Fachkonferenz
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Diesen Fragestellungen widmete sich die Istanbul Security Conference, die 2018 zum elften Mal (nach neun Ausgaben in Ankara zum zweiten Mal in Istanbul) stattfand. Die Konrad-Adenauer-Stiftung Türkei und das Zentrum für Strategische Forschung der Başkent Universität luden zahlreiche hochrangige Sprecher aus Politik, Streitkräften, Wissenschaft und Wirtschaft ein, um an drei Tagen kontrovers aktuelle Herausforderungen zu diskutieren und blickten dabei sowohl in die Vergangenheit, um die Genese der Konflikte nachzuvollziehen, als auch in die Zukunft, um Eskalationspotenzial und Lösungsmöglichkeiten der Konflikte zu antizipieren. Auf der Tagesordnung standen einerseits die geopolitischen Hotspots der Region, darunter besonders Syrien, Irak und Iran, aber auch aktuelle und zukünftige sicherheitspolitische Herausforderungen in den Bereichen von Extremismus und Terrorismus, globale Migrationsbewegungen, Energiepolitik und Cybersicherheitspolitik. Eine Schlüsselrolle nahmen zudem, auch mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in der Türkei, die deutsch-türkischen Beziehungen ein.
Im Panel 1: “Countering global radical extremism and terrorism - rooting out radicalism: lessons learned and preventive strategies” diskutierten Marian WENDT, MdB und Iulian CHIFU (Former Advisor for Strategic Affairs and Int. Security to the President of Romania and President of the Conflict Prevention and Early Warning Center, Bucharest) über die Herausforderungen und Möglichkeiten der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Beide betonten, dass die Bekämpfung des transnationalen Terrorismus ohne internationale Kooperation schwerlich möglich sei.
Zu Beginn von Panel 2: “International management of migration and coping with mass population movements: lessons learned and preventive strategies” stellte Botschafter Ertuğrul APAKAN (Chief Monitor, Special Monitoring Mission to Ukraine, OSCE Former Undersecretary of Ministry of Foreign Affairs) die Lektionen der Bedeutung der UN-Charta und des Helsinki-Abkommens in der Ukraine für das heutige Umgehen mit Flucht und Migration im Mittelmeer-Raum dar. Matern VON MARSCHALL, MdB stellte fest, dass Deutschland und die EU zunehmend die Informations- und Implementationsoberhand in der Migrationspolitik gewinnen, auch wenn weiterhin Herausforderungen bestehen. Prof. Dr. Satoshi IKEUCHI (University of Tokyo, RCAST, Research Center for Advanced Science and Technology, Islam and Politics, Middle East Politics) analysierte die geopolitische Position der Türkei zwischen Europa und dem Nahen und Mittleren Osten.
Diskussionsgegenstand von Panel 3 war “Could a sustainable peace and unification be achieved in Syria and Iraq: is normalization a possibility in the Middle East in foreseeable future”. Botschafter a.D. Selim KARAOSMANOĞLU erklärte, Analysen des Syrien-Konflikts dürften weder die Status-Quo-Mächte Iran und Russland sowie zunehmend die Türkei noch die multi-ethnische Zusammensetzung der syrischen Bevölkerung, aber auch den Libanon sowie geopolitische Konsequenzen für die Ölversorgung im Nahen und Mittleren Osten vernachlässigen. Im Anschluss stellte Dr. Carsten WIELAND (Senior Expert for Intra Syrian Talks, UN office of the Special Envoy for Syria and fellow at Geneva Centre for Security Studies) die zunehmende Fragmentierung Syriens durch interne und externe Akteure dar. Dr. Timur MAKHMUTOV RIAC (Deputy Program Director The Russian International Affairs Council) sah ein Hindernis zur Lösung des Syrien-Konflikts im Nichtvorhandensein einer gemeinsamen zukünftigen Strategie der involvierten Akteure.
Panel 4 widmete sich der Themenstellung “Effects of Israeli-Saudi-Egypt (and US) alliance on the Arab world and Iran”. In seinem Eröffnungsstatement stellte Dr. Pyotr STEGNY (Former Amb. of Russian Federation to Turkey and Israel Member, Russian Council for International Relations) die russische Sicht auf die Geopolitik des Nahen und Mittleren Ostens dar und hob dabei die Rolle der USA. Prof. Em. Dr. İlter TURAN (President of International Political Science Association) ging auf die unterschiedlichen Sicherheitswahrnehmungen und -interessen von Saudi-Arabien und Israel sowie auf bestehende Unsicherheiten in Ägypten ein. Dr. Walter POSCH (Institute for Peace Support and Conflict Management National Defense Academy Austria) stellte die Problem- und Akteurskonstellationen in der Region mit Fokus auf die historische und strategische Interessenlage in Iran dar.
Während Panel 5 wurde das Thema “The Future of Hybrid and Proxy Wars: (Globally and in MENA)” diskutiert. Rumel DAHIYA (ret. Brig. General, Former Deputy Director General at the Institute for Defence Studies and Analysis – New Delhi) stellte aus historischer Perspektive dar, inwiefern zwischen Hybridem Krieg, ausgetragen zwischen Staaten durch die Streitkräfte, und Hybridem Konflikt, häufig von Asymmetrie zwischen den auch nicht-staatlichen Konfliktparteien geprägt, unterschieden werden kann. Jonathan FIGHEL (Col. (res.) Senior Research Scholar, Institute for Counter-Terrorism IDC Herzliya, Israel) ergänzte, dass hybride Gruppierungen vorgebliche Legitimität mit militärischen Fähigkeiten vereinen. Prof. Dr. Ahmet K. Han (International Relations Dept., Kadir Has University) zufolge gewinnen Hybride Konflikte international an Bedeutung und Verheerung.
Im abschließenden Panel zu „Challenges and opportunities in German-Turkish relations“ betonte Dr. Andreas NICK MdB (Head of German Delegation to the Parliamentary Assembly of the Council of Europe) die einzigartige Verbundenheit der deutschen und türkischen Bevölkerungen, wobei aus dieser Nähe auch besondere Herausforderungen entspringen. Akif Çağatay KILIÇ (Former Minister of Youth and Sport Head of Turkish Delegation to the Parliamentary Assembly of the Council of Europe) hingegen vermisst eine Diskussion auf Augenhöhe mit Deutschland. Anschließend wurde die Zukunft der deutsch-türkischen Beziehungen diskutiert.
Bei seiner Dinner Speech am 07. Mai 2018 betonte Parlamentarischer Staatssekretär Stephan Mayer, das Terrorismus, als Feind demokratischer Ordnungen, keine nationale Angelegenheit sei, sondern auf bilateraler und multilateraler Ebene diskutiert werden müsse. Der vorhandene internationale Dialog und Austausch unter Sicherheitsbehörden müsse weiter ausgebaut werden.
Den zweiten Konferenztag eröffnete das Panel 6 zu “Energy for peace in the East Mediterranean: Turning challenges into opportunities”. Thomas BAREISS, MdB (Parliamentary State Secretary, Ministry for Economic Affairs and Energy) skizzierte die deutsche Sicht auf die energie- und geopolitische Konstellation im Nahen und Mittleren Osten und die Implikationen der deutschen Energiewende. Dr. Micha‘el TANCHUM (The Harry Truman Inst., Asia and Middle East Units, Israel Non-resident Scholar at Başkent University) entwarf mögliche Zukunftsszenarien für den Nahen und Mittleren Osten, um zunächst energiepolitische Herausforderungen zu lösen und darauf aufbauend sicherheitspolitische Lösungen zu finden. Prof. Dr. Mitat ÇELİKPALA (Kadir Has University, Dean - Faculty of Economics, Administrative and Social Sciences) stellte die neue strategische Ausrichtung der türkischen Energiepolitik dar und ging dabei besonders auf Pläne zur Zuliefererdiversifizierung hin zu Israel und Zypern ein.
Im Zentrum von Panel 7 “The EU’s approach to regional security in the East Mediterranean: problems and prospects” standen Möglichkeiten und Hindernisse auf dem Weg zur Lösung des Zypern- und Syrien-Konflikts. Sir Peter WESTMACOTT (Ambassadorial Fellow Atlantic Council’s Future Europe Initiative) stellte die Sichtweise Großbritanniens auf den Syrien-Konflikt dar. Prof. Dr. Hans-Joachim KRAUSE (Academic Director, Institute for Security Policy at Kiel University) gelangte zu dem Schluss, dass die Politik der EU in Syrien bisher nicht ihr Ziel erreicht habe und ein Strategie- und Politikwechsel vonnöten sei. Botschafter a.D. Namık TAN thematisierte den EU-Beitrittsprozess der Türkei und die Rolle von Nationalstaaten in der Terrorismusbekämpfung.
Das letzte Panel 8 stand unter der Fragestellung “Cyber Security: challenges and strategies”. Hans-Wilhelm DÜNN (General Secretary, Cyber-Security Council Germany) skizzierte das schnelllebigen Themenfeld Cybersicherheit und forderte politische Initiativen in den Bereichen Schutz von Infrastruktur, Bildungsinitiativen im Bereich der Informationstechnik und Expertise von Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Im Anschluss erklärte Peter ROST (Director Business Development and Strategy Rohde&Schwarz Cybersecurity), dass die digitale Transformation Möglichkeiten, aber auch vielfältige Sicherheitsherausforderungen mit sich bringt. Roland SUPPER (Head of Cyber Defence Center s IT Solutions AT Spardat GmbH, Vienna) ergänzte, dass organisierte transnationale Kriminalität, unbehelligt von Landesgrenzen oder nationalen Regulierungen, auf immer neue Art und Weise IT-Infrastruktur zu missbrauchen lernt.
Sowohl die beiden Gastgeber und Organisatoren der Konferenz, Sven-Joachim IRMER (Head of Konrad-Adenauer-Stiftung Turkey) und Ercan ÇİTLİOĞLU (Başkent University, Center for Strategic Research) als auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten fest, dass die Istanbul Security Conference 2018 einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung von sicherheitspolitischen Entscheidern aus Politik, Streitkräften, Wissenschaft und Wirtschaft leisten konnte. Angesichts der vielfältigen Krisen und Herausforderungen seien solche Dialogformate entscheidend, um neuartige Lösungsansätze zu entwickeln.