In seiner Eröffnungsrede unterstrich Herr Peter Rimmele, Leiter des KAS-Auslandsbüros Indien, den günstig gelegenen Zeitpunkt des Besuchs in der heißen Phase des indischen Wahlkampfs. Als politischer Stratege, mit über 30 Jahren Erfahrung, sei Dr. Schüler bereits in Zeiten von Dr. Helmut Kohl aktiv und im Anschluss Teil des Teams von Dr. Angela Merkel gewesen. Julia Carstens, seit zwei Jahren persönliche Referentin des Bundesgeschäftsführer und somit Teil des Wahlkampfteams in 2017, nahm ebenfalls an dem Event teil.
Dr. Schüler begann seinen Beitrag mit der Bedeutung von aktiven und involvierten jungen Leuten in der Politik. Darüber hinaus machte er seine Bewunderung gegenüber Indien deutlich, welches in der Lage sei, freie und faire Wahlen für 1,3 Milliarden Menschen zu organisieren. Während Deutschland und Indien in Bezug auf Fläche, Wirtschaft und Bevölkerung sehr unterschiedliche Nationen seien, stellten sich Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Premierminister Narendra Modi ähnliche Herausforderungen eines föderal organisierten demokratischen Systems im 21. Jahrhundert.
Er veranschaulichte die positiven Beziehungen der beiden Länder in Bezug auf politische, wirtschaftliche, kulturelle und linguistische Aspekte. Die schnelle Entwicklung von beispielsweise Technologien betreffe jeden Aspekt des Lebens und stehe im geostrategischen Bezug zueinander. Dieses globale Phänomen sei von unglaublicher Bedeutung für diejenigen, die Parteipolitik betrieben. Aus diesem Grund rät Dr. Schüler, dass Politiker sich kontinuierlich an die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Wähler anpassen.Des Weiteren führte er aus, dass das internationale politische System des 20. Jahrhunderts nicht mehr in der Lage sei, die Probleme des 21. Jahrhunderts zu bearbeiten. Eines der derzeitigen Herausforderungen sei daher die Etablierung einer neuen Ordnung mit Bestimmungen, die den Umgang mit aktuellen Herausforderungen regelte. Dr. Schüler führte aus, dass alle Staaten, die dieselben demokratischen Werte teilen, nun in eine neue Phase der demokratischen Kooperation einsteigen müssen, die unabhängig von geographischen Grenzen verlaufe.
Der nächste Teil der Veranstaltung beinhaltete eine Frage- und Antwortrunde zwischen Teilnehmern und Dr. Schüler. Hierbei wurden unter anderem die Wahlstrategie der beiden Länder und die Nutzung sozialer Medien angesprochen. In diesem Zusammenhang wies Dr. Klaus Schüler auf die unterschiedlichen demographischen Gegebenheiten der Länder hin. In Deutschland seien über ein Drittel der Wahlberechtigten über 65 Jahre alt und der Anteil der jungen Wähler eher gering– im Gegensatz zu Indien. Soziale Medien wären daher ein immer hilfreicher werdendes Werkzeug, jedoch sind traditionelle Medien, wie Radio und Zeitung, weiterhin von Bedeutung. Daran anlehnend würde er eine gemischte Strategie von traditionellen und moderneren Werkzeugen für den Wahlkampf anwenden. Zusätzlich sei der Umgangston in indischen und deutschen Wahlkampagnen sehr unterschiedlich, was auf die kulturellen Gegebenheiten zurückzuführen sei. Ein Land könne nicht einfach die Wahlkampfstrategie eines anderen Landes übernehmen, da diese zu sehr an Kultur und andere Umstände gebunden sei. Er erklärte, dass es nicht um den Weg selbst gehe, sondern welchen Regeln eine Kampagne folge. Zusätzlich hob er das Bedürfnis hervor, demokratische Institutionen zu fördern.In Anlehnung an eine ähnliche Frage zeigte der Wahlkampfexperte die wichtigsten Schritte zum Planen von Kampagnen auf: Recherche über die Wähler, Definition der strategischen Ziele und eine Strategie, wie diese zu erreichen sei.
Ein weiterer Teil der Diskussion befasste sich mit der Frage, welche Werte gefördert werden sollten und wie diese implementiert werden können. Dr. Schüler unterstrich, dass Werte wie Freiheit, Gleichheit und Toleranz nicht für selbstverständlich gehalten werden können. Dies werde erkennbar in vielen autoritären Systemen, welche Gesetze erlassen, die diese Rechte untergraben. Eine Weltordnung, die gekennzeichnet sei von Nationalismus würde seiner Meinung nach zu einem Krieg ohne Sieger führen; ein multilaterales System sei daher eher erstrebenswert. Dr. Schüler wies dabei auch auf Umweltfaktoren hin– Frische Luft und sauberes Wasser seien natürlicher Teil der Freiheit eines jeden Individuums. Dies wäre in der Vergangenheit in Vergessenheit geraten und müsse daher jetzt den Takt für politische Lösungen angeben. Die Umwelt sei einer der Aspekte, die das Gewinnen oder Verlieren von Wahlen in der Zukunft beeinflussen werden.
Andere Fragen bezogen sich auf die Rolle Chinas und Indiens als aufstrebende Mächte, sowie Deutschlands und Europas Perspektive hierauf. Dr. Schüler sprach von einem geostrategischen Wandel vom Westen zum Osten hin- wobei immer die Frage nach Chinas wirtschaftlicher und außenpolitischer Rolle bestehen bleibe. Er bestätigte auch, dass die Weltordnung des 21. Jahrhunderts nicht ohne Indien bestehen könne, da Indien bereits jetzt eine wichtige Rolle auf dem internationalen Parkett einnehme und in der Zukunft umso wichtiger sein werde.
Aus europäischer und deutscher Perspektive ist dies positiv zu bewerten, da Indien ähnliche Ansichten und Werte wie die europäischen Staaten vertrete. Die neue Weltordnung solle daher nicht nur zwischen China und USA, sondern auch mit Ländern wie Deutschland und Indien diskutiert werden. Brexit sei ein Ausdruck von ständiger Veränderung in der internationalen Politik und zeige die Entwicklung gegenwärtiger politischer Herausforderungen. Dasselbe könne man in den USA beobachten, in denen eine zunehmende Isolationspolitik in Kraft trete.
Eine weitere Frage bezog sich auf Europas Migrationskrise des Jahres 2015. Dr. Schüler unterstrich, dass es ein Fehler sei zu denken, Europa habe am meisten an der durch den Syrienkrieg ausgelösten Migrationswelle gelitten, da die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten zum großen Teil in andere Länder der Region ausgewandert seien. Abgesehen davon sei dies keine einmalige Krise, sondern eine andauernde Krise deren Grundursachen bearbeitet werden müssten. Es war eine Illusion zu denken, dass das Schließen der Grenzen eine Lösung wäre; notwendig sei hingegen ein regelbasiertes nationales und internationales Management der Probleme, sagte Dr. Schüler. Die Nicht-Existenz einer multilateralen Steuerung habe zur Popularität der Alternative für Deutschland (AfD) beigetragen, welche das politische Parteienspektrum drastisch veränderte. Der normalerweise recht moderaten Diskursführung in der deutschen Politik füge die AfD neue Aggressivität zu, die sie mit der Hilfe intensiver Nutzung sozialer Medien ausbreitete.
Zusammenfassend erläuterte Julia Carstens, dass die derzeitige Weltordnung durch Wandel geprägt sei, weshalb demokratische Nationen wie Indien und Deutschland engere Beziehungen bilden sollten. Besonders stabile demokratische Institutionen werden benötigt um Demokratien zu fördern und weiter auszubauen. Herr Rimmele beendete seine Ausführungen auf der Veranstaltung mit einer Erinnerung an die Teilnehmer, dass die EU ursprünglich als Friedensprojekt und nicht nur als Wirtschaftsprojekt gebildet worden sei.