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Würdigung: 80. Geburtstag Helmut Kohl

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Die Konrad-Adenauer-Stiftung gratuliert Bundeskanzler a.D. Dr. Helmut Kohl, dem „Kanzler der Einheit“ und Ehrenbürger Europas zu seinem 80. Geburtstag. Ein Politiker, aktiv in der Kommune, auf Landes- und Bundesebene, überzeugter Europäer – Helmut Kohl gestaltete mit. Er wurde jüngster Abgeordneter mit 29 und jüngster Fraktionsvorsitzender im rheinland-pfälzischen Landtag mit 33. Ebenfalls als Jüngster übernahm er mit 39 das Amt eines Ministerpräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland. Schließlich war Helmut Kohl 16 Jahre Bundeskanzler und 25 Jahre Parteivorsitzender der CDU.

Kindheit und Jugend

Helmut Kohl wird am 3. April 1930 in Ludwigshafen geboren. Sein Vater, der Finanzbeamte Hans Kohl (1887-1975), kommt aus einer kinderreichen bäuerlichen Familie in Unterfranken. Über die aus Ludwigshafen-Friesenheim stammende Mutter Cäcilie Schnur (1890-1979) findet die Familie in der Pfalz ihr zu Hause. Kohl wächst mit zwei älteren Geschwistern auf: Hildegard (1922-2003) und Walter (1926-1944).

Im christlich-katholischen Elternhaus lernen die Kinder religiöse Toleranz und Patriotismus. Gegenüber dem Nationalsozialismus wird eine kritische Distanz gewahrt. Pflichtbewusstsein, Fürsorge und Hilfsbereitschaft prägen das Familienleben. Ab 1936 besucht Helmut Kohl die Friesenheimer Volksschule, 1940 wechselt er an die Oberrealschule. Die sorgenfreie Kindheit ist zu diesem Zeitpunkt beendet, der Zweite Weltkrieg hatte am 1. September 1939 begonnen. Hans Kohl, Frontoffizier im Ersten Weltkrieg, wird in Polen eingesetzt. Helmut Kohl selbst bekommt in Ludwigshafen die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Eingesetzt im Feuerlöschtrupp erlebt er Tod und Zerstörung hautnah. Einschneidend ist der Verlust des Bruders Walter, der mit 19 Jahren bei einem Tieffliegerangriff in Haltern nahe Münster Ende November 1944 fällt.

Als die Fliegerangriffe auf Ludwigshafen zunehmen, wird der Vierzehnjährige im Dezember 1944 per Kinderlandverschickung zunächst nach Erbach im Odenwald, später nach Berchtesgaden gebracht. Auch dort werden am 25. April 1945 schwere Bombenangriffe geflogen. Helmut Kohl macht sich mit drei Schulkameraden zu Fuß auf, rund 400 Kilometer zurück in seine Heimatstadt Ludwigshafen. Die Schule ist noch geschlossen. Im August 1945 beginnt Helmut Kohl eine landwirtschaftliche Lehre, doch bereits Ende 1945 besucht er wieder die Oberrealschule in Ludwigshafen.

Nach dem Abitur beginnt Helmut Kohl im Oktober 1950 in Frankfurt am Main das Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte. Nach zwei Semestern wechselt er an die Universität Heidelberg. Zwischen 1956 und 1958 ist er dort Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alfred-Weber-Institut. Am 28. Juli 1958 wird er bei Professor Walther Peter Fuchs mit seiner Doktorarbeit zum Thema „Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945" promoviert.

Politischer Aufstieg

Erste Schritte in die Politik unternimmt Helmut Kohl in einem Gesprächskreis des Pfarrers Johannes Finck, einem ehemaligen Zentrumspolitiker und Abgeordneten des bayerischen Landtags sowie Mitbegründer der Christlich-Demokratischen Union in der Pfalz Hier wird Helmut Kohl an politische Diskussionen herangeführt. Er erkennt die negativen Auswirkungen der Parteienzersplitterungen in der Weimarer Republik und ist überzeugt vom konfessionsübergreifenden Integrationsgedanken der Union. 1947 zählt er zu den Mitgründern der Jungen Union in Rheinland-Pfalz. Prägend ist im Vorfeld der ersten Bundestagswahl der Wahlkampfauftakt im Heidelberger Schloss am 14. August 1949. Als Organisator der Veranstaltung steht Helmut Kohl an der Seite der führenden Köpfe der CDU: Jakob Kaiser, Karl Arnold, Gustav Heinemann und Konrad Adenauer. Stufe für Stufe macht er Karriere in der CDU. Im November 1953 wird er in den geschäftsführenden Vorstand des CDU-Bezirksverbandes Pfalz, im Januar 1955 in den Landesvorstand der CDU Rheinland-Pfalz gewählt.

Landespolitiker

Seine Leidenschaft für die Politik weitet sich aus. Mit 29 Jahren schafft Helmut Kohl als jüngster Abgeordneter den Sprung in den Landtag von Rheinland-Pfalz, dem er von 1959 bis 1976 angehört, zwischen 1963 und 1969 ist er Vorsitzender der CDU-Fraktion. Der Sitz im Haushalts- und Finanzausschuss bringt ihn von Anfang an in hohe parlamentarische Verantwortung.

Helmut Kohl bleibt nahe an der Basis: zwischen 1960 und 1969 als Vorsitzender der CDU-Fraktion im Ludwigshafener Stadtrat, von 1964 bis 1967 als Vorsitzender des Bezirksverbandes Rheinland-Pfalz. Mit fast 36 Jahren übernimmt er zusätzlich den CDU-Landesvorsitz (bis 1974).

Auch die Familiengründung erfolgt in diesen Jahren: Am 27. Juni 1960 heiratet Helmut Kohl seine Jugendliebe Hannelore Renner, die er im Sommer 1948 beim Tanztee kennengelernt hatte. 1963 und 1965 werden die Söhne Walter und Peter geboren.

Ministerpräsident

Die politischen Erfahrungen in den 1960er Jahren bilden die Grundlage für den weiteren Aufstieg. Mit gerade einmal 39 Jahren löst Helmut Kohl am 19. Mai 1969 den seit 1947 regierenden Peter Altmeier (CDU) als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ab. Bei den Landtagswahlen 1971 und 1975 gewinnt er die absolute Mehrheit. Der Ruf als eifriger und erfolgreicher Wahlkämpfer sowie dynamischer Reformer sorgen für bundesweites Aufsehen.

Helmut Kohl macht aus Rheinland-Pfalz ein „junges Land mit Zukunft“ und stellt mit der Verwaltungsreform (Schaffung von Verbandsgemeinden), der Schulreform (verbesserte Lehrerausbildung, Umwandlung staatlicher Konfessions- in christliche Gemeinschaftsschulen), den Hochschul-Neugründungen (Trier, Kaiserslautern) und Impulsen in der Sozialpolitik (erstes Kindergartengesetz in der Bundesrepublik, Krankenhausreform) die Weichen neu.

Parteivorsitzender und Oppositionsführer

An die Spitze der CDU wird Helmut Kohl am 12. Juni 1973 gewählt. Unter seinem Vorsitz will er die CDU zu einer modernen Volkspartei umstrukturieren und neu aufstellen. Innere Reformen und programmatische Weiterentwicklung bringen die CDU auf den Weg einer Mitgliederpartei.

Am 19. Juni 1975 nominieren die Präsidien von CDU und CSU in gemeinsamer Sitzung Helmut Kohl zum Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 1976. Mit 48,8 % erzielt der Aufsteiger zwar das zweitbeste Bundestagswahlergebnis in der Geschichte der Union, doch verpasst sie knapp die absolute Mehrheit. Helmut Schmidt bleibt Kanzler der sozialliberalen Koalition. Helmut Kohl gibt dennoch seine Ämter in Rheinland-Pfalz auf und geht als Oppositionsführer nach Bonn.

Bundeskanzler in der Bundesrepublik Deutschland

Als sich die Krise der sozialliberalen Koalition aufgrund des anstehenden NATO-Doppelbeschlusses und wirtschaftspolitischer Differenzen zuspitzt, kommt es zum ersten erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen einen Bundeskanzler: Helmut Kohl wird am 1. Oktober 1982 zum sechsten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Es ist der Beginn einer sechzehnjährigen Kanzlerschaft. 1983, 1987, 1990 und 1994 wird die Koalition von Union und FDP bei den Bundestagwahlen bestätigt.

In der ersten Hälfte der Regierung Kohl zwischen 1982 und 1989 werden die Staatsfinanzen saniert, die Steuerbelastungen gesenkt. Infolge der Wirtschaftsdynamik steigt die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 1983 und 1989 um 1,3 Millionen. Gleichzeitig geht die Inflation zurück. Die demografischen Herausforderungen führen zu einer Neuordnung der gesetzlichen Rentenversicherung: Bei der Hinterbliebenenversorgung werden fortan Männer und Frauen gleichgestellt. Erstmals finden Erziehungsleistungen der Mütter Anerkennung. Die im März 1985 auf dem Essener Bundesparteitag der CDU beschlossenen Leitlinien zur neuen Partnerschaft von Mann und Frau legen den Grundstein für eine moderne Frauen- und Familienpolitik. 1986 wird das Bundesministerium für Jugend, Familie und Sport um das Ressort Frauenpolitik erweitert. Eine medienpolitische Grundsatzentscheidung wird durch die Zulassung von privaten Fernsehprogrammen ab dem 1. Januar 1984 gefällt. Kernpunkte der Energiepolitik sind die Förderung neuer Techniken, um die Unabhängigkeit von ausländischen Energieträgern zu erhöhen, die Bekämpfung des Waldsterbens durch die Einführung des Katalysators sowie ein umfassendes Energiesparprogramm. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl führt Helmut Kohl 1986 die Ressorts Umwelt und Naturschutz sowie Reaktorsicherheit unter Leitung von Walter Wallmann im neu gegründeten Bundesumweltministerium zusammen.

Kämpfer für Europa

Schwerpunkt der Regierungspolitik Helmut Kohls ist es, den Prozess der europäischen Einigung fortzuführen, die Verlässlichkeit gegenüber den Nachbarländern zu pflegen und die politische Zusammenarbeit zu intensivieren. Wurzeln sind seine pfälzische Heimat und die Einsicht, nur ein Miteinander der europäischen Völker kann neue Gegensätze und Feindschaften abwenden. Gegenseitige Vernichtung und Katastrophen zu verhindern, ist ihm lebenslang Antrieb. Seit Jugendtagen ist Helmut Kohl überzeugter Europäer: Schon als Jugendlicher hat er Grenzschranken zwischen der Pfalz und dem Elsass niedergerissen. Später setzt er als Bundeskanzler das Schengener Abkommen durch, das die Grenzschranken zwischen den EU-Staaten abschafft. Einen gemeinsamen Binnenmarkt, die Öffnung der Union für die Reformstaaten Mittel- und Osteuropas und den im Vertrag von Maastricht beschlossenen Euro als gemeinsame europäische Währung samt Stabilitätspakt gäbe es ohne Helmut Kohl nicht.

Wichtiger Motor ist die deutsch-französische Freundschaft. Das gemeinsame Gedenken von Helmut Kohl und dem französischen Staatspräsidenten François Mitterrand Hand in Hand über den Gräbern von Verdun 1984 ist das deutlichste Symbol der Versöhnung. Für hervorragende Verdienste um die europäische Einigung erhält Bundeskanzler Kohl bereits 1986 die erstmals verliehene Robert-Schuman-Medaille. Zwei Jahre später wird ihm gemeinsam mit Mitterrand der Internationale Karlspreis der Stadt Aachen verliehen. Eine noch höhere Auszeichnung wird Helmut Kohl am 11. Dezember 1998 zuteil. Die Staats- und Regierungschefs der EU ernennen ihn zum „Ehrenbürger Europas", eine Ehrung, die zuvor nur Jean Monnet erlangt hat.

Kanzler der Einheit

1989 schlägt Helmut Kohls historische Stunde. Der Bundeskanzler ergreift die Chance, die deutsche Einheit in Freiheit zu vollenden – ganz in der Linie Konrad Adenauers. Stets hatte Helmut Kohl die deutsche Frage offengehalten, sich nicht mit der Zweistaatlichkeit abgefunden und die Präambel des Grundgesetzes, also das Verfassungsgebot der nationalen Einheit, als Auftrag begriffen.

Nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 übernimmt er mit seinem Zehn-Punkte-Plan am 28. November die deutschlandpolitische Initiative. Seine Rede in Dresden vor der zerstörten Frauenkirche am 19. Dezember stützt den Einheitsgedanken der Bevölkerung. Die erste und zugleich letzte freie Volkskammerwahl am 18. März 1990 setzt ein deutliches Signal für die mit der CDU kooperierende „Allianz für Deutschland“. Die ausländischen Regierungschefs gewinnt Helmut Kohl für die Wiedervereinigung, indem er um Vertrauen wirbt. Freundschaften zu Michail Gorbatschow, George Bush, François Mitterrand und anderen Partnern sind die Basis, um die Zustimmung zur Deutschen Einheit zu erlangen. Eine Wiedervereinigung Deutschlands in den Grenzen von 1937 lehnt Helmut Kohl ebenso ab wie übersteigerten Nationalismus. Als europäischer Visionär verankert er vielmehr nun das wiedervereinigte Deutschland im westlichen Bündnissystem. Dieses Einvernehmen mit den Partnern, mit den europäischen Nachbarn, insbesondere die Freundschaft mit Frankreich und die Versöhnung mit Polen sowie die vertrauensbildende Beziehung zu Russland zeugen vom Willen, die deutsche Geschichte in den größeren europäischen Zusammenhang einzubinden.

Der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 folgt am 2. Dezember die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl: Helmut Kohl wird erster Bundeskanzler des wiedervereinigten Deutschlands.

Herausforderungen in der zweiten Regierungshälfte

Die größte Herausforderung nach der staatsrechtlichen Einheit besteht in der ökonomischen, sozialen und emotional inneren Zusammenführung der nunmehr sechzehn Bundesländer. Die unterschätzte Erblast der DDR-Vergangenheit fordert finanziellen Tribut, notwendige innenpolitische Reformen werden von einer SPD-geführten Mehrheit im Bundesrat zunehmend blockiert. Dennoch werden die staatlichen Unternehmen für Post und Telekommunikation erfolgreich privatisiert und entmonopolisiert, der Arbeitsmarkt dereguliert, die Unternehmenssteuern reformiert, die Sozialversicherungssysteme an die demografische Entwicklung angeglichen. In der Außen- und Sicherheitspolitik muss die Bundeswehr mit stark umstrittenen „Out-of-area"-Einsätzen dem internationalen Beziehungsgeflecht angepasst werden.

Als die CDU 1998 die Bundestagswahl verliert, endet nicht nur die sechzehnjährige Kanzlerschaft. Helmut Kohl gibt nach 25 Jahren auch das Amt des Parteivorsitzenden der CDU ab.


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Hanns Jürgen Küsters