Überblick
Algerien ist das größte Land Afrikas mit der mehr als siebenfachen Fläche Deutschlands. Mit gut zwei Millionen Quadratkilometern nimmt die algerische Sahara rund 85 Prozent der Landesfläche ein, entsprechend sind 80 Prozent der Landesfläche vegetationslos, bei einem Waldanteil von nur zwei Prozent. Rund drei Viertel der Algerier leben in Städten am nördlichen Küstenstreifen, der ca. 600 km ins Landesinnere hinein, bis zum Tor zur Sahara, fruchtbar ist. Nur rund vier Prozent der Bevölkerung leben in der Sahara.
Das Bevölkerungswachstum Algeriens liegt bei nahezu zwei Prozent jährlich, das Durchschnittsalter bei 27 Jahren, rund 30 Prozent der Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre, nur knapp 7 Prozent älter als 64 Jahre. Insgesamt wird das Bevölkerungswachstum auf dem afrikanischen Kontinent, eine Verdoppelung bis zum Jahr 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen zu einem immensen Anstieg des afrikanischen Energiebedarfs führen. Um diesen zu decken, ist die Ausbeutung fossiler Energiequellen auch in Zukunft nötig, um schrittweise auch den Umstieg auf Erneuerbare Energien zu schaffen.
Algerien verfügt neben den Energiereserven, auf die unten näher eingegangen wird, über erhebliche, leicht erschließbare, Eisenerzvorkommen, aus denen sich zu 90 Prozent Eisen, aber auch Phosphor gewinnen lässt. Daneben verfügt es über Gold, Zink oder Phosphaten.
Energiewirtschaftliches Profil und Potential Algeriens
Heute liegt der Energieverbrauch der 44 Millionen Einwohner Algeriens bei jährlich in etwa 1500 Kilowattstunden pro Einwohner (zum Vergleich: Deutschlands Verbrauch liegt bei etwa 83 Millionen Einwohnern bei 5000 Kilowattstunden). Bei einem Gesamtverbrauch von 66,65 Milliarden kWh elektrischer Energie pro Jahr kann sich das Land vollständig selbst mit Energie versorgen. Die Gesamtproduktion liegt bei 77 Mrd. kWh, Algerien ist entsprechend Nettostromexporteur. Algeriens CO2-Emissonen liegen jährlich bei ca. vier Tonnen pro Einwohner, dazu im Vergleich liegt der Wert Deutschlands bei ca. sieben Tonnen.
Der Sektor fossiler Energien aus Öl und Gas bleibt dominant für das politische wie wirtschaftliche System Algeriens. Etwa 19 Prozent des BIP gehen darauf zurück, entscheidender ist aber noch, dass davon auch anderen Wirtschaftssektoren stark profitieren, 93 Prozent der Exporte gehen auf Öl, Gas oder petrochemische Erzeugnisse zurück, 38 Prozent der Staatseinnahmen sind damit verbunden und charakterisieren seine Bedeutung. Algerien besitzt zudem rund 0,71 Prozent der weltweiten Ölvorkommen und belegt damit Platz 16 unter 211 Ländern. Knapp die Hälfte der täglichen Produktion von 1,4 Mio. Barrel gehen in den Export.
Zudem besitzt das Land die 13.-größten Gasvorkommen der Welt und ist der 10-größte Gasproduzent. Die Vorkommen werden auf rund 2,4 Billionen Kubikmeter geschätzt, insgesamt produzierte Algerien jährlich ca. 90 Milliarden Kubikmeter, was ungefähr dem Verbrauch Deutschlands vor der Ukrainekrise entspricht. Davon wurden ca. die Hälfte, ca. 45 Milliaden Kubikmeter exportiert, davon mehr als 80 Prozent nach Europa. Aus Sicht der Europäischen Union kamen vor dem Jahr 2021 rund 8 Prozent der Gasversorgung aus Algerien, das damit nach Russland und Norwegen drittgrößter Lieferant war. Zudem kann man nach China und Argentinien auf die drittgrößten Schiefergasvorkommen zurückgreifen, die bisher allerdings noch weitgehend unerschlossen sind.
Trotz dieser Dominanz ist in Algerien das Potential der erneuerbaren Energien immens, die bisherige Entwicklung allerdings bescheiden. Die 2011 beschlossene Strategie für erneuerbare Energien (PNER, Programm zur Entwicklung Erneuerbarer Energien) wird nur bedingt umgesetzt – zumal im regionalen Maghreb-Vergleich. Das ursprüngliche Ziel war, bis zum Jahr 2030 eine Kapazität von 22 Gigawatt zu erreichen und den Anteil der erneuerbaren Energie auf ca. 30 Prozent zu erhöhen. Bis heute erreicht Algerien beim Anteil der erneuerbaren Energien aber gerade ein Prozent der Gesamterzeugung, davon 90 Prozent basierend auf Sonnenenergie.
Es bleibt daher abzuwarten, ob die im Jahr 2019 beschlossene algerische Erneuerbare-Energien-Strategie, die verspricht, bis zum Jahr 2035 die Erzeugung von 15.000 Megawatt zu erreichen, in die Tat umgesetzt wird. Das dafür erforderliche Investitionsvolumen wird auf 15 Milliarden US-Dollar geschätzt, ein Betrag, der vor allem auch durch internationale Kooperationen ko-finanziert werden soll. Eine zügige Entwicklung dieses Vorhabens ist zudem notwendig, um die ambitionierten Kooperationen im Bereich des grünen Wasserstoffs und Power-to-X voranzutreiben.
Dabei kann Algerien die gesamte Bandbreite nachhaltiger Energiegewinnung anbieten. Die Photovoltaik mit einem Potential von 3.000 Sonnenstunden in der Sahara (vgl. Deutschland mit ca. 1.500 Stunden) eröffnet eine der effizientesten Nutzungen der Sonnenenergie. Ihr gesamtes Potential liegt jährlich in der Größenordnung der größten Gasfelder Algeriens in Hasni R’Mel. Jeder Quadratkilometer der Sahara liefert ein Potential in Äquivalenten von jährlich 1,5 Millionen Barrel Öl, bei 1,8 Millionen Quadratkilometern algerischer Sahara bedeutet dies das nahezu 5.000-fache der jährlichen Ölproduktion Algeriens. Eine konzentrierte Photovoltaik-Nutzung von 10 Prozent der algerischen Wüste wäre ausreichend zur Energie-Versorgung der EU.
Das Windenergiepotential Algeriens ist als gut, aber nicht herausragend einzuschätzen, was am Mangel an Regionen mit sehr hohen Windgeschwindigkeiten liegt. Allerdings ist es das immer noch größte Potential Afrikas mit 15.000 Megawatt On-und weiteren 18.000 Megawatt Off-Shore. Vor allem das Off-Shore-Potential ist dabei nicht erschlossen.
Auch das Potential bei der Erzeugung aller Formen des Wasserstoffs ist erheblich, aufgrund der möglichen Photovoltaik-Nutzung bei der Wasserstoffgewinnung, der Bedürfnisse nach Wasseraufbereitungs- und Entsalzungsanlagen und den Ammoniak-Vorkommen als Wasserstoffträger. Hier hat Deutschland einen besonderen Zugang. Die KfW und die algerische Regierung vereinbarten die Erstellung einer Studie zum Potential des Power-to-X-Marktes in Algerien und den entsprechenden Investitionspotentialen im Zuge auch der deutschen nationalen Wasserstoffstrategie.
Das mit Abstand größte Reservoir besitzt Algerien allerdings bei der Nutzung von Geothermie mit mindestens 240 natürlichen Thermalquellen, teilweise auch bei Biomasse. Hier existieren aber vor allem Forschungsinitiativen an Universitäten, während diese Energieformen am Markt oder in den Regierungsprogrammen noch keine Rolle spielen.
Zudem bleibt der institutionelle Rahmen der Erneuerbare-Energien-Strategie unsicher, unter anderem wurde bei der letzten Regierungsumbildung das erst 2020 geschaffene Ministerium für Erneuerbare Energien dem Energieministerium unterstellt.
Hinsichtlich des Potentials Algeriens gilt somit festzustellen: In nur wenigen Ländern ermöglicht die Komposition der Ressourcen ein derartiges Zusammenspiel aus fossilen und erneuerbaren Energien.
Ökonomische Herausforderungen
Die ökonomischen Herausforderungen, eine Arbeitslosigkeit von 31 Prozent unter den Jugendlichen, die gleichzeitig zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen, macht eine Diversifizierung und allmähliche Entkopplung von Öl und Gas unumgänglich. Importbeschränkungen und COVID-bedingte niedrige Öl- und Gaspreise ermöglichten eine Stärkung anderer Sektoren wie Agroalimentierung oder eigene Manufaktur-Fertigung.
Mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs und der Erhöhung des Ölpreises erstarkten auch die Einnahmen der fossilen Energien wieder. Insgesamt erwartet Algerien ein Wachstum von vier Prozent und einen Außenhandelsüberschuss von nahezu sechs Prozent bei einer Inflationsrate von 7 Prozent und einem nahezu ausgeglichenen Staatshaushalt.
Obwohl Algerien über eine gut ausgebaute Pipeline- und Hafeninfrastruktur verfügt, sind in den vergangenen Jahren erforderliche Investitionen unterbleiben. Eine zügige Erhöhung der Förderkapazitäten, egal ob im Bereich der fossilen wie der erneuerbaren Energien, ist nicht augenscheinlich. Insofern muss jedes Engagement mit Geduld angelegt werden.
Partnerschaften mit Deutschland und der EU
Die deutschen Ambitionen der Energiezusammenarbeit sind greifbar. Deutschland gilt als eines der technologiestarken Länder, das eine Energiewende schaffen kann. Ein starker Anreiz, in erneuerbare Energien zu investieren, resultiert aus dem in Algerien im Vergleich zu anderen ölexportierenden Staaten hohen fiskalischen Break-even-Rohölpreis, der bei nahezu 150 US-Dollar liegt und damit mehr als doppelt so hoch ist wie in (mit Ausnahme des Iran) allen anderen Staaten.
Dennoch bleiben Potentiale der Zusammenarbeit unterausgeschöpft. Südeuropäische Länder wie Spanien, Frankreich und Italien, haben trotz kolonialer Vergangenheit bessere Zugänge und Beziehungen zu Nordafrika, speziell in Algerien. Italiens Import algerischer Energie ist seit Februar 2022 um 40 Prozent gestiegen. Zugleich hat Rom Foreign Direct Investments (FDI) im Wert von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt, ohne menschenrechtliche Probleme in Algerien explizit zu thematisieren.
Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien ist in Algerien eine innovative Start-Up-Szene mit jungen Akteuren entstanden. Es wird in Zukunft lohnen, mit ihnen in Kontakt zu treten und Netzwerke aufzubauen, die eine langsame und langfristige Transformation Algeriens unterstützen.
Quellen:
African Business Guide, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/algerien
German Trade And Invest GTAI, https://www.gtai.de/de/trade/welt/afrika/algerien-118306
Länderdaten Algerien, https://www.laenderdaten.info/Afrika/Algerien/energiehaushalt.php
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