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Interviews

"Ich erkenne derzeit keinen Kurswechsel."

од Caroline Schmidt, Dr. Annette Ranko

Alexander Throm MdB im Gespräch über die Asylpolitik Deutschlands

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, plädiert für einen echten Systemwechsel in der Migrationspolitik, der auf mehr Kontrolle über das Migrationsgeschehen setzt, aber auch Verantwortung für Schutzberechtige übernimmt.

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1. Ursprünglich hatte die Bundesregierung einen „Paradigmenwechsel“ zu einer liberaleren Zuwanderungspolitik angekündigt. Aktuell wird ihr in der öffentlichen Debatte jedoch ein migrationspolitischer Kurswechsel hin zu mehr Restriktion attestiert. Teilen Sie diese Einschätzung?

Welcher Kurswechsel? Die Ampel hat eine klare Festlegung in ihrem Koalitionsvertrag zu mehr Öffnung und zu mehr Bleiberechte für abgelehnte Asylbewerber, zu schnellerer Einbürgerung und höheren Sozialleistungen. Daran hat sich nichts geändert. Lediglich aufgrund des öffentlichen Drucks, vor allem aus den Kommunen, hat Bundeskanzler Scholz „Abschiebungen im großen Stil“ ins Schaufenster gestellt. Weder seine eigene Partei noch die Grünen folgen ihm dabei. Das Rückführungsgesetz wird verwässert und soll sowieso nur 600 zusätzliche Abschiebungen pro Jahr ermöglichen. Und die SPD hat auf ihrem Parteitag jüngst beschlossen, den Familiennachzug sogar noch zu erweitern. Ich erkenne keinen Kurswechsel.

2. Den Eindrücken aus Ihrem Wahlkreis nach – wie wird die derzeitige Asylpolitik Deutschlands wahrgenommen und was sind die Erwartungen an die Entscheidungsträger?

Die Migrationskrise hat ein solches Ausmaß angenommen, das spüren die Leute inzwischen vor Ort. Es geht ja längst nicht mehr nur um die Kostenverteilung – die Ressourcen selbst werden knapp! Wir dürfen uns über einen leer gefegten Wohnungsmarkt nicht wundern, wenn die Kommunen jede freie Wohnung für die Unterbringung anmieten müssen. Das gleiche gilt für volle Schulen, Kindergärten, Arztpraxen. Das schlimme ist, dass die Regierung hier überhaupt kein Problembewusstsein zu haben scheint. Das zeigt, wie weit die Ampel sich von der Realität der Menschen verabschiedet hat. Bei den Menschen entsteht der Eindruck, der Staat ist handlungsunfähig oder -unwillig. Das ist eine echte Bedrohung für unsere Demokratie.

3. Wie kann ein Kurswechsel jenseits von Rhetorik umgesetzt werden? Was sind Ihrer Ansicht nach Ansätze und Instrumente für eine kurz- und mittelfristig wirksame Migrationssteuerung?

Wir brauchen einen echten Systemwechsel in der Migrationspolitik, um einerseits wieder Kontrolle über das Migrationsgeschehen zu erhalten und andererseits den wirklich Schutzbedürftigen helfen zu können. Denn heute kommen überwiegend Flüchtlinge nach Europa, die entweder keinen Schutzstatus erhalten oder lediglich subsidiär schutzberechtigt sind. Ohnehin schaffen es nur diejenigen, die stark und fit genug sind für die gefährliche Reise vor allem über das Mittelmeer. Viele sterben dabei. Das ist nicht human, das müssen wir ändern. Dafür schlagen uns namhafte Migrationsforscher ein System der sicheren Drittstaaten vor, das heißt alle, die nach Europa kommen, werden sodann in einen oder mehrere sichere Drittstaaten verbracht, um dort ein rechtsstaatlich garantiertes Asylverfahren durchlaufen zu können. Wer keinen Schutz bedarf, wird von dort die Heimreise antreten müssen. Wer Schutz bekommt, soll den in erster Linie in diesem Drittstaat erhalten. Damit reduzieren wir die unheilvolle Magnetwirkung Europas und Deutschlands zur Überquerung des Mittelmeers. Und dann werden Europa und Deutschland ihrer humanitären Pflicht durch Übernahme von Kontingenten an Schutzbedürftigen nachkommen und dabei aber vor allem die Schwächsten, Frauen und Kinder berücksichtigen. Ich weiß, dass der Weg dorthin weit und auch schwierig wird, aber irgendwann muss jemand anfangen, diesen Weg zu gehen.

4. In den aktuellen Migrationsdebatten entsteht oft der Eindruck, dass grundlegende Veränderungen einerseits entweder rechtlich nicht möglich seien oder aber andererseits Einzelmaßnahem nur begrenzt Wirkung entfalten würden. Wie kann Politik in diesem vermeintlich begrenzten Handlungsspielraum ihren Gestaltungsanspruch geltend machen? Braucht es mehr Mut zu Veränderung und ein Hinterfragen alter Weisheiten?

Migration ist steuerbar. Es gibt objektive Gründe, warum irreguläre Migration so häufig in Deutschland und nicht in anderen Ländern ankommt – das können wir beeinflussen. Zumal die Hälfte der Asylbewerber nichts mit tatsächlicher Flucht zu tun hat, sondern aus sonstigen Gründen zu uns kommt. Angefangen bei Grenzkontrollen, die wir monatelang gegen den Widerstand der Regierung gefordert haben. Nach der Wahlniederlage in Hessen ist Frau Faeser dem endlich nachgekommen und siehe da: Grenzkontrollen funktionieren, die unerlaubten Einreisen gingen zurück.

Oder Sozialleistungen: Es kann nicht sein, dass sogar Ausreisepflichtige vom Steuerzahler finanziert werden, obwohl sie gar nicht hier sein dürfen. Oder immer weitere Bleiberechte statt Rückführungen, selbst für Personen, die noch nicht einmal ihre Identität offengelegt haben.

5. An welchen Leitlinien und Grundüberzeugungen sollte sich eine humane Migrationspolitik Ihrer Meinung nach orientieren?

Wir geben denen Schutz und Fürsorge, die ganz konkret in ihrer Person bedroht oder verfolgt sind. Die EU geht jedoch über den ursprünglichen Grundgedanken der Genfer Flüchtlingskonvention weit hinaus und gewährt sogenannten subsidiären Schutz für alle, die aus allgemeinen Krisenregionen kommen. Dies werden wir in dieser Welt mit dramatisch zunehmender Instabilität nicht dauerhaft stemmen können, ohne unsere eigene Sicherheit und Stabilität zu gefährden. Es gehört zu den Grundsätzen des Flüchtlingsrechts, dass Schutz vor allem in den Nachbarstaaten gewährt werden soll. Deshalb haben wir in Europa auch eine besondere Verantwortung gegenüber der Ukraine. Es gibt aber kein internationales Recht, durch viele sichere Staaten zu reisen und sich dann ein Zielland auszusuchen. Aus gutem Grund. Erstens soll der Schutz schnell und sicher erreichbar sein. Wer einmal in Sicherheit ist, hat dann aber keinen weiteren Schutzbedarf mehr und kann sich keine weiteren Zielländer aussuchen. Und zweitens besteht so nach Ende einer Krise die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr und Teilhabe am Wiederaufbau in der Heimat. Diesem Grundgedanken müssen wir verstärkt Geltung verschaffen. So sieht es im Übrigen auch unser Grundgesetz vor.

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Caroline Schmidt

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