Unter dem Titel „Fernost…und doch so nah! Europas Umgang mit den Herausforderungen aus Ost- und Südost-Asien“ fand vom 25.-26. Januar in Bonn in Zusammenarbeit mit dem Bund Katholischer Unternehmer (BKU) die nun bereits zwölfte Ausgabe der Fachtagung Entwicklung und Wirtschaft statt. Die diesjährige Veranstaltung legte den regionalen Schwerpunkt auf Ost- und Südost-Asien, eine der am schnellsten wachsenden Regionen der Welt und wichtiger Wirtschaftspartner für deutsche Unternehmen
Zu Beginn wiesen Frank Priess, stellvertretender Hauptabteilungsleiter Europäische und Internationale Zusammenarbeit der KAS, und Daniel Trutwin, stellvertretender Vorsitzender des BKU, auf bereits bestehende Beziehungen mit der Region und die sich daraus ergebenden Chancen für Deutschland hin, aber auch auf die Herausforderungen für das deutsche Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell in der Zusammenarbeit mit der Region.
Dr. Michael Gude, Vorstandsvorsitzender der Cologne Chip AG und Mitglied des BKU-Bundesvorstands teilte in seiner einführenden Keynote-Rede seine Erfahrungen in der Region aus unternehmerischer Sichtweise. Mit Blick auf die weitaus höhere Umsetzungsgeschwindigkeit von Projekten in Asien fragte er die Teilnehmer – „liegt die Zukunft in Asien?“ Im anschließenden Gespräch mit MdB Gisela Manderla wurden unter anderem diskutiert, inwiefern die wirtschaftliche Entwicklung der Region zu Armutsbekämpfung beigetragen hat und ob eine Ausbreitung des Wirtschaftsmodells der Sozialen Marktwirtschaft auf China zu erwarten sei.
„Zwischen Naivität und Hysterie ist viel Platz für eine rationale China-Politik“
Das erste Panel beschäftigte sich mit den Auswirkungen Chinas auf Deutschland und Europas internationale Rolle. Die Panelisten attestierten, dass sich das globale Gewicht zunehmend nach Asien verschiebe und Großmächte – hier allen voran China – eine zentrale Rolle auf der internationalen Bühne einnehmen während Europa mit sich selbst beschäftigt etwas in Abseits gerutscht zu sein scheint. Ein Beispiel hierfür sei Chinas Präsenz und Engagement in Afrika. Michael Winzer, Leiter des KAS-Büros in Peking, und Dr. Heinricht Kreft, deutscher Botschafter in Luxemburg, betonten, dass sich in China momentan die wirtschaftliche Stärke mit dem Selbstbewusstsein paare, um den USA die Stirn zu bieten. So werde das chinesische Modell durch das großangelegte Infrastrukturprojekt „Belt and Road Initiative“ (BRI) in die Welt getragen – und findet Anklang. Viele Beobachter sehen das Projekt als Versuch Chinas seine langfristige Vormachtstellung zu sichern. Wie können also Deutschland und Europa hierauf reagieren? Dr. Christoph Hein, Asien-Pazifik Korrespondent der FAZ betonte, dass Deutschland trotz der wichtigen wirtschaftlichen Rolle Chinas den Mut haben müsse „nein“ zu sagen, wenn es beispielsweise um Übernahmen von Firmen geht, die als negativ gesehen werden. Dies sei jedoch nur in Rahmen eines geeinten europäischen Vorgehens möglich. Darüber hinaus wies Michael Winzer auf die enormen innenpolitischen Probleme Chinas hin, die in unserer Bewertung nicht außer Acht gelassen werden sollten, da sie ein reales Risiko der Fragilisierung des Landes schaffen und damit den weithin als gegeben gesehen Aufstieg in Frage stellen könne.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz: „China macht – wir denken“
Während Künstliche Intelligenz (KI) in Deutschland weiterhin eher ein Nischenthema sei, so scheint Asien und insbesondere China hier bereits in großen Schritten voranzueilen. Das Land habe früh erkannt, dass massive Investitionen in Informationstechnologie unumgehbar sind – sowohl um das wirtschaftliche Potenzial auszuschöpfen als auch das disruptive politische Potenzial einzudämmen, betonte Dr. Nabil Al-Sabah, Bereichsleiter IT-Sicherheit bei Bitkom e.V. So sei Chinas Forschungsleistung unter anderem im Bereich KI durch großzügige Förderung vorangetrieben worden und zeichne sich durch einen starken Fokus auf die Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse aus, während in Deutschland bislang die Grundlagenforschung dominiere und dabei die Frage nach der konkreten Umsetzung oftmals fehle. Neben der politischen und wirtschaftlichen Vision in den Bereichen Digitalisierung und KI, zeige sich in China auch eine Akzeptanz und sogar Enthusiasmus in der Bevölkerung für Digitalisierung. Der Diskurs in Deutschland bleibe bislang im Gegensatz stark risikofixiert. Dev Lewis, Experte des Digital Hub Asia, sieht Chancen für die deutsche Wirtschaft im Bereich KI insbesondere im Bereich Industrie 4.0 und in der Automobilindustrie – Sektoren in denen Deutschlands Stärke auf großes Interesse von chinesischer Seite treffe. Auch kleine und mittelständische Unternehmen sollten hier den Mut haben, sich zu positionieren, betont Michael Littig, der stellvertretende Bundesvorsitzende der MIT.
Aktuelle entwicklungspolitische Herausforderungen
Eine Übersicht über die aktuellen entwicklungspolitischen Herausforderungen die sich durch den Aufstieg der Region ergeben, gab MdB Hermann Gröhe, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretender Vorsitzender der KAS. Gleichzeitig stellte er mit Blick auf die positiven Entwicklungen, wie die Reduzierung der Armut und den Anstieg des Bildungsniveaus, fest, dass die Chancen einer Zusammenarbeit mit der Region überwiegen. Er betonte, dass globale Herausforderungen, wie der Klimawandel, die Auswirkungen der zunehmenden Urbanisierung, soziale Ungleichheiten und demographische Trends nur gemeinsam gemeistert werden könnten. Mit den SDGs in der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen diesbezüglich neue Zielsetzungen definiert. Deutschland sei gut beraten, den globalen Nutzen von Nachhaltigkeit, zum Beispiel im Bereich von Wertschöpfungsketten, freiem und fairem Handel oder einer nachhaltigen Klimapolitik, herauszustellen und hierfür Nachahmer zu finden.
ASEAN: Wichtiger Wirtschaftspartner oder zahnloser Tiger?
Der Rückzug der USA und die damit einhergehende Schwäche multilateraler Formate, schafft eine neue geopolitische und wirtschaftliche Realität, in der die EU und Deutschland gezwungen sind, neue Partner zu finden. Kann die ASEAN, der Verband Südostasiatischer Nationen, ein solcher Partner in Asien sein? Die schiere Größe des Staatenverbands und dessen starkes Wirtschaftswachstum wurden von Valentin Gescher aus dem Südostasienreferat des Auswärtigen Amts als attraktive Voraussetzungen für eine Partnerschaft hervorgehoben. Prof. Dr. Jörn Dosch von der Universität Rostock betonte, dass es sich bei der ASEAN um einen Zusammenschluss sehr heterogener Staaten handele, der trotz ambitionierter Visionen für regionale Integration in vielen Bereichen noch mangelnde Integration aufweise. Partnerschaften böten sich dementsprechend vielmehr auf bilateraler Ebene mit den 10 Mitgliedsstaaten des Verbands.
Auch die Auswirkungen des Handelsstreits zwischen den USA und China auf ASEAN wurden diskutiert. Während die ASEAN-Staaten potenziell vom Bestreben von Unternehmen, ihre Partnerschaften und Investitionen in der Region zu diversifizieren profitieren könnten, ist unklar, inwiefern die Länder relativ kurzfristig diese wirtschaftlichen Aktivitäten durch die Bereitstellung geeigneter Infrastruktur, Arbeitskraft und legaler Rahmenbedingung auffangen können.
Ausmaß und Geschwindigkeit der Urbanisierung in Asien beispiellos
Parallel zur sozio-ökonomischen Entwicklung ist die Region Ost- und Südostasien durch eine Urbanisierung geprägt, die in diesem Ausmaß und dieser Geschwindigkeit bisher beispiellos ist. Bereits heute beherbergt die Region Asien-Pazifik eine urbane Bevölkerung von rund 2 Milliarden Menschen und 18 Megastädte mit je über 10 Millionen Einwohnern. Aus dieser rasanten Urbanisierung ergeben sich gewaltige wirtschaftliche Chancen in den Ballungsräumen, aber auch Herausforderungen hinsichtlich der sozialen und ökologischen Bedingungen. Um diesen zu begegnen betonte Dr. Maximilan Mayer vom Munich Center for Technology in Society der TU München, dass die Erhaltung und der Ausbau bestehender Infrastrukturen in wachsenden Städten zentral ist. Dies betreffe unter anderem das Straßennetz, öffentliche Verkehrsmittel, das Abwassersystem und die Stromversorgung. Um Urbanisierung also sozial und ökologisch verträglich zu gestalten hob Joris van Etten, Senior Urban Development Spezialist der Asian Development Bank (ADB) das hierfür notwendige Zusammenwirken von drei Faktoren hervor: Adäquate technische Lösungen, die oftmals bereits existieren, müssen mit finanziellen Lösungen gepaart und durch politische Regulierung flankiert werden. Die Experten wiesen auf Chancen für deutsche Unternehmen im Bereich der technischen und technologischen Lösungen hin, die auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet sind.
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