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Konferenzbericht Türkei

من Benjamin Fricke

Arbeitskreis Junge Außenpolitik

Im November 2018 tagte der Arbeitskreis Junge Außenpolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung (AK) auf Einladung des Auslandsbüros Ankara, um sich über die aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen in der Türkei auszutauschen. Die Studienreise blieb nicht auf die Hauptstadt beschränkt, sondern führte den AK auch nach Gaziantep und Killis.

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Die Teilnehmer der Reise

Mit Gesprächspartnern der Regierung, wie dem stellvertretenden Außenminister, einem Chefberater des türkischen Präsidenten Erdogans, AKP-Abgeordneten, einem Vertreter der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer sowie dem EU-Botschafter und dem Gesandten Deutschlands in Ankara diskutieren die Mitglieder des Arbeitskreises über die Zukunftsperspektiven der Türkei, EU-Mitglied zu werden genauso wie über den Stand der deutsch-türkischen Beziehungen und die Rolle der Türkei in ihrer Nachbarschaft. Vor diesem Hintergrund lag der Fokus der Gespräche immer wieder auf dem türkischen Umgang mit syrischen Flüchtlingen und der sicherheitspolitischen Lage im Nachbarland.

Die Teilnehmer während der Gruppendiskussion

Der gegenwärtige Stand der EU-Türkei Beziehungen und die Zukunft dieser waren einer der entscheidenden Gesprächsgegenstände der Reise. Ein intimer Kenner der Beitrittsverhandlungen skizzierte die aktuelle Lage auf beiden Seiten folgendermaßen: Innerhalb der EU stoße ein türkischer Beitritt mittlerweile insgesamt auf starke Ablehnung, auch wenn dies noch nicht offen formuliert werde. Dies müsse zunächst in persönlichen Gesprächen auf höchster politischer Ebene den türkischen Partnern mitgeteilt werden. Bedauerlicherweise sei der Dialog auf diesen Ebenen gegenwärtig sehr geschwächt. Insgesamt mangele es der EU an einer langfristigen Strategie gegenüber der Türkei. Das türkische Interesse an der EU wiederum sei stark von den eigenen gegenwärtigen Bedürfnissen abhängig. Offiziell halte die Türkei aber am strategischen Ziel eines EU-Beitritts fest. Über die Beitrittsverhandlungen hinaus richteten sich die türkischen Erwartungen an die EU vor allem auf die Frage der Zollunion sowie Visa-Erleichterungen. In diesem Zusammenhang kritisierte ein Gesprächspartner die Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten, gegenwärtig keinerlei Verhandlungen mit der Türkei über die Aktualisierung der Zollunion zu führen; damit hätte sich die EU selbst eines politischen Druckmittels gegenüber der Türkei beraubt. Türkische Gesprächspartner unterstrichen das fortgesetzte Interesse des Landes an einem EU-Beitritt. Allerdings verliere die EU aus türkischer Sicht an Glaubwürdigkeit, da Beitrittskriterien, die von der Türkei verlangt werden, von ehemaligen Kandidaten, die mittlerweile Mitglieder sind, nicht erfüllt worden seien. So wurde vermehrt von türkischer Seite eingewandt, dass der Sinn von Reformen sich nicht erschließe, sofern am Ende dieses Prozesses nicht die Beitrittsoption stünde.

Anknüpfend an die Optionen für die Türkei, der EU beizutreten, hoben viele türkische Gesprächspartner die besondere Bedeutung Deutschlands für die Türkei hervor. Diese resultiere aus ökonomischen und vielfältigen historischen Verbindungen sowie dem Tourismus als auch der großen türkischen Community von geschätzt 3,5 Millionen Türkischstämmigen, die in Deutschland lebten. Ein türkischer Abgeordneter der AKP wies den Kreis außerdem darauf hin, dass die deutsch-türkischen Beziehungen gut im Parlament vertreten seien, da viele Abgeordnete und Mitarbeiter von Parlamentariern, wie er selbst, in Deutschland geboren und aufgewachsen seien und daher die Realitäten, Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Kulturen kennten. Gleichwohl sei das Image der Türkei in den letzten Jahren in Deutschland, insbesondere in den Medien negativ behaftet gewesen und die negative Sichtweise auf die Türkei übertrieben worden. Deutsch-türkische Beziehungen könnten nicht nur bilateral betrachtet werden, sondern seien immer in die EU-Türkei-Beziehungen eingebettet. Stabilität, Prosperität und Demokratie der Türkei müsse daher im Interesse der EU sein. Insbesondere der Bereich der Wirtschaft biete die Chance für Veränderungen der ins Stocken geratenen Beitrittsverhandlungen: So würde eine Aktualisierung der Zollunion eine win-win-Situation für beide Seiten darstellen.

Die aktuelle wirtschaftliche Lage der Türkei beschrieb ein Mitarbeiter der Deutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer in weniger rosigen Worten. Die türkische Wirtschaft, die bis zuletzt durch eine starke Wirtschaftsentwicklung gegenzeichnet gewesen sei, erlitt im August 2018 einen starken Rückgang. Dies ließe sich am Beispiel des Rückgangs an Autoneukäufen (minus 80% im Sommer 2018 im Vergleich zum Vorjahr) illustrieren. Zudem habe das „chronische“ Leistungsbilanzdefizit der Türkei eine bremsende Wirkung auf die türkische Wirtschaft. Zusätzlich zu dieser belasteten wirtschaftlichen Lage ergeben sich aktuell für die Türkei zudem Probleme aufgrund der angespannten politischen Lage: Zwar sei es wichtig, Verständnis für die schwierige Situation der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch zu haben, dennoch schaffe das angespannte politische Klima sowie das neue politische System vor allem Verunsicherung für die Märkte und Unternehmer in der Türkei. Daraus resultiere, dass die aktuelle Stimmung bei deutschen Unternehmern in der Türkei relativ kritisch sei: So seien die Erwartungen nach den wirtschaftlichen Turbulenzen im August 2018 und der Vielzahl problematischer Erlasse im September 2018 eher pessimistisch. Darüber hinaus sei der Fachkräftemangel ein zentrales Problem für Unternehmer in der Türkei, zudem erwarte man einen „Braindrain“ in Folge der aktuellen politischen Krise. Gleichzeitig hätten die politische Annäherung zwischen Deutschland und der Türkei, durch vergangene Besuche auf politischer Ebene (Besuch des Außenministers Maas in der Türkei, Staatsbesuch Erdogans in Deutschland, Besuch des Wirtschafts- und Energieministers Altmaier mit einer Wirtschaftsdelegation in der Türkei) zu einem positiveren Klima beigetragen.

Auch die Rolle der Türkei in ihrer Nachbarschaft wurde vermehrt diskutiert. So befinde die Türkei sich nach Angaben türkischer Gesprächspartner umgeben von einem „ring of fire“ hinsichtlich des Konflikts in Syrien und mit der PKK im eigenen Land. Die Türkei sei von den Konflikten in ihrer Nachbarschaft direkt betroffen. Neben einem notwendigen Krisenmanagement engagiere sie sich derzeit vor allem darin eine politische Lösung in Syrien zu befördern, u.a. in dem Ankara mit verschiedenen Akteure wie Russland, Iran und USA spreche, um Initiativen umzusetzen, wie die Sicherheitszone in Idlib. Langfristig bedürfe eine politische Lösung für das Land aus türkischer Sicht drei Schritten: 1. Die Einrichtung einer Verfassungskommission, die ein neues System für eine geeintes, souveränes Syrien ausarbeitet, welches alle Syrer repräsentiere. 2. Eine Wahl, an der sich alle Syrer im In- und Ausland beteiligen könnten, um eine legitimierte Regierung im Amt zu heben. 3. Die Entwicklung und Umsetzung eines Plans zum Wiederaufbau des Landes. Die Türkei sei nicht nur an Sicherheit und Stabilität in Syrien, sondern ebenso in anderen Nachbarländern, Irak und Iran, interessiert und verfolge eine entsprechende Politik. Türkische Gesprächspartner unterstrichen, dass sich das Land mit keinem seiner Nachbarn im Krieg befinde und das obwohl Kämpfer der PKK sich teilweise im Norden des Irak und Syrien versteckten.

Neben Ankara besuchte der Arbeitskreis die Städte Gaziantep und Killis im Südosten des Landes, wo die Mitglieder sich mit der Bürgermeisterin bzw. dem Bürgermeister der jeweiligen Stadt unterhielten. Im Fokus beider Gespräche standen der türkische Umgang mit dem Bürgerkrieg im benachbarten Syrien. Wiederholt betonten die beiden, dass die Türkei seit Beginn des Krieges in Syrien 3,6 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarstaat aufgenommen habe. Sowohl die Bürgermeisterin von Gaziantep als auch der Bürgermeister von Killis unterstrichen die Herausforderungen, die mit der türkischen Gastfreundschaft einhergehen, so beispielweise die Integration der Syrer in den türkischen Arbeitsmarkt. Um die Beschreibungen der beiden Politiker besser einordnen zu können, besuchte der Kreis ein Flüchtlingszentrum in Nizip, unweit der syrischen Grenze. Zusätzlich kam der Kreis mit Wirtschaftsvertretern in Gaziantep zusammen, um sich ein Bild über die lokale ökonomische Situation in einer bedeutenden Region in der Türkei zu machen. So besuchten die Mitglieder des Kreises beispielsweise die Werkshalle eines Baggerherstellers.

Es lässt sich festhalten, dass sich die türkischen Teilnehmer vom Wert, der EU beizutreten, überzeugt zeigten – insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen. Wenig überraschend war, dass die türkischen Gesprächspartner den deutsch-türkischen Beziehungen eine herausragende Rolle im Rahmen des Beitrittsprozesses wie auch darüber hinaus zuschrieben. So wurde wiederholt hervorgehoben, dass enge wirtschaftliche, politische und kulturelle Verknüpfungen der beiden Länder zum Nutzen Deutschlands und der Türkei seien, nicht zuletzt aufgrund der großen türkischen Community, die in Deutschland lebt. Zwar wurden auch auseinandergehende Einschätzungen, beispielsweise der ökonomischen und rechtsstaatlichen Situation in der Türkei, nicht vertuscht, dennoch waren sich die Teilnehmer der Gespräche, türkische wie deutsche, einig darin, dass beide Länder ein großes Interesse daran haben, ihr Verhältnis „back on track“ zu setzen. Nach einigen Turbulenzen, denen die deutsch-türkischen Beziehungen in den vergangenen Jahren ausgesetzt waren, sei es nun an der Zeit, das bilaterale Verhältnis wieder zu normalisieren. Die KAS und ihr Arbeitskreis Junge Außenpolitik wollen darauf hinwirken, noch mehr Aufmerksamkeit der deutschen Politik auf die Türkei, ihre Entwicklungschancen und die Bedeutung der bilateralen Beziehungen zu richten.

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