie mit Herablassung oder gar Arroganz gepaart war. Dafür war er zu sehr, wie er sich selbst einmal in einem Interview bezeichnet hat, „rheinische Frohnatur“ und zu sehr Katholik, der sich dem christlichen Menschenbild verpflichtet sah. Anders als der typische Rheinländer der gelegentlich durch massives Mitteilungsbedürfnis hervortritt, war Wolfgang Bergsdorf, das fiel in Gesprächen mit ihm ebenfalls auf, ganz Journalist und eher der Fragende, der seine lebenslange Neugier auf diesem Weg gestillt und Informationen gleichsam aufgesaugt, aber auch aufmerksam zugehört hat. Anders als sein ebenfalls geistreicher Vorgänger in Erfurt, Peter Glotz, der gelegentlich durch brachiale Polemik aufgefallen ist, war das Urteil von Wolfgang Bergsdorf zwar nicht weniger pointiert, in seiner Argumentation aber stets durch das Abwägen von Chancen und Risiken, Vor- und Nachteilen, durch seine Fähigkeit zur Differenzierung ausgezeichnet. Gerade in unseren aufgeregten Zeiten wird diese Fähigkeit fehlen, so wie wache, zeitkritische, uneitle Beobachter, die zugleich bereit sind, mitzugestalten wie Wolfgang Bergsdorf, zunehmend fehlen werden. Die würdigenden Sätze dieses Nachrufes hätte er vermutlich in seiner unnachahmlich trockenen Art so retourniert, wie er die Verleihung des Thüringer Verdienstordens und die Laudatio des damaligen Ministerpräsidenten Dieter Althaus mit Mark Twain kommentiert hat: „Sie werden in den Himmel kommen, wegen ihrer Freundlichkeit, falls Sie nicht an einen anderen Ort kommen, wegen ihrer Übertreibung“. Die Konrad-Adenauer-Stiftung trauert mit seiner Familie um ihren langjährigen Wegbegleiter und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.  

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