Asset-Herausgeber

Sicherheit statt dunkle Ecken

von Thomas Strobl

Mehr Aufmerksamkeit für Polizistinnen und Polizisten

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Sicherheit ist eine notwendige Voraussetzung für eine offene, liberale Gesellschaft. Deshalb ist es eine der Kernaufgaben des Staates, ja gerade seine unverzichtbare und oberste Pflicht, Freiheit zu schützen und Sicherheit zu gewährleisten. Sicherheit ist wesentlicher Bestandteil des Kitts, der unsere Gesellschaft zusammenhält, der Menschen motiviert, sich für unser demokratisches Gemeinwesen zu engagieren. Dieses Engagement finden wir im Bereich der Inneren Sicherheit in einem außerordentlich hohen Maß. Zum Beispiel leisten bei den Feuerwehren in Baden-Württemberg mehr als 110.000 Feuerwehrfrauen und -männer in den Einsatzabteilungen der Gemeindefeuerwehren ihren Dienst für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, davon mehr als 108.000 ehrenamtlich bei einer Freiwilligen Feuerwehr. Dementsprechend erwarten die Bürgerinnen und Bürger Sicherheit, Stabilität und Frieden in Europa – gerade in Zeiten von Flucht, Migration und dem Ausscheren Großbritanniens aus der Europäischen Union –, Sicherheit im Straßenverkehr, bei Lebensmitteln, bei ihren Geldanlagen, im Internet und in vielen weiteren Lebensbereichen. Aus diesem Grund brauchen wir einen handlungsfähigen, starken Rechtsstaat, moderne Strukturen und ausreichende Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden.

Die Sicherheit der Menschen in unserem Land zu gewährleisten – das ist die oberste Aufgabe der Polizei. Der Staat garantiert uns Menschenrechte und Schutz. Als Kehrseite der Medaille haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf Sicherheit; das Recht, sicher zu leben, sich sicher im öffentlichen Raum bewegen zu können, ja, sich auch frei und sicher zu fühlen. Sie wollen keine „dunklen Ecken“ oder gar ein schlechtes Gefühl – etwa die Angst vor einem Überfall – haben.

Wandel der polizeilichen Aufgaben

Gleichzeitig prägt Unsicherheit die menschliche Existenz. Von elementarer Bedeutung ist daher die Frage, wie staatliche Organe mit dieser Unsicherheit umgehen. In der Fachwelt wurde der Begriff der „Risikokultur“ geprägt. Dazu gehört aus meiner Sicht für den Staat und seinen Sicherheitsapparat auch, keine vermeintliche Sicherheit zu suggerieren, sondern vielmehr einen konstruktiven Umgang mit dieser „Unsicherheit“ zu pflegen und dies den Menschen transparent zu vermitteln. Gefahren und die polizeilichen Gegenmaßnahmen müssen verständlich und vor allem realistisch dargestellt werden. Und es gilt: Angesichts zunehmender Gefährdungen durch Extremismus und Terrorismus benötigt ein wehrhafter Rechtsstaat mehr denn je eine stabile Sicherheitsarchitektur aus Polizei, Justiz und Verfassungsschutz.

Gefahren für unsere Sicherheit sind mannigfaltig. Wir leben in einer Zeit, die maßgeblich vom Wandel und von Veränderung geprägt ist. Dies trifft insbesondere auch für die Polizei zu. Konzepte, die wir für aktuelle Herausforderungen entwerfen, sind nicht selten morgen schon wieder Makulatur. Die eigentliche Herausforderung für die Sicherheitsorgane liegt mittlerweile darin, mit den Entwicklungen Schritt zu halten und auf neue Bedrohungen der Sicherheit angemessen und effektiv zu reagieren.

Dass uns dies gelingt, belegt eindrucksvoll unsere aktuelle Kriminalstatistik. Die objektive Sicherheitslage für die Menschen in unserem Land war nie besser als heute. In Baden-Württemberg verzeichnen wir die niedrigste Kriminalitätsbelastung seit der Wiedervereinigung und die höchste Aufklärungsquote seit der Einführung der maschinellen Datenerfassung 1971 (bis zum 31. Dezember 1970 wurde die Polizeiliche Kriminalstatistik handschriftlich durch Strichlisten erfasst). In Zahlen: Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für das vergangene Jahr insgesamt 572.173 Straftaten aus. Das sind 1,3 Prozent weniger als 2017. Die Aufklärungsquote stieg auf 62,7 Prozent. Die Kriminalitätsbelastung in Baden-Württemberg lag bei 5.191 Straftaten je 100.000 Einwohner – und geht somit weiter zurück. Das gute Ergebnis ist kein Zufall, sondern Resultat einer zielorientierten Schwerpunktsetzung.

Gewalt gegen Polizeibeamte

Obwohl es uns gelungen ist, in vielen Kriminalitätsfeldern mittlerweile nachhaltig eine Trendwende erreicht zu haben, gibt es auch Wermutstropfen. Die Fallzahlen der Gewalt gegen Polizeibeamte bewegen sich seit Jahren auf einem deutlich zu hohen Niveau. Der landesweite Trend steigender Fallzahlen im Bereich der Gewalt gegen Polizeibeamte erreichte 2018 einen neuen traurigen Rekord. Die Zahl der verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten stieg 2018 um 21,9 Prozent – und damit signifikant stärker als die Fallzahlen – auf 2.390 an. Es wurden 34 Polizeibeamtinnen und -beamte schwer verletzt.

Dieser Entwicklung muss entschieden entgegengetreten werden. Inzwischen hat Baden-Württemberg zügig die rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung einer körpernah getragenen Kamera, der sogenannten Bodycam, geschaffen. Nach einer Erprobungsphase 2017 werden alle Polizeistreifen im Land nun mit dieser Kamera ausgestattet. Das positive Potenzial zur Senkung der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte hatte die Bodycam bereits in der Testphase unter Beweis gestellt. Mit dem Einsatz der Kamera wird eine steigende Kooperationsbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und -beamten in Kontrollsituationen sowie ein vermindertes Aggressionspotenzial, insbesondere bei der Kontrolle von Personengruppen, erreicht – darüber sind sich alle Fachleute einig. Wir schützen die, die jeden Tag uns schützen, sprichwörtlich ihren Kopf für unsere Sicherheit hinhalten.

Neben einer guten persönlichen und technischen Ausstattung sowie rechtlichen Möglichkeiten gehört zum Erfolg der Polizei vor allem eines: die Polizeibeamtinnen und -beamten selbst. Das Engagement und der Einsatz der rund 24.300 Polizeibeamtinnen und -beamten, die in Baden-Württemberg ihren Dienst leisten, sind der Garant des Erfolgs. Auch wenn zugegebenermaßen im Vergleich der Länderpolizeien die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verhältnis zur Wohnbevölkerung am niedrigsten ist, so ist der Spitzenplatz in puncto Sicherheit sicherlich ein Qualitätsmerkmal für die Polizistinnen und Polizisten im Land. Die angespannte Personalsituation und die Auswirkungen einer nie dagewesenen Pensionierungswelle waren deshalb Anlass zu einem Maßnahmenpaket, das die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der Landespolizei vorsieht. Die Zahl der Anwärterstellen und damit die Zahl der Ausbildungsplätze wurde von 2.770 im Jahr 2016 auf 4.850 im Jahr 2018 erhöht. 2018 sind über 1.700 Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger eingestellt worden – bei rund 5.600 Bewerbungen.

Attraktivität des Berufsbildes erhöhen

Trotz anspruchsvoller Rahmenbedingungen können sich viele junge Menschen für den Polizeiberuf begeistern. Das ist auch ein wichtiges Signal: nämlich dass junge Menschen durchaus gewillt sind, Verantwortung zu übernehmen und ihr berufliches Wirken in den Dienst unserer Gemeinschaft zu stellen.

Was wir dazu beitragen können, ist, die Attraktivität des Polizeiberufs weiter zu erhöhen. Sich allein auf die Anziehungskraft eines spannenden und abwechslungsreichen Berufsbildes zu verlassen, wäre zu kurz gedacht. Für die jungen Berufseinsteiger muss deutlich sein, dass sich Leistung und Engagement lohnen – auch durch eine verbesserte Bezahlung nach Beendigung der Ausbildung im Eingangsamt der Polizistinnen und Polizisten.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Eine absolute Sicherheit kann und wird es nicht geben. Unsere Gesellschaft im Ganzen und jeder Einzelne sehen sich potenziell vielfältigen Angriffen ausgesetzt. Diese aktuelle Situation fordert uns als Staat, als Gesellschaft, jede und jeden von uns heraus. Aber sie fordert vor allem, unsere Polizistinnen und Polizisten in einer komplexer werdenden Welt zu unterstützen.

Thomas Strobl, geboren 1960 in Heilbronn, seit Juli 2011 Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg, seit 2012 Stellv. Bundesvorsitzender der CDU Deutschlands, seit Mai 2016 Stellv. Ministerpräsident und Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landes Baden-Württemberg.

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