Ausgaben-Wettlauf
Wahlkampf kostet Geld – besonders in den USA. Die Medien berichten regelmäßig über die Wahlkampfkassen der Kandidaten. Im August war es Vizepräsidentin Kamala Harris gelungen, mehr Geld einzunehmen als der frühere Präsident Trump: 189 Millionen Dollar gegen 44 Millionen Dollar. Diese Summen beinhalten nur die Einnahmen der Wahlkampagnen; die Parteien nahmen in den vergangenen Monaten ebenfalls Millionen-Summen ein. Hinzu kommen weitere Organisationen, die im Namen der Kandidaten Wahlkampf betreiben. [1]
Die Millionensummen treiben den Wahlkampf an: Die Kandidaten investieren in Wahlkampfbüros vor Ort, in Überzeugungskampagnen, die von Tür zu Tür gehen, und vor allem in Werbung – Fernsehen, Webseiten, Soziale Medien. Wahlkämpfe werden weniger von erfahrenen Parteizentralen organisiert, sondern von eigens gegründeten Teams, die nach der Wahl wieder aufgelöst werden. Gehälter sind neben Werbung ein großer Kostenfaktor. Darüber hinaus sind Wahlkampfzeiten Hochkonjunkturphasen für die zahlreichen Public Affairs Agenturen, die ganze Teile der Kampagne eines Kandidaten konzeptionell planen, umsetzen und begleiten.
Die Spenden sind auch ein Barometer für die Begeisterung der Basis: Je mehr Kleinspender es gibt, desto überzeugender wirkt ein Kandidat. Nachdem sich Präsident Biden als Kandidat der Demokraten zurückgezogen und Vizepräsidentin Harris das Feld überlassen hatte, schossen die Kleinspenden nach oben. Das wurde von Analysten als Zeichen gewertet, dass der Schritt richtig war, um die Demokratische Basis wieder zu motivieren.
Neben den Einnahmen von Kandidaten-Komitees und Parteien spielen externe Gruppen eine immer größere Rolle in US-Wahlkämpfen. Sie setzen sich für bestimmte Themen ein, meistens aber direkt für eine Kandidatur. Da sie nicht so strengen Auflagen unterworfen sind, können sie größere Summen ausgeben. Im laufenden Wahlkampf erreichten ihre Ausgaben im August über eine Milliarde Dollar. Das ist fast doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum im Jahr 2020. [2]
Die Trends sind also klar: Wahlkämpfe werden immer teurer, und bezahlt werden sie immer mehr von externen Gruppen. Das gilt nicht nur für die Präsidentschaftswahl, sondern auch zunehmend für Kongresswahlen. Traditionell suchten Kandidatinnen und Kandidaten vornehmlich Unterstützer in ihren Wahlbezirken und Bundesstaaten. Jetzt werden diese Abstimmungen immer mehr „nationalisiert“ und mit externen Mitteln finanziert.[3] Es gibt in den USA auch gewisse staatliche Wahlkampfhilfen. Sie werden allerdings wegen ihrer Restriktionen von den Wahlkampfteams kaum in Anspruch genommen.
Von Komitees zu SuperPACs
In den USA gibt es verschiedene Organisationen, die in Wahlkämpfe investieren und die unterschiedlichen Regeln folgen müssen. Die Einhaltung wird von der „Federal Election Commission“ (FEC) überwacht.
Kandidaten-Komitees nehmen Spenden im Namen des Kandidaten entgegen und bezahlen den direkten Wahlkampf. Sie dürfen sich mit Partei und anderen Kandidaten abstimmen und unbeschränkt viel Geld ausgeben. Spenden von Individuen und Organisationen sind allerdings begrenzt und müssen ab einer bestimmten Höhe gemeldet werden.
Partei-Komitees gehören zu den nationalen Parteien und den Fraktionen in Repräsentantenhaus und Senat. Sie dürfen Kandidaten direkt überstützen und sich mit ihnen abstimmen. Auch hier gibt es Limits, wie viele Spenden Einzelpersonen oder Organisationen geben dürfen und gewisse Berichtspflichten.
Abseits von direkten Spenden an Kandidaten und Parteien gibt es „Political Action Committees“, kurz PAC, die auf verschiedene Weisen den Wahlkampf beeinflussen können:
PACs sind keiner Kandidatur oder Partei direkt zugeordnet. Sie dürfen sich in begrenztem Maße mit Kandidaten-Komitees abstimmen und folgen ähnlichen Regeln bei Spendengrenzen und Veröffentlichungsregeln. PACs werden zum Beispiel von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden oder Interessengruppen geführt.
SuperPACs haben im Vergleich dazu größere Spielräume: Für sie gibt es keine Grenzen, wie viel Geld sie einnehmen oder ausgeben können. Sie dürfen sich aber nicht direkt mit Kandidaten abstimmen oder ihnen direkt Geld geben. Sie dürfen aber Werbung schalten, die einen Kandidaten direkt unterstützt. SuperPACs müssen der FEC ihre Spender offenlegen.
Vereine, so genannte „Non Profits“ können ebenfalls in den Wahlkampf eingreifen. Nach ihrer Finanzamts-Registrierung werden sie auch 501(c)(4) genannt. Sie dürfen sich ebenfalls nicht mit Kandidaten abstimmen und sie dürfen nur weniger als die Hälfte ihrer Einnahmen für politische Aktivitäten verwenden. Wie sie das Geld ausgeben, ist dagegen weitgehend ungeregelt – sie können es zum Bespiel an einen SuperPAC weiterleiten. Was Vereine für Großspender attraktiv macht: Sie müssen in den allermeisten Fällen nicht offenlegen, von wem die Spenden stammen.
„Dark Money“ im Wahlkampf
Vereine spielen eine zentrale Rolle, wenn es um „dark money“ im Wahlkampf geht, also anonyme Wahlkampfspenden. Nach Schätzungen der Gruppe Open Secrets sind seit dem Jahr 2010 rund eine Milliarde Dollar an „dark money“ in die Wahlkämpfe der USA geflossen, in zunehmendem Maße.[4]
Um Geld unerkannt in den Wahlkampf fließen zu lassen, sind neben Vereinen auch Unternehmen, so genannte LLCs im Einsatz. Sie lösen laut Open Secrets bei jeder Wahl große Spenden an SuperPACs aus. Je nach dem, in welchem Bundesstaat LLCs registriert werden, müssen sie noch nicht einmal Besitzer oder Manager öffentlich machen.
Über die Jahre haben 501(c)(4)-Vereine Strategien entwickelt, um trotz ihrer Ausgabengrenze von 49 Prozent für politische Werbung ihren Einfluss zu erhöhen. Eine Strategie ist, in „Bildungsmaßnahmen“ zu investieren, die sich zwar mit der Wahl beschäftigen, aber nicht direkt zur Wahl eines Kandidaten aufrufen. Eine andere Möglichkeit ist es, Vereinskapital an einen weiteren Verein zu spenden, der dann wiederum bis zu 49 Prozent für politische Werbung ausgeben kann.[5]
Die Verfolgung dieser Zahlungsflüsse ist schwierig, weil sie nicht zentral überwacht werden. Organisationen wie Open Secret werten dafür manuell Steuerunterlagen der Vereine aus.
Regeln verschärft und gelockert
Bemühungen, Regeln und Ordnung in den ausufernden Bereich der Wahlkampfspenden zu bringen, gab es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Der 1907 verabschiedete Tillmann Act untersagte beispielsweise Geldspenden von Grußunternehmen.
Die Notwendigkeit die Gesetzgebung und Regulierung immer wieder anzupassen, verdankte ich in der Folge der Tatsache, dass immer wieder neue Möglichkeiten gefunden wurden, bestehende Regeln zu umgehen. Oder, wie es die ehemaligen Verfassungsrichter Stevens O´Connor angemerkt hatten: “Money, like water, will always find an outlet”.
Die aktuellen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung gehen auf die 70er Jahre zurück.[6] 1971 beschloss der Kongress den „Federal Election Campaign Act (FECA)“. Das Gesetz regelte Veröffentlichungspflichten für Spender und begrenzte Werbemöglichkeiten. Das Gesetz wurde von Präsident Nixon unterschrieben, dessen Watergate-Skandal in den folgenden Jahren zu weiteren Verschärfungen des Gesetzes führte. 1974 zum Beispiel wurde die FEC eingeführt, die seitdem die Einhaltung des Gesetzes überwacht.
Mit den Verschärfungen kamen aber auch Kritik und Klagen: 1976 urteilte der Oberste Gerichtshof unter anderem, dass Ausgabegrenzen für die Kandidaten gegen die Meinungsfreiheit verstießen. Dieses Urteil „Buckley v. Valeo“ gilt als Grundlage des weitreichenden Urteils „Citizens United v. FEC“ aus dem Jahr 2010.
Im Jahr 2002 gab es einen neuen Anlauf, die Wahlkampffinanzierung zu regulieren. Der „Bipartisan Campaign Reform Act” beschränkte die Möglichkeit der Parteien, Spenden einzunehmen und versuchte, Werbung von Interessengruppen zu regulieren. Außerdem führte er die Regel ein, dass Kandidaten eigene Wahlwerbung öffentlich bestätigen müssen („…. and I approve this message.“). Präsident George W. Bush unterzeichnete das Gesetz, merkte dabei aber an, dass es Bedenken gebe, Teile des Gesetzes könnten nicht verfassungskonform sein. [7]
Die Klagen gegen das Gesetz begannen kurz nach seiner Verabschiedung: 2003 entschied der Oberster Gerichtshof ein ganzes Bündel unter dem Titel „McConnell et al v. FEC“. Mitch McConnell, Senator und bis zum Ende der Legislaturperiode oberster Republikaner im Senat, hat sich seit langem dafür eingesetzt, dass die Regeln für Wahlkampfspenden gelockert werden. In diesem Urteil von 2003 blieb das Gesetz allerdings weitgehend unangetastet. 2007 entschied der Oberste Gerichtshof dann, ein Teil der Regeln müsse gelockert werden: Sie verhinderten, dass Unternehmen oder Gewerkschaften noch kurz vor der Wahl Werbung schalten.
Urteil zu „Citizens United“
Ein entscheidender Wendepunkt für die Wahlkampffinanzierung in den USA ist das Urteil „Citizens United vs. FEC“ aus dem Jahr 2010. Geklagt hatte die konservative Gruppe Citizens United, nachdem die FEC ihr untersagt hatte, im Vorwahlkampf 2008 einen Film gegen die Kandidatin Hillary Clinton zu bewerben und auszustrahlen. 2004 war Citizens United schon einmal mit einem Film gegen John Kerry an der FEC gescheitert.
Der Oberste Gerichtshof urteilte mit 5 zu 4 Stimmen für die Organisation und gegen die FEC. Richter Anthony Kennedy schrieb die Mehrheitsmeinung und erklärte, wenn politische Spenden von unabhängigen Organisationen beschränkt würden, sei das ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit. Solange diese Spenden nicht mit den Kandidaten koordiniert würden, gebe es keine Gefahr der Korruption.
Auf diesem Argument bauten folgende Urteile anderer Gerichte auf. So lautete die Entscheidung im Fall „Speechnow.org v. FEC“, dass Gruppen unbeschränkt Spenden von Individuen und Unternehmen annehmen dürfen, solange sie nicht direkt an Kandidaten spenden. Diese Rechtsprechung ermöglichte die Entstehung der „SuperPACs“, die seitdem mit großen Mengen Geld den Wahlkampf beeinflussen.
Nach dem Grundsatz-Urteil zu „Citizen United“ gab es vor allem eine Diskussion über das Konzept, dass „Meinungsfreiheit“ auch Unternehmen und Organisationen zustehe und sich auf deren Wahlkampfspenden erstrecke. Das Urteil war innerhalb des Obersten Gerichts höchst umstritten. Die unterlegende Richterin Ruth Bader Ginsburg sagte, wenn sie ein Urteil ändern könnte, dann sei es dieses: „Die Vorstellung, dass wir die Demokratie haben, die man mit Geld kaufen kann, weicht so weit von dem ab, was unsere Demokratie eigentlich sein sollte.“ [8]
Die längerfristigen Folgen des Urteils waren andere als zunächst befürchtet, heißt es in einer Analyse des Brennan Center fünf Jahre später. [9]
Befürchtungen, dass Unternehmen mit Spenden die Wahlen dominieren könnten, hätten sich nicht bewahrheitet. Vielmehr komme das Geld jetzt von einem „Elite Club aus reichen Mega-Spendern“, die dank des Urteils nun unbegrenzt Geld in SuperPACs und andere Organisationen fließen lassen könnten: „Kurz gesagt, dank der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verfügt ein winziger Teil der Amerikaner heute über mehr Macht als jemals zuvor seit Watergate, während sich viele der übrigen Bürger von der Politik abzuwenden scheinen.“
Geld entscheidet nicht immer
Ohne Spenden wäre ein Wahlkampf in den USA nicht zu führen. Gleichzeitig darf man die Höhe der Spenden nicht mit Erfolg oder Misserfolg gleichsetzen. Ray La Raja, Politik-Professor an der Universität von Massachusetts Amherst sagte, kein Geldbetrag mache einen schlechten Kandidaten wirklich gut. [10]
In der jüngsten Vergangenheit gibt es gleich mehrere Beispiele dafür: Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 hatte die Demokratin Hillary Clinton mehr Geld zur Verfügung als der Republikaner Trump. Trotzdem gewann Trump, unter anderem, weil sein unkonventioneller Politikstil auch ohne bezahlte Werbung genug Aufmerksamkeit erlangte. Clintons Wahlkampteam machte strategische Fehler, indem es das Geld in Bundesstaaten einsetzte, die nicht wahlentscheidend waren. Gleichzeitig vernachlässigte es wichtige Bundestaaten, die Clinton die nötigen Wahlleutestimmen hätten verschaffen können.
Im Demokratischen Vorwahlkampf 2020 versuchte der frühere Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, Präsidentschaftskandidat zu werden. Er investierte rund eine Milliarde Dollar seines eigenen Vermögens, konnte aber nur die Vorwahlen in Samoa gewinnen. [11]
Umfragen zeigen, dass sich die Amerikaner wünschen, Geld würde nicht so eine große Rolle im Wahlkampf spielen: Laut Pew Research Center sagte 72 Prozent, es sollte Grenzen geben, wie viel Einzelpersonen und Organisationen einer Kandidatur spenden können. 86 Prozent der Befragten meinen, die hohen Kosten einer politischen Wahlkampagne machten es schwer für gute Leute, sich um ein öffentliches Amt zu bewerben. [12]
In den „swing states“, den wenigen Bundesstaaten, die am Ende die Wahl entscheiden, sind Bürger erschöpft von den vielen Fernsehspots und Kontaktversuchen der Wahlkampfteams. Je mehr Geld diese zur Verfügung haben, desto intensiver die Werbung.
Quellen:
[1]https://www.cnbc.com/2024/09/21/harris-trump-democrats-republicans-august-fundraising.html
[2]https://www.opensecrets.org/news/2024/08/outside-spending-in-2024-federal-election-tops-1-billion
[3]https://www.brennancenter.org/our-work/analysis-opinion/out-state-money-fuels-expensive-elections-pennsylvania
[4]https://www.opensecrets.org/dark-money/basics
[5]https://www.opensecrets.org/dark-money/process
[6]https://publicintegrity.org/politics/a-modern-history-of-campaign-finance-from-watergate-to-citizens-united/
[7]https://georgewbush-whitehouse.archives.gov/news/releases/2002/03/20020327.html
[8]https://newrepublic.com/article/119578/ruth-bader-ginsburg-interview-retirement-feminists-jazzercise
[9]https://www.brennancenter.org/our-work/research-reports/citizens-united-five-years-later
[10]https://www.vox.com/politics/364964/harris-trump-fundraising-donations-campaign-2024
[11]https://abcnews.go.com/Politics/mike-bloomberg-spent-billion-month-presidential-campaign-filing/story?id=70252435
[12]https://www.pewresearch.org/short-reads/2023/10/23/7-facts-about-americans-views-of-money-in-politics/
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