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Juliane Liebers

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"Der Greta-Effekt und die Gerichtsbarkeit. Judizialisierung des Klimaschutzes – Ausweg oder Irrweg?"

15. Berliner Rechtspolitische Konferenz

Vergangene Woche Donnerstag trafen sich Vertreterinnen und Vertreter der Justiz, Rechtswissenschaft, Politik und der Zivilgesellschaft auf der zweitätigen Berliner Rechtspolitischen Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung. In kontroversen Podiumsgesprächen diskutierten sie anlässlich des „Klimabeschlusses“ des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichtes vom 24. März 2021, über die Rolle, Aufgabe und Grenzen der nationalen und internationalen Gerichtsbarkeit beim Klimaschutz.

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Gleich zu Beginn in seiner Begrüßungsrede zum abendlichen Empfang verdeutlichte der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Nobert Lammert, dass er durchaus überrascht von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes gewesen sei und betonte die beachtliche Spannbreite in der Wahrnehmung ein- und derselben Entscheidung des Gerichtes. Zugleich, so merkte er an, empfinde er persönlich die Entscheidung als „hochsympathisch“.

 

Entscheidungen zum Klimaschutz sind Alltag beim EuGH

Die Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft, Prof. Dr. Juliane Kokott, unterstrich in ihrem Festvortrag, dass der EuGH bereits seit Jahren mit Sachverhalten den Klimaschutz betreffend befasst sei. In zahlreichen umweltrechtlichen Verfahren leiste der EuGH bereits einen wesentlichen Beitrag. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH zum polnischen Braunkohleabbau an der Grenze zu Sachsen und Tschechien.

Auch in dem darauffolgenden Podiumsgespräch mit Dr. Brigitte Knopf, u.a. Mitglied und stellvertretende Vorsitzende des Klima-Expertenrates der Bundesregierung, stellte Kokott die Rolle des EuGH heraus, verdeutlichte aber gleichermaßen, dass die Lösung der Klimaschutzproblematik nicht beim EuGH liege. Im Unterschied zum Bundesverfassungsgericht agiere dieser vielmehr als ein Fachgericht. Zumal sich auch nicht die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde vor dem europäischen Gericht biete.

Knopf hingegen warnte bei aller Bedeutung des Klima-Expertenrates als Kontrollgremium vor einem Verfall in eine Expertokratie und sprach sich für die Aufrechthaltung einer klaren Rollenverteilung zwischen der Politik und dem Expertenrat beim Klimaschutz als intergenerationelle Angelegenheit aus.

Mit Verweis auf die enorme politische Verantwortung eröffnete Dr. Peter Fischer-Bollin, Hauptabteilungsleiter bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, den zweiten Tag der Konferenz.

Es lasse sich mit dem Klima zwar nicht verhandeln, aber die Bevölkerung müsse man unbedingt mitnehmen bei Maßnahmen zum Klimaschutz. Dies sei Aufgabe der Politik.

 

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist nicht übergriffig

In der ersten Diskussionsrunde des Tages zum Thema „Klimapolitik als Herausforderung für deutsche Gerichte“, betonte Dr. Roda Verheyen, Rechtsanwältin und Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht, das große Vertrauen der Deutschen in die deutschen Gerichte und beschrieb die Rolle der „Klimaklagen als Leitplanken und Beschleuniger“. Während Prof. Dr. Michael Eichberger, Richter des Bundesverfassungsgerichtes a.D., die Entscheidung des Gerichtes gegen den Vorwurf der Übergriffigkeit verteidigte und die „Reibung mit der Politik“ dem Verfassungsgericht als Aufgabe zuweist, lobte der Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Klaus F. Gärditz (Universität Bonn) den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes als schlüssige und zugleich zurückhaltende Entscheidung der Richterinnen und Richter aus Karlsruhe und hob das in dem Beschluss zum Ausdruck kommende und der Politik auferlegte „Konsequenzgebot“ in Sachen Klimaschutz hervor.

 

Der Dialog zwischen nationalen und internationalen Gerichten ist entscheidend

Tim Eicke, Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, machte in dem „Blick nach Straßburg: Klimaschutz und Menschenrechte“ auf die Gefahr einer möglicherweise zu großen Erwartungshaltung gegenüber dem EGMR aufmerksam. Der Gerichtshof sei kein Verfassungsgericht und derzeit sei noch offen, welche Rolle dieser beim Schutz des Klimas einnehmen würde. Prof. Dr. Dr. h.c. Helen Keller, u.a. Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte a.D., geht jedoch davon aus, dass sich auch der EGMR früher oder später zu diesen Fragen äußern muss, auch wenn das Pariser Abkommen keinen ausdrücklichen Bezug auf die Menschenrechte nimmt.

Die Europa- und Völkerrechtlerin Prof. Dr. Sigrid Boysen (Universität Hamburg) brachte neben dem Rechtsgüterschutz, die zusätzliche Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit ein. Für diese Frage sehe sie keine Zuständigkeit bei den internationalen Gerichten. Die Gerichte könnten lediglich Blockaden der Politik überwinden. In diesem Zusammenhang wies Eicke auf die zusätzliche Schwierigkeit hin, dass es hierbei auch nicht nur um Verteilungsfragen innerhalb eines Staates gehe. Alle drei konstatierten schließlich den Dialog des EGMR mit nationalen und internationalen Gerichten als Hauptaufgabe des Gerichtshofes. 

 

Gerichte können das Klima nicht retten

In dem letzten Podiumsgespräch befassten sich Staats- und Europarechtler Prof. Dr. Bernhard Wegener (Universität Erlangen-Nürnberg), Umwelt- und Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Claudio Franzius (Universität Bremen) und Prof. Dr. Dr. h.c. Gertrude Lübbe-Wolff, u.a. Richterin des Bundesverfassungsgerichtes a.D., mit den „Möglichkeiten und Grenzen richterlichen Klimaschutzes“.

Wegener gab zu bedenken, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes durch die Fachgerichte noch dynamisch werden könnte und ordnete die Entscheidung zumindest als „teilweisen Abschied von der richterlichen Zurückhaltung“ ein. Er sehe den Wandel des Klimas nicht nur als Risiko für das Klima selbst, sondern auch für den Rechtsstaat. Zugleich zeigte er die systemischen Grenzen für Gerichte auf und warnte vor einem systematischen Unterschätzen der Demokratie. Auch Franzius und Lübbe-Wolff verdeutlichten, dass die Gerichte weder der geeignete Ort für die Leitung des gesellschaftlichen Projektes Klimaschutzes noch für die Lösung aller in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme seien. Dennoch plädierte Franzius für die Gerichte als unabhängige Instanz, weil die Folgen des Klimawandels über den Verantwortungszeitraum gewählter Repräsentanten hinausreichen. Er bekräftigte aber auch, dass die Gerichte nicht versuchen sollten bessere Lösungen für den Klimaschutz zu finden als die Politik.

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