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IMAGO / Le Pictorium

国家报道

Die EU und ihre globalen Partner in einer neuen Legislaturperiode

Dr. Olaf Wientzek, Jonas Nitschke, Louis Bout, Nicole Linsenbold

Nutzen oder Schwierigkeiten bei der Umsetzung?

Mit Blick auf die Beziehungen zu den globalen Partnern der EU hat die wieder-gewählte Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ho-he Ambitionen formuliert. Als sie 2019 ihre erste Kommission als eine ‚geopolitische‘ bezeichnete, erschien dies als eine gewagte und – für einige – kontroverse Wortwahl. Angesichts von zwei großen Konflikten in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU und einem zunehmend fragilen globalen Umfeld scheint die Stärkung der Beziehungen zu globalen Partnern nicht mehr nur eine Wahl, sondern eine Notwendigkeit für die EU zu sein. Zwar befindet sich die EU noch am Anfang einer neuen Legislaturperiode, doch lassen politische Leitlinien, Anhörungen, Interviews und nicht zuletzt die neue Zusammensetzung der Kommission, des Parlaments und des Rates die zukünftigen Prioritäten und Strategien Brüssels gegenüber der Welt erahnen. Ein völliger Strategiewechsel der EU gegenüber ihren globalen Partnern erscheint unwahrscheinlich er-scheint, jedoch zeichnen sich bereits jetzt einige Tendenzen ab: mehr (interessengetriebener) Pragmatismus, mehr Priorisierung und mehr Partnerschaften auf Augenhöhe.

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Eine veränderte Aufstellung in einer neuen globalen Ordnung

Die Hauptantriebskraft für eine schrittweise Veränderung des Ansatzes der EU sind die erheblichen Veränderungen in ihrem geopolitischen Umfeld. Die EU hat mit den Auswirkungen eines Krieges an ihrer unmittelbaren Grenze zu kämpfen, der eine existenzielle kurz-, mittel- und langfristige Bedrohung für die EU selbst darstellt. Gleichzeitig hat sie immer noch Schwierigkeiten, eine gemeinsame Haltung zum Konflikt im Nahen Osten zu entwickeln. Darüber hinaus sieht sich die EU mit einem zunehmend selbstbewussten China konfrontiert. All dies geschieht vor dem Hintergrund einer kommenden Trump-Administration, die nicht nur einen höheren europäischen Beitrag zur eigenen Sicherheit verlangen wird, sondern auch die Entschlossenheit der EU in der Zukunft auf die Probe stellen könnte. Insgesamt ist der Ausblick düsterer geworden, ein starker Kontrast zu der ehrgeizigeren und optimistischeren Stimmung von 2019.

Zweitens scheint die Erkenntnis zu wachsen, dass der Einfluss der EU auf Länder außerhalb Europas nachlässt. In der vergangenen Legislaturperiode hatte die EU Schwierigkeiten, Handelsabkommen mit gleichgesinnten Partnern abzuschließen. Ihre internationalen Partner sind sowohl in multilateralen Foren als auch in bilateralen Gesprächen entschlossener und fordern einen Umgang auf Augenhöhe. Die globale Anziehungskraft der EU bleibt stark, aber die EU wird bei weitem nicht mehr als der alleinige Akteur angesehen. Der sogenannte ‚Brüssel-Effekt‘ der EU-Gesetzgebung, der davon ausgeht, dass EU-Vorschriften und -Gesetze auf globaler Ebene nachgeahmt werden, ist in einigen Politikfeldern inzwischen begrenzt. Einige der Gesetzgebungen, die die EU im Rahmen des Green Deal verabschiedet hat, haben bei vielen ihrer globalen Partner Irritationen ausgelöst, sei es beim Mechanismus für den CO2-Grenzausgleich (CBAM) oder noch mehr bei der EU-Entwaldungsinitiative (Deforestation). Was die Entwicklungspolitik betrifft, so haben mehrere kritische Stimmen innerhalb und außerhalb der Institutionen festgestellt, dass die EU-Politik an Priorisierung, einer umfassenden Strategie mangelte und die Interessen der EU sowie der Zielstaaten nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Drittens haben die Wahlen zum Europäischen Parlament zu einer erheblichen Verschiebung des Parlaments nach rechts im politischen Spektrum geführt – mit einigen Auswirkungen auf seine Außenpolitik: Die rechtsgerichtete EKR-Fraktion und die neu gebildete ‚Patrioten‘-Fraktion, die Parteien des rechten Randes umfasst, gehören zu den Gewinnern der Wahlen, ebenso wie die traditionell pro-europäische Mitte-Rechts-Gruppe der Europäischen Volkspartei (EVP). Gleichzeitig behält das (pro-europäische) Zentrum der EVP, S&D, Renew und die Grünen mehr als 60 % der Sitze. Beide Tendenzen spiegeln sich in der Außenpolitik des neuen EP wider. Es ist zu erwarten, dass die meisten Entscheidungen zur Außenpolitik weiterhin von einem breiten Konsens der pro-europäischen Gruppen unterstützt werden, also der EVP, S&D, Renew, oft unterstützt von den Grünen und/oder Teilen der moderat euroskeptischen EKR-Gruppe. Das neue Setup des EP hat jedoch gezeigt, dass je nach Fall auch unterschiedliche Mehrheiten eine Option sein können: Im September 2024 wurde eine Resolution, die Edmundo Gonzalez Urruita als rechtmäßig gewählten Präsidenten Venezuelas anerkannte, mit den Stimmen der EVP und der EKR, aber auch der rechtspopulistischen ‚Patrioten für Europa‘-Fraktion verabschiedet, während S&D und die Grünen sowie die Linksfraktion dagegen stimmten. Während dies eher eine Ausnahme als die Regel sein dürfte, war es ein erstes Signal der EVP, dass sie, wenn unbedingt nötig, nach flexiblen Mehrheiten suchen könnte.

Angesichts der politischen Ausrichtungen der nationalen Regierungen hat der Sieg der EVP und die leichte Verschiebung der EU nach rechts im Europäischen Parlament auch die neue Kommission politisch nach Mitte-Rechts verschoben: 14 Kommissare stammen aus der EVP oder können ihr nahegeordnet werden, 4-5 Kommissare gehören jeweils der sozialistischen oder der liberalen Renew-Familie an, während jeweils einer der EKR, den Patrioten nahesteht oder unabhängig ist.

 

Allgemeine Trends: Mehr Pragmatismus und Realismus im Zeitalter geostrategischer Rivalitäten

Die politischen Leitlinien, die Kommissionspräsidentin von der Leyen im September veröffentlicht hat, geben den Ton für die allgemeine Perspektive der EU in den kommenden Jahren an. Sie erkennen an, dass „wir in ein Zeitalter geostrategischer Rivalitäten eingetreten sind“. Die Leitlinien selbst stellen keinen vollständigen Bruch mit der Außenpolitik der EU dar, weder im Ton noch in der Richtung, aber sie markieren einen nüchterneren und ungeschönten Ton als in den vergangenen Jahren.

Im Allgemeinen wird erwartet, dass die EU einen etwas ‚pragmatischeren‘ Ansatz gegenüber ihren globalen Partnern verfolgt. Schon vor den EP-Wahlen gaben einige Kommissionsbeamte zu, dass der Ansatz, „weniger predigen und mehr praktizieren“ zu wollen, zunehmend an Bedeutung gewann. Ein wichtiges Zeichen dafür: Die Global Gateway-Initiative wird zunehmend ein wichtiges Instrument in der Partnerschaftspolitik der EU, wobei die EU-Delegationen eine Schlüsselrolle bei der Förderung dieser Initiative als weltweite Spitzeninitiative der EU spielen sollen.

Ein weiteres Indiz sind die Pläne der EU, ihre globale Präsenz basierend auf ihren Prioritäten anzupassen, die Koordination zu verbessern und von relativ standardisierten EU-Delegationen zu einer differenzierteren Präsenz überzugehen. Ein internes Papier des EAD (Europäischer Auswärtiger Dienst) argumentiert, dass die EU ihre Präsenz in Beitritts- und Nachbarländern, G20-Partnerländern, regionalen und multilateralen Zentren, aufstrebenden politischen und wirtschaftlichen Mächten im Indo-Pazifik, Afrika, Lateinamerika und dem Golf sowie in Ländern, in denen Instabilität eine Bedrohung für die Interessen der EU darstellt, verstärken sollte.[1] Im Gegenzug wird die EU ihre Präsenz in anderen Ländern, insbesondere in Subsahara-Afrika, voraussichtlich reduzieren. Drittens erkennt die EU an, dass die Beziehungen zu globalen Partnern auf Augenhöhe gestaltet werden müssen: Die politischen Leitlinien von von der Leyen besagen, dass die EU ‚besser auf die Bedenken unserer Partner hören und darauf reagieren‘ muss, die von europäischer Gesetzgebung (insbesondere des Green Deals) betroffen sind.[2]

Die Botschaften in Bezug auf die Handelspolitik sind gemischt: Einerseits wird die EU voraussichtlich ihre Bemühungen fortsetzen, Freihandelsabkommen mit Schlüsselstaaten wie Indien, den Philippinen und Thailand abzuschließen, andererseits wird sie auch stärkere Maßnahmen ergreifen, um Lieferketten zu sichern. Allein die Tatsache, dass der Titel des Handelskommissars auch ‚wirtschaftliche Sicherheit‘ umfasst, deutet auf einen vorsichtigeren Ansatz hin. Mehrere Kommissare hoben die Notwendigkeit hervor, Rohstoffpartnerschaften abzuschließen oder zu vertiefen (u. a. mit der DR Kongo).

Die EU wird auch versuchen, ihre Kapazität als Sicherheitsakteur zu stärken: Die Ernennung eines eigenen Verteidigungskommissars, des litauischen Ministerpräsidenten Andrius Kubilius (EVP), ist ein klares Signal. Seine Ernennung und die Wahl der ehemaligen estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas zur Hohen Vertreterin und Vizepräsidentin sind klare Botschaften an Russland, dass die zweite Kommission von von der Leyen ihre Haltung gegenüber Moskau nicht abschwächen und Außen- sowie Sicherheitspolitik nicht ohne die Einbeziehung kleinerer Mitgliedstaaten betreiben wird.

Ein Thema, bei dem sich die Positionierung im Vergleich zu vor fünf Jahren verschoben hat, ist die Beziehung zu China. Während China bis vor Kurzem als Partner, Wettbewerber und Rivale bezeichnet wurde, betont das aktuelle Dokument eindeutig die Rolle Chinas als Wettbewerber und Rivalen – unter anderem aufgrund unfairer Praktiken und Chinas ‚grenzenloser‘ Freundschaft mit Russland. Die Leitlinien sowie verschiedene Kommissare plädieren für einen De-Risking-Ansatz gegenüber China, um die wirtschaftliche Abhängigkeit Europas zu verringern. In ihren Beziehungen zu Afrika betont die neue EU-Führung die Bedeutung einer ‚gleichwertigen‘ Partnerschaft. Lateinamerika wird im Kontext der Mercosur-Handelsabkommen und als gleichgesinnte Region auf der globalen Bühne hervorgehoben, während das Mittelmeer als zentrales Drehkreuz für erneuerbare Energieprojekte betrachtet wird. Trotz dieser bedeutenden Veränderungen gibt es weiterhin viel Kontinuität im Ansatz der EU: Sie bleibt eine starke Unterstützerin multilateraler Institutionen (einschließlich einer starken Unterstützung für eine reformierte WTO). Während die Rolle der EU als Förderin der Demokratie in den Leitlinien, den Aufgabenbeschreibungen der EU-Kommissare und in den Anhörungen nicht so stark hervorgehoben wurde, haben mehrere Kommissare auf die Bedeutung der Werte der EU, der Bekämpfung von Desinformation und der Förderung der demokratischen Resilienz hingewiesen. Das ‚Demokratie‘-Portfolio wird explizit im Titel von zwei Kommissaren genannt (Exekutiv-Vizepräsidentin Henna Virkkunen (EVP) und Michael McGrath (Renew)).

 

Prioritäten der neuen Kommission – ‚Prinzipiengeleiteter Pragmatismus 2.0‘?

Wie in den vorherigen Legislaturperioden werden verschiedene EU-Kommissare unterschiedliche Aspekte der Beziehungen der EU zu ihren globalen Partnern außerhalb Europas behandeln. Abgesehen von dem niederländischen Christdemokraten Wopke Hoekstra, der ein weitgehend ähnliches Portfolio (Klimaschutz) behalten wird, werden alle Kandidaten, die ein mit Außenbeziehungen verbundenes Portfolio übernehmen, entweder neu in dieser Funktion sein (Maroš Šefčovič, Dubravka Suica) oder komplette Neulinge in der Europäischen Kommission insgesamt (Hadja Lahbib, Kaja Kallas, Jozef Sikela) sein.

Während Krisen und globale Entwicklungen die Agenda erheblich mitbestimmen werden, lohnt es sich dennoch, sowohl die Aufgabenbeschreibungen (‚mission letters‘) der Kommissare als auch die Anhörungen der neuen Kommissare im Europäischen Parlament zu untersuchen, die im November 2024 stattfanden.

Die ranghöchste Figur (abgesehen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen) in der neuen Europäischen Kommission ist die Hohe Vertreterin (HR) der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, die ehemalige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Sie unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht von ihren Vorgängern: Sie ist die erste HR, die keine Sozialdemokratin (sondern eine Liberale) ist, und die erste, die aus einem Land stammt, das erst 2004 der EU beigetreten ist. Nicht überraschend ergab ihre Anhörung ein starkes Bekenntnis zu anhaltender militärischer, wirtschaftlicher und politischer Unterstützung für die Ukraine gegen die russische Aggression sowie eine klare Unterstützung für den EU-Beitritt der Ukraine. Sie erklärte eindeutig, dass der Sieg der Ukraine ihre Priorität sei, forderte, dass jeder Mitgliedstaat 0,25 % des BIP für die Ukraine ausgeben sollte, und drängte darauf, dass eingefrorene russische Vermögenswerte zum Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden sollten. Sie sieht Russland als den Hauptakteur, der die globale Stabilität untergräbt, und zeigte sich der gegenseitigen Unterstützung autokratischer Länder und Kräfte bewusst. Der Kampf gegen hybride Bedrohungen und Desinformation wird eine hohe Priorität auf ihrer Agenda haben. Während sie sich zu Russland sehr deutlich äußerte, war Kallas in Bezug auf andere Themen (z. B. Iran) vorsichtiger oder allgemeiner. Wie andere Kommissare bevorzugt sie einen De-Risking-Ansatz gegenüber China. Kallas äußerte auch Unterstützung für die Modernisierung und Handelsabkommen mit Ländern wie Mexiko, Chile und Mercosur als Möglichkeit, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verstärken und den chinesischen Einfluss einzudämmen. Sie betonte ebenso die Unterstützung für die demokratische Resilienz in Ländern wie Venezuela oder Kuba. Kallas beschrieb Lateinamerika und die Karibik als natürliche Partner, die Werte und Interessen mit der EU teilen, und sprach sich auch relativ deutlich dafür aus, Menschenrechte, Demokratie und Medienfreiheit als Kernwerte der EU-Führung zu verteidigen, insbesondere im Kampf gegen staatlich geförderte Desinformation. Es bleibt abzuwarten, inwieweit ihr Haus – der Europäische Auswärtige Dienst, der bis zu einem gewissen Grad von der sozialdemokratischen Führung geprägt wurde – personelle Veränderungen erfahren wird. Ihre ersten zwei Tage im Amt und ihre sehr klaren Aussagen unter anderem zum autoritären Vorgehen der Regierung in Georgien zeigen bereits einen anderen Ton und deuten darauf hin, dass sie (als ehemalige Ministerpräsidentin) ihre Rolle möglicherweise entschlossener und durchsetzungsfähiger interpretieren könnte.

Der neue Kommissar für Handel und Wirtschaftssicherheit, Maroš Šefčovič (der der Smer-Partei nahe steht, die derzeit aus der S&D ausgeschlossen ist), ist ein Brüssel-Veteran und seit 2009 slowakischer Kommissar. Der Name seines Portfolios deutet bereits darauf hin, dass Šefčovič ein Gleichgewicht finden muss zwischen dem Abschluss von Handelsabkommen, der Förderung des regelbasierten Handels, der Sicherung von Rohstoffvereinbarungen auf der einen Seite und der Stärkung der Resilienz der Lieferketten sowie der Minderung wirtschaftlicher Risiken durch die Festigung der wirtschaftlichen Sicherheit der EU auf der anderen Seite. In der Anhörung hat er sich für die Initiative zu kritischen Rohstoffe stark gemacht und gemeinsame Einkaufsmechanismen vorgeschlagen (!). Er setzte sich ebenso für die Modernisierung der Handelsschutzinstrumente, eine Verschärfung der Investitionsprüfung und den Einsatz von Exportkontrollen ein, um wirtschaftlicher Erpressung und unlauteren Handelspraktiken entgegenzuwirken. In Bezug auf China betonte Šefčovič die Bedeutung von De-Risking und die Diversifizierung, um die Abhängigkeiten zu verringern, indem die Beziehungen zu Indien, Lateinamerika, dem Indo-Pazifik und Afrika gestärkt werden. Šefčovič versuchte, das Parlament zu versichern, dass er die europäischen Interessen gegenüber China entschlossen verteidigen werde; sei es im Hinblick auf Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Landwirte, sei es hinsichtlich der Überkapazitäten. Einige Abgeordnete äußerten Bedenken aufgrund seiner Nähe zum slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, der eine wohlwollende Haltung gegenüber China verfolgt hat. Er möchte die EU als globalen Leader in nachhaltiger Entwicklung, transparentem Handel und Wirtschaftssicherheit positionieren und so eine glaubwürdige Alternative zu China bieten, insbesondere in Regionen, in denen Chinas Präsenz gewachsen ist, mit besonderem Fokus auf Lateinamerika. Angesichts der Schwierigkeit, umfassende Handelsabkommen abzuschließen, betonte Šefčovič die Bedeutung flexiblerer Abkommen, d. h. in manchen Fällen auch nur sektoraler Abkommen. Bei der Bewertung der laufenden Verhandlungen äußerte sich Šefčovič vorsichtig: In Bezug auf die Gespräche mit Australien, Thailand und den Philippinen unterstrich Šefčovič die Notwendigkeit, die Verhandlungen voranzutreiben.

Die kroatische Kommissarin Dubravka Šuica (EVP) kehrt als Kommissarin für das Mittelmeer in das Kommissionskollegium zurück. Die Schaffung dieses neuen Portfolios sendet eine klare Botschaft, dass die EU trotz des Fokus auf die Ukraine und die östliche Nachbarschaft der EU das südliche Mittelmeer als eine Region von entscheidender Bedeutung ansieht. Die Leitinitiative wird ein „Neuer Pakt für das Mittelmeer“ sein, den Šuica auch als Pakt für die europäische Wettbewerbsfähigkeit bezeichnet hat. Diese Strategie soll Fragen der wirtschaftlichen Stabilität, der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Migrationsbewältigung sowie der Förderung von wirtschaftlicher, energetischer und digitaler Konnektivität integrieren. Eine Schlüsselinitiative unter diesem Pakt ist die Entwicklung einer Initiative zur „Trans-mediterranen Energie- und Clean-Tech-Zusammenarbeit“, um erneuerbare Energien und die Herstellung von Clean-Tech zu fördern. Die EU wird auch versuchen, koordinierte Maßnahmen in der Sicherheit sowie im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus zu stärken. Šuica wird eng mit anderen Kommissaren koordinieren müssen, da ihr Portfolio Themen umfasst, bei denen andere Kollegen wahrscheinlich die Führung übernehmen werden, sei es bei Migration oder dem Nahostkonflikt. Šuica skizzierte Pläne, die Partnerschaften mit Jordanien und Marokko auszubauen. Während die allgemeine Erzählung den Fokus der EU auf Wirtschaft, Energie und Migration widerspiegelte, verpflichtete sich Šuica auch zur Wahrung und Förderung von Menschenrechtsstandards. Sie betonte ebenso die strategische Bedeutung der Stärkung der Partnerschaften mit dem Golf-Kooperationsrat (GCC) im Rahmen der breiteren Nahoststrategie der EU.

Angesichts der Tatsache, dass die Maßnahmen im Rahmen des Green Deals von Drittstaaten aufmerksam verfolgt wurden und zuweilen Kontroversen ausgelöst haben, wird eine wichtige Dimension der Arbeit des Kommissars für Klima und sauberes Wachstum, Wopke Hoekstra (EVP, Niederlande), darin bestehen, sich auf die internationale Dimension zu konzentrieren, mit Partnern weltweit zusammenzuarbeiten und die Klimadiplomatie zu stärken, insbesondere mit großen Emittenten wie den USA, China und Indien. In dieser Rolle wird Hoekstra dazu beitragen, die globale Klimas- und Energievision der EU für die nächste COP in Brasilien voranzutreiben. Sein Portfolio wird daher auch die neuen Clean Trade- und Investitionspartnerschaften umfassen, um die Versorgung mit Rohstoffen, sauberer Energie und Clean-Tech weltweit zu sichern. Während der Anhörung betonte Hoekstra das EU-Emissionshandelssystem (ETS) als ein wichtiges Instrument zur Erreichung der Klimaziele. Er betrachtet den umstrittenen Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) als ein wichtiges Instrument, um Kohlenstoffleckagen (Carbon leakage) zu verhindern (und nicht als handelssteuernde Massnahme): Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und die Industrie zu schützen, spricht er sich dafür aus, die Überprüfung von CBAM auf 2025 vorzuziehen, anstatt bis 2027 zu warten.

Das Portfolio „Internationale Partnerschaften“ ist eines, bei dem Beobachter in Brüssel die bedeutendsten Veränderungen erwarten. Während die vorherige Kommissarin, die finnische Sozialdemokratin Jutta Urpilainen, noch einer relativ klassischen Interpretation der Entwicklungspolitik der EU folgte, wird erwartet, dass der ehemalige tschechische Handelsminister Jozef Síkela (nominiert von STAN, einer Partei der EVP-Fraktion im EP) eine wirtschaftsfreundlichere Perspektive nach Brüssel bringt. Seine Hauptaufgabe wird es sein, die Global Gateway-Initiative auf die nächste Stufe zu bringen und ihre Schlüsselrolle zur Unterstützung der globalen Konnektivität und Investitionen zu sichern. Während seiner Anhörung legte Síkela sechs Prioritäten fest: Mobilisierung von Investitionen, Verbesserung der Flexibilität von Global Gateway für Schnellprojektverfahren, Bekämpfung der Ursachen für irreguläre Migration, Konfliktprävention und gute Regierungsführung; gegenseitig vorteilhafte Partnerschaften und die Ausrichtung auf die Nachhaltigkeitsziele des Green Deals. Insgesamt betonte er eine stärkere Einbindung von Unternehmen in Global Gateway, die Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften zur Risikominderung bei Investitionen und plädierte für regelmäßige Überwachung sowie die Festlegung realistischer Ziele. Er betonte auch die Bedeutung des „Team Europe-Ansatzes“, d.h. eine stärkere Einbeziehung der EU-Mitgliedstaaten und der Entwicklungsbanken. Síkela äußerte auch Bedenken bezüglich der Beschaffungsregeln, die es ermöglichen, dass mit EU-Mitteln finanzierte Projekte chinesische Anbieter anstelle von lokalen oder europäischen Anbietern auswählen. Trotz der starken Priorisierung von Global Gateway als Schlüsselinstrument der zukünftigen Partnerschaftspolitik der EU adressierte Sikela die Bedenken NGOs und betonte, dass es immer noch Raum für „klassische“ Entwicklungspolitik gebe. Er unterstrich auch die Bedeutung der Wahrung der Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsstandards, auch in den Rohstoffpartnerschaften der EU. Síkela betonte ebenfalls die Bedeutung der Stärkung der Partnerschaft mit dem afrikanischen Kontinent im Kontext des starken Einflusses von Russland und China und zeigte sich offen für die Untersuchung von Möglichkeiten der Schuldenerleichterung für EU-Partner.

Die neue Kommissarin für Gleichstellung, Krisenvorsorge und Krisenmanagement, die ehemalige belgische Außenministerin Hadja Lahbib (Renew), betonte den Übergang der EU von einer reaktiven zu einer proaktiven Krisenvorsorge. So wird eine neue EU-Strategie für Krisenvorsorge den Fokus auf Antizipation, Prävention und das Management von Katastrophen legen. Klimaanpassungsfähigkeit wird ebenso ein wichtiger Schwerpunkt sein, ebenso wie die Stärkung der Bereitschaft für gesundheitliche Notfälle und andere Bedrohungen, basierend auf den Lehren aus der COVID-19-Pandemie. Lahbib verpflichtete sich zum „Triple Nexus“-Ansatz, der humanitäre, entwicklungspolitische und friedensfördernde Maßnahmen integriert. Sie versprach, 15% der humanitären Hilfe für weniger bekannte Konflikte bereitzustellen. In Bezug auf Fragen zur stark kritisierten UN-Agentur UNRWA verwies Lahbib auf Untersuchungen, die die „unersetzliche Rolle“ von UNRWA bestätigten. Was die wachsende Kluft zwischen humanitären Bedürfnissen und verfügbaren Mitteln betrifft, betonte Lahbib die Bedeutung einer breiteren Geberbasis und einer stärkeren Einbeziehung des privaten Sektors.

 

Kommentar – Eine schwierige Balance und die entscheidende Rolle der EU-Mitgliedstaaten

Einige erste Eindrücke machen Hoffnung für die kommenden Jahre: Der realistischere und nüchternere Ton, die klaren Ansagen der neuen Hohen Vertreterin, die geplante verstärkte Einbeziehung des privaten Sektors in die Partnerschaftspolitik der EU, das Engagement für den Aufbau wirklich gleichberechtigter Partnerschaften und der Versuch, in ein "prinzipientreuen Pragmatismus" einzutreten.[3]. Die Unterzeichnung des Mercosur-Abkommens Anfang Dezember durch die Kommissionpräsidentin ist ein gewagtes, aber sehr wichtiges Signal. Dennoch wird die EU vor sehr schwierigen Balanceakten und Herausforderungen stehen:
Zunächst muss ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen dem neuen Schwerpunkt auf Infrastruktur mit dem erweiterten Global Gateway, den (immer noch benötigten) traditionellen Entwicklungspolitiken und der humanitären Hilfe. Darüber hinaus wird die EU ein Gleichgewicht finden müssen zwischen interessegeleitetem Pragmatismus und der Wahrung ihrer Rolle als einer der (wenigen) globalen Förderer der Demokratie. Während das „Wie“ der Demokratieförderung der EU sicherlich einer kritischen Prüfung bedarf, wird die EU von vielen immer noch als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die weltweit zunehmenden autoritären Tendenzen angesehen.

Während Priorisierung, sowohl thematisch als auch geografisch, willkommen ist, muss die EU dies sorgfältig angehen. Sie sollte es vermeiden, globale Partner zu entfremden, die möglicherweise nicht die oben genannten Kriterien aus dem internen EAD-Papier erfüllen, aber dennoch zuverlässige, gleichgesinnte Verbündete in Bezug auf die Werte der EU sind, wie zum Beispiel in den Vereinten Nationen und anderen multilateralen Foren. In einer Ära selbstbewusst auftretender Autokratien wird es wichtig bleiben, kleinere oder mittelgroße gleichgesinnte Länder nicht zu vergessen.

Die erfolgreiche Unterstützung für die Ukraine wird der ultimative Lackmustest für die globale Glaubwürdigkeit der EU bleiben; es ist daher verständlich, dass dies die Hauptpriorität der neuen Hohen Vertreterin ist. Es wird jedoch nach wie vor entscheidend sein, Länder in anderen Regionen nicht zu vernachlässigen – in diesem Zusammenhang ist das Signal mit dem neuen Mittelmeer-Pakt zumindest politisch wichtig.

Die Stärkung der Beziehungen zu Partnern in wichtigen Regionen wie dem Indo-Pazifik erfordert mehr als die Schaffung regionaler Foren, die extrem unterschiedliche Länder mit äußerst unterschiedlichen Ambitionen und einer sehr unterschiedlichen Kompatibilität mit den Interessen und Werten der EU umfassen. Vielmehr wird die globale Glaubwürdigkeit der EU durch ihre Fähigkeit bestimmt, konkrete Ergebnisse zu liefern – gemessen an unter anderem dem Abschluss von Handelsabkommen, bedeutungsvollen Global Gateway-Projekten und greifbaren Formen politischer Unterstützung. Experten und Diplomaten aus wichtigen globalen Partnerländern betonten in den letzten Monaten, dass es wenig Interesse an zeremoniellen Gipfeltreffen gibt, die kaum mehr als gemeinsame Erklärungen hervorbringen. Der EU-Afrika-Gipfel 2025 wird ein erster Testfall dafür sein. Ebenso wird es entscheidend sein, dass die Strategie gegenüber China nicht nur auf Absichten basiert. Vielmehr werden konkrete Maßnahmen erforderlich sein, etwa durch die Sicherung von Lieferketten für seltene Erden. Wie Partner aus befreundeten Ländern wie Kanada oder Australien der EU derzeit regelmäßig in Erinnerung rufen: Die Zeit für Naivität ist vorbei.

Die EU wird sich auf mehr – und nicht weniger - Konflikte vorbereiten müssen. Ihre Glaubwürdigkeit wird daher auch davon abhängen, dass die Verteidigungsausgaben weit über 2 % des BIP hinaus erhöht und ein echter gemeinsamer Verteidigungsmarkt geschaffen werden. Die Stärkung der europäischen Produktion und Industrie ist daher keine Wahl, sondern eine Notwendigkeit. Oder wie der neue Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt, Andrius Kubilius, es ausdrückte: „Wenn du den Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor.“

Die Fähigkeit der EU, stärkere Partnerschaften zu schmieden und ihre globale Stärke zu steigern, wird die Bereitschaft erfordern, schmerzhafte Kompromisse einzugehen und über kurzfristige nationale Interessen hinaus zu denken – eine sehr herausfordernde Aufgabe, da mehrere Regierungen im Inland stark unter Druck stehen. Die deutsche Ablehnung von Zöllen auf chinesische Elektrofahrzeuge und die anhaltende Opposition von Frankreich und anderen EU-Mitgliedstaaten gegen das Mercosur-Handelsabkommen zeigen, dass selbst EU-Gründungsmitglieder noch einen langen Weg vor sich haben.

Eine weitere Herausforderung wird sein, ihre Partnerschaften mit wichtigen Partnern zu vertiefen, ohne mehr Mittel dafür zu haben – insbesondere, während ein erheblicher Teil der politischen und finanziellen Ressourcen (zu Recht) weiterhin der Ukraine gewidmet ist. Der neue Mehrjährige Finanzrahmen (MFR), der eine signifikante Neuausrichtung der Prioritäten und eine Umverteilung der Ressourcen ermöglichen würde, wird erst 2028 in Kraft treten.

Eine stärkere globale Rolle der EU wird von einer harmonischen Zusammenarbeit der Schlüsselakteure sowohl in der Kommission als auch im Europäischen Rat abhängen; es wird entscheidend sein, dass die Kommissionspräsidentin, der künftige Präsident des Europäischen Rates (der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António Costa) und die neue Hohe Vertreterin ein besseres Gleichgewicht und eine bessere Aufgabenverteilung finden als ihre Vorgänger in den letzten fünf Jahren. Gleichzeitig bleiben viele Aspekte der Außenpolitik der EU intergouvernemental, und in Schlüsselbereichen (Naher Osten, geografische Priorisierung und China) bestehen trotz einiger Fortschritte weiterhin Divergenzen. Es wäre entscheidend, dass die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten den Mut haben, nicht nur in Kategorien von nationalen, sondern auch von langfristigen europäischen Interessen zu denken. Selbst die beste und geostrategisch am besten ausgerichtete Kommission und das Europäische Parlament werden nicht in der Lage sein, den derzeitigen Mangel an europäischer Führung im Europäischen Rat auszugleichen. Sowohl Frankreichs als auch Deutschlands Fähigkeit zur Führung in diesem Forum hat erheblich gelitten. Aus unterschiedlichen Gründen können weder Spanien noch Italien derzeit diese Lücke füllen. Während Polen und sein Ministerpräsident in gewissem Maße eine führende Rolle ausüben und ein hohes Maß an Respekt genießen, kann auch Polen die Lücke, die von Frankreich und Deutschland hinterlassen wurde, nicht voll ausgleichen. Der nächste deutsche Kanzler wird sich daher unmittelbar mit einer starken Aufforderung konfrontiert sehen, einen bedeutenden Beitrag zum Europäischen Rat zu leisten und europäische Führung zu übernehmen – in Koordination mit anderen Schlüsselakteuren.

Über all dem schwebt die Perspektive einer zweiten Trump-Administration: Während Appelle legitim sind, dass „die EU endlich ihren Kurs finden“ und „liefern“ muss, bleibt abzuwarten, ob die EU tatsächlich in der Lage sein wird, die notwendigen Schritte zu unternehmen.


[1] https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2024/11/25/doc_1.pdf

[2] https://commission.europa.eu/document/download/e6cd4328-673c-4e7a-8683-f63ffb2cf648_en?filename=Political%20Guidelines%202024-2029_EN.pdf

[3] Der Begriff des „prinzipiengeleiteten Pragmatismus“ ist seit mindestens einem Jahrzehnt präsent, was zeigt, dass die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen interessens- und wertegeleiteter Politik keine neue Herausforderung ist.

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Olaf Wientzek bild

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