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Ergebnisse des Accra-Gipfels zur Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit

von Dr. Christian Ruck

„Zwischenruf der Politik“

Bei dem mit Teilnehmern aus über 100 Ländern sehr breit aufgestellten dritten High Level Forum on Aid Effectiveness hat man sich darauf verständigt, dass künftig eine stärkere Eigenverantwortung der Entwicklungsländer und eine Verstärkung des Partnerschaftsgedankens beim Verhältnis zwischen Entwicklungs- und Geberländern in den Vordergrund gerückt werden muss. Dies ist der Leitgedanke der Accra-Erklärung zum Abschluss des Forums über effektivere Entwicklungspolitik in der ghanaischen Hauptstadt. Auch sollen die Parlamente und die Zivilgesellschaft stärker als bisher in die Entwicklungsstrategien eingebunden werden. Die internationale Hilfe soll arbeitsteiliger und transparenter werden. Geber und Empfängerländer wollen sich zudem dem gemeinsamen Kampf gegen Korruption verpflichten.

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Im Laufe der Verhandlungen traten zum Teil erhebliche Gegensätze innerhalb der Gebergemeinschaft zu Tage. Der in der Accra Erklärung niedergelegte Kompromiss ist vor allem auch dem einigen Auftreten der Europäer zu verdanken.

I. Anspruch und Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit auf dem Prüfstand

Fünf Dekaden nach Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit durch die internationale Gemeinschaft steht die Entwicklungspolitik im Spannungsfeld zwischen berechtigter Kritik an ihrer bisherigen Wirksamkeit und der Bewältigung zusätzlicher Herausforderungen. Konnten die Teilnehmer des dritten High Level Forum on Aid Effectiveness der OECD eine angemessene Bilanz ziehen und neue Wege aufzeigen, wie die internationale Staatengemeinschaft das Instrumentarium der Entwicklungszusammenarbeit fit macht für die Bewältigung unserer gemeinsamen Zukunft? Werden die Ergebnisse von Accra den Herausforderungen gerecht?

Die Globalisierung und neue geopolitische, wirtschaftliche und strategische Konstellationen stellen zusätzliche Herausforderungen und Ansprüche an die Entwicklungszusammenarbeit. Neben den bisherigen Kernherausforderungen wie die Armutsbekämpfung und Förderung der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zur Verhinderung von menschlichem Elend, Hunger, Kriegen und Bürgerkriegen haben sich zusätzliche Aufgabenfelder aufgetan. Heute geht es zusätzlich darum, die Folgen des Klimawandels, die aufkommende weltweite Energieknappheit, die steigenden Nahrungsmittelpreise, die Vernichtung ganzer Ökosysteme und der darin lebenden Artenvielfalt zu vermeiden bzw. beherrschbar zu machen. Weltweite Umweltveränderungen, die wachsende Konkurrenz um Rohstoffe und Arbeitsplätze in Verbindung mit hohem Bevölkerungswachstum vor allem in Entwicklungsländern haben zu gestiegener Unsicherheit und Entwicklungsverzögerung, zu interkulturellen und interreligiösen Spannungen, sowie wachsenden Migrations- und Flüchtlingsbewegungen geführt. Diese Faktoren schlagen sich nieder in politischem und religiösem Extremismus und Terrorismus und in der Folge zunehmenden Krisen und Konflikten, bis hin zum Staatszerfall. Entwicklungszusammenarbeit ist damit auch Teil einer präventiven Sicherheitspolitik, als Element einer erweiterten Sicherheitsstrategie.

Diese neuen zusätzlichen Herausforderungen und die bereits nicht mehr abwendbaren Folgen müssen in die Konzeption und Umsetzung der Entwicklungszusammenarbeit Eingang finden. Die Zahl der Akteure, Interessen und Zielkonflikte nimmt deutlich zu. Damit wird die Arbeitsteilung zur Verbesserung der Effizienz weiter erschwert.

Konkurrenz der Geber nimmt zu

Als ob die gemeinsamen Herausforderungen nicht schon groß genug wären, gerät die insgesamt positive Fortentwicklung der Entwicklungszusammenarbeit durch das zunehmende Interesse wichtiger globaler Mächte wie USA und China, aber auch aufstrebender Schwellenländer wie Indien an den Rohstoffen und insbesondere den fossilen Energieressourcen in Entwicklungsländern in Gefahr. Es ist zu beobachten, dass die zur Sicherung des Einflusses gewählten Instrumente denen des Kalten Krieges ähneln und aufgrund der Erfahrungen mit dem Sudan und mit Simbabwe zu befürchten ist, dass es erhebliche Probleme dabei geben wird, die für die Entwicklungsorientierung zentralen Elemente der Guten Regierungsführung als Grundlage der internationalen Entwicklungszusammenarbeit durchzusetzen und somit dazu beizutragen, den Rohstoffreichtum zum Segen für die betroffenen Länder nutzbar zu machen. Wenn die internationale Gemeinschaft diesem Trend nicht wirksam begegnet ist zu befürchten, dass gerade die am meisten von extremer Armut, Hunger und Krankheiten betroffenen Länder, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, in den kommenden Jahren keine Fortschritte bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen insbesondere bei der Regierungsführung machen werden und damit in ihrer Entwicklung noch weiter zurückfallen.

Forderungen nach Mittelaufstockung stärken die Rechenschaft der Geber und Nehmer

Zusätzlich angeheizt wird die Diskussion über die Wirksamkeit der Hilfe durch die Forderung nach einer deutlichen Aufstockung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Verfechter dieser Forderung müssen gegenüber der Öffentlichkeit und sonstigen Entscheidungsträgern in der Politik Rechenschaft ablegen über die Wirksamkeit des Mitteleinsatzes. Das gilt insbesondere innerhalb der Bundesregierung, die sich im eigenen Land einen eisernen Sparkurs auferlegt hat. Jene die mehr Geld fordern, müssen belegen können, dass die zur Verfügung gestellten Mittel auch einen sinnvollen Zweck erfüllen und bestmöglich in unsere eigene Zukunft und Sicherheit investiert werden.

Es entsteht eine lebhafte Diskussion über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit. Die deutsche und internationale Entwicklungspolitik müssen diese Debatte ernst nehmen, Erfolge und Misserfolge systematisch analysieren und kongruente, abgestimmte Strategien für eine Modernisierung der Entwicklungspolitik entwickeln und arbeitsteilig umsetzen. Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion über die Wirksamkeit der Zusammenarbeit zu beleuchten.

II. Einigkeit im Ziel: Geberharmonisierung als Mittel wirksamer Entwicklungszusammenarbeit

Die Geber sind sich im Wesentlichen einig, über die Ziele der gemeinsamen Entwicklungszusammenarbeit. Sie wurden im Rahmen der Vereinten Nationen in Form der Millenniumsentwicklungsziele festgelegt. Die hochrangigen Foren, die 2003 in Rom und 2005 in Paris stattfanden, betonten die Bedeutung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, zuletzt in der „Paris Declaration on Aid Effectiveness. Als Schwerpunkt wurden vor allem die Grundsätze der Eigenverantwortung der Partnerländer, Partnerorientierung bei der Ausrichtung der Entwicklungsstrategien, Harmonisierung der Geberaktivitäten, Einführung eines ergebnisorientierten Managements und der gegenseitigen Rechenschaftspflicht von beiden Seiten - Gebern und Nehmern - festgelegt. Die Paris-Erklärung verfeinerte diese Grundsätze der Zusammenarbeit in Form von 56 konkreten Partnerschaftsverpflichtungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit. Sie enthält auch zwölf Indikatoren, mit deren Hilfe die Forschritte bei der Umsetzung überprüft werden sollen.

III. Kritik an der Effektivität der Hilfe

Die Kritik an der Entwicklungspolitik kommt grundsätzlich aus zwei entgegen gesetzten Richtungen.

Die eine Seite appelliert: Die Rechnung „Mehr Geld = Mehr Entwicklung“ geht nicht auf! Es solle kein weiteres Geld an Regierungen der Entwicklungsländer fließen. Hinter dieser Forderung verbirgt sich die Behauptung, dass die Gelder häufig korrupte Regierungen der Empfängerstaaten unterstützten, dass die Mittel nicht bei den armen, wirklich bedürftigen Menschen ankommen. Die Hilfe sei künstliche Sozialhilfe, die eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung hemme und die Empfängerländer in einer ständigen Abhängigkeit von den großen Industrienationen belasse. Diese Kritik ist nicht neu und wird bereits in den Konzepten und in der Umsetzung der Zusammenarbeit beherzigt.

Hinter dem anderen, völlig entgegengesetzten Standpunkt der Kritik stehen oftmals prominente Persönlichkeiten aus Musik und Showbusiness oder der UN-Beauftragte für die Millenniumsentwicklungsziele, Professor Jeffrey Sachs. Sie fordern mehr soziale Verantwortung gemäß dem Motto „Wohlstand verpflichtet“. Man solle einen großen Schub durch massiv mehr Geld für die Unterstützung von Entwicklungsländern erzeugen. Bei dieser Forderung entsteht oftmals der Eindruck, dass vor allem mehr Geld allein das Leben und Überleben der Menschen in den wenig entwickelten Ländern retten kann.

Richard Manning beispielsweise, der bis vor kurzem noch der Vorsitzende des DAC Commitee der OECD war, belegt mit Zahlen, mit welchen Widrigkeiten unsere Partner zu kämpfen haben: „Im vergangenen Jahr haben Geber rund 70 000 neue Entwicklungsprojekte weltweit angeschoben. Rund 700 getrennte Hilfemissionen richteten sich allein an ein Land, Vietnam. Die Transaktionskosten für das Empfängerland sind auf diese Weise lächerlich hoch.“ Partnerländer seien durch Missionen, Mittel und Modalitäten der Partner überfordert, die Eigenverantwortung würde durch die Technokratisierung leiden, die Beteiligung der Parlamente auf ein Abnicken von lang ausgehandelten Vereinbarungen verkürzt.

Lösungsweg Budgethilfe?

Vor diesem Hintergrund wird das Instrument der Budgethilfe in die Diskussion eingeführt. Bedingt durch hohe Mittelzuwächse bei gleichzeitig unzureichenden oder fehlenden Umsetzungsstrukturen treten einige Geber – Weltbank, EU-Kommission, Großbritannien und die nordischen Staaten – für einen großzügigeren Einsatz dieses Instruments ein. Angesichts der oben geschilderten Zerfaserung der Hilfe, erscheint dieser Ansatz zunächst sehr interessant. Dabei sollen die Empfängerländer Finanzhilfen für ihre Haushalte erhalten, damit sie im Rahmen ihrer eigenen Politiken, Mittel zur Umsetzung gewinnen. Die Transaktionskosten sind gering, der Harmonisierungsaufwand minimal. Die Zielgrößen Ownership und Mittelabfluss scheinen erreichbar.

Der Bundesrechnungshof hat in einer vom Haushaltsausschuss des Bundestages angeregten Untersuchung jedoch darauf hingewiesen, dass es bisher keine gesicherten Erkenntnisse über die Vorteilhaftigkeit dieses Instrumentes gibt.

Wir müssen dieses Instrument daher vorsichtig und mit Bedacht einsetzen. Das Instrument der Budgethilfe kann zwar die Eigenverantwortung unter bestimmten Bedingungen stärken, jedoch sind nur in wenigen Ländern die Governance-Strukturen so ausgeprägt, dass die Mittel tatsächlich bei den Bedürftigen ankommen und dort für nachhaltiges Wachstum sorgen. Das von der Europäischen Union geforderte MDG contracting, das Budgethilfe für einen längeren Zeitraum zusichern soll, birgt die Gefahr Entwicklungen zu unterstützen, die der demokratischen Beteiligung eher entgegenlaufen, als diese zu befördern. Die Bundesregierung hat sich daher im Vorfeld zur Accra-Konferenz dafür eingesetzt, beim Thema Budgethilfe keine weitergehenden Zusagen der EU zu machen und das Instrument auf die Länder zu beschränken, die den erforderlichen Kriterien bei Regierungsführung und Rechenschaftslegung gerecht werden.

Fazit

Angesichts der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen bleiben die Ergebnisse der Konferenz hinter den Notwendigkeiten zurück. Accra war kein Durchbruch aber auch kein Rückschritt. Die Erklärung von Accra hat die zur Verbesserung der Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit notwendigen Schritte bei der Arbeitsteilung und der stärkeren Eigenverantwortung der Entwicklungsländer benannt. Verbindliche Absprachen oder gar Zeitpläne zu deren Umsetzung waren allerdings nicht zu erzielen. Die wesentlichen Ergebnisse waren auch schon Thema bei den vorangegangenen Foren in Rom und Paris.

Positiv ist die einige Haltung Europas insbesondere bei Fragen der Arbeitsteilung zu vermerken. Wenn die Europäer zusammenstehen, können in den kommenden Konferenzen – die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha steht schon vor der Tür – möglicherweise verbindlichere Vereinbarungen zur Arbeitsteilung und zur Stärkung der Eigenverantwortung erreicht werden.

In Accra wurde über die Wirksamkeit der Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit selber diskutiert. Wichtig sind jedoch vor allem auch Entwicklungsfaktoren, die nicht direkt über die operative Entwicklungszusammenarbeit beeinflusst werden, wie zum Beispiel die Handels-, Energie-, und Umweltpolitik.

Notwendig ist ein umfassender Politikansatz der nationalen Regierungen mit dem Ziel Entwicklungshemmnisse zu überwinden. Zersplitterung muss gestoppt und Kohärenz geschaffen werden.

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Sabine Gerhardt

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Berlin Deutschland