Beim zweiten Studientag in der Reihe "Leben und Wohnen im Alter", die am 7. April in Oranienburg mit dem Thema "Statt einsam gemeinsam - Wohnformen im Alter" begonnen wurde und am 6. Oktober in Neuruppin zum Thema "Lebensqualität im Alter" fortgesetzt wird, ging es um das Leben im ländlichen Raum, der sich in Brandenburg vom Zentrum Berlin und Potsdam in alle Himmelsrichtungen weit erstreckt.
Trotz 38 Grad Außentemperatur fand der Studientag in einem gut klimatisierten Raum des Hotels Spreeblick in Lübben statt, wobei die Teilnehmer aus unterschiedlichen Regionen Brandenburg kamen und neben Senioren auch einige junge Erwachsene dabei waren. In einem ersten Referat stellte Heike Zettwitz, Beigeordnete im Landkreis Dahme-Spreewald den Landkreis vor und ging auf die spezifischen Probleme mit Demografie, Infrastruktur, Arztversorgung, Fachkräftemangel, Energiewende, Wasserknappheit, Lebenshaltungskosten ein.
Als aktuelle Herausforderungen des Lebens auf dem Lande nannte sie die Steigerung der Lebenshaltungskosten (Lebensmittel, Sprit, Strom, Gasversorgung u. a.), die Kosten für Wohnen und Mobilität, die durchschnittlichen Einkommen und Altersbezüge, die Wege zur Arbeit, Schule und zu Versorgungseinrichtungen, die Sicherung der gesundheitlichen Versorgung (Hausärzte), Krisenbewältigungsstrategien (z. B. Corona, Hitze/Trockenheit, Energieknappheit), eine zunehmende Entfremdung in Bezug auf bundes- und landespolitische Entscheidungen auf kommunaler Ebene und das Erstarken der politischen Ränder (AfD und Linke).
Als vordringliche Aufgaben sieht sieht sie die Frage des Zusammenhalts der Gesellschaft angesichts zunehmend ausdifferenzierter Sozialmilieus, eine Konzentration auf wesentliche und umsetzbare Grundaufgaben (Energieversorgung, Verteidigung, Krisenbewältigung) statt der Orientierung an Partikularinteressen, wobei die vorhandenen Stadt-Land-Gegensätze nicht überbetont, aber wahrgenommen werden sollten, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren statt der Konzentration auf kleinteiligen Interessenschutz (z. B. Artenschutz) sowie die Eindämmung des bundespolitischen Dirigismus mit der damit verbundenen Bürokratie. (Siehe dazu die Power-Point-Präsentation rechts auf dieser Seite.) Daran entspannte sich eine Diskussion über Formen und Ursachen der Entfremdung von Land- und Stadtbevölkerung sowie über Stadt-Land-Gegensätzen und über Pragmatismus in der Kommunalpolitik versus Dirigismus und Bürokratie.
Julian Brüning, Mitglied des Landtags und Vorsitzender der Jungen Union in Brandenburg, berichtete über die Initiativen des Landtags und der Landesregierung zur Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum, wobei es hier noch viel Handlungsbedarf geben, und stellte einige konkrete Projekte vor wie das Demenz-Wohnprojekt in Forst, ein Quartiersmanagement für Ältere, Seniorengenossenschaften, Anreize für Ärzte, sich auf dem Land niederzulassen und den Erzählsalon in Guben. Interessant waren auch die Ergebnisse einer Umfrage, die er präsentierte, zu Hindernissen bei der sozialen Teilhabe auf dem Lande: Die lägen vor allem bei der Entfernung/Erreichbarkeit, den Kosten und fehlenden Partnern/Mitfahrern.
Nach der Pause ging es in der zweiten Einheit mit Siegfried Richter, dem Geschäftsführer der regionalen Verkehrsgesellschaft Dahme-Spreewald um Verkehrsanbindung und Mobilität auf dem Lande. Grundprobleme wie der Investitionsstau bei Wartung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und die Finanzierung kamen zur Sprache. Diskutiert wurde über Erfahrungen mit Ruf-Bussen. Die Verkehrswende stellt die Betriebe vor neue Herausforderungen der Umrüstung zu hohen Kosten. Gesprochen wurde über eine weitergehende Spaltung der Gesellschaft wegen der steigenden Kosten für den Individualverkehr, der dann vielleicht nurmehr von den Wohlhabenden genutzt wird („Volkswagen ade"), über das Abgehängtsein auf dem Lande ohne Auto sowie über die Notwendigkeit sozialer Vergünstigungen im öffentlichen Verkehr für Familien und sozial Bedürftige. Julian Brüning berichtete über den Landesnahverkehrsplan Berlin-Brandenburg, wobei im Gespräch diesbezüglich eine Dominanz Berlins beklagt wurde.
Am Ende war klar, dass es vielfältige größere Baustellen gibt, um etwa gleichwertige Lebensbedinungen für das Leben im ländlichen Raum zu schaffen. der andererseits seine eigenen Vorzüge für die Lebensqualität hat. Ein erster Schritt dazu ist, Politik nicht nur aus der Perspektive von (Groß-)Stadtbürgern zu machen, um das Land nicht abzuhängen.
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Politisches Bildungsforum Brandenburg
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