Stabile Minderheitsregierung?
Im März 2020 bestätigte das slowenische Parlament die neue Mitte-Rechts-Regierung unter dem Ministerpräsidenten Janez Janša. Slowenien bekam die neue Regierung sechs Wochen nach dem Rücktritt der Minderheitsregierung unter Ministerpräsidenten Marjan Šarec
Am 30. März dieses Jahres fehlte Janšas Regierungskoalition eine Stimme für die Absetzung des Parlamentspräsidenten Igor Zorčič. Er war einer der Abgeordneten, die vorher die Regierungskoalition angehörende SMC (die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Miro Cerar) verlassen haben. Drei SMC-Abgeordnete zusammen mit einem DeSUS (Pensionisten/Rentnerpartei, ebenfalls vorher Teil der Regierungskoalition) Abgeordneten bildeten eine separate unabhängige Fraktion im Parlament. Damit hat die Regierung die Mehrheit im Parlament verloren.
Zusammen mit 26 Abgeordneten von Janšas Slowenischer demokratischer Partei (SDS) und sieben Abgeordneten der christdemokratischen Neues Slowenien (NSi) unter Matej Tonin, beides EVP-Mitgliedsparteien, unterstützen die Regierung ebenso wie die fünf Abgeordneten der liberalen Partei des modernen Zentrums (SMC). Neben diesen 38 Stimmen kann die Koalition auch auf die Stimmen von drei Abgeordneten der (nationalistischen) Slowenischen Nationalpartei (SNS) und der beiden Abgeordneten der ungarischen und italienischen nationalen Minderheiten zählen.
Im Mail überstand Ministerpräsident Janša erneut eine Amtsenthebungsabstimmung im Parlament - 42 Abgeordnete stimmten dafür und 44 dagegen. Für ein Amtsenthebungsverfahren wäre eine Mehrheit von 46 Stimmen erforderlich gewesen. In der Abstimmung stimmten die Koalitionsparteien sowie die SNS, zwei Abgeordnete der DeSUS-Partei und die beiden Minderheitsabgeordneten gegen das Verfahren.
Perspektive der Koalition
Am 20. Juni 2021 wurde zum dritten Mal innerhalb von anderthalb Jahren eine neue DeSUS-Parteiführung gewählt. Der neue Präsident wurde der ehemalige Generalsekretär der Partei, Ljubo Jasnič. In seiner Rede betonte er, dass das Interesse der Partei darin bestehe, sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen.[1] Daher seien in Kürze Gespräche mit der Regierungskoalition zur Unterstützung der Regierung zu erwarten.
Ebenfalls am 20. Juni hatte Janez Janša, beim 12. Parteikongress der SDS 650 von 656 Stimmen der Delegierten bei der Wahl des Parteivorsitzenden erhalten. Das letzte Mal, dass die Partei aus mehreren Kandidaten auswählen konnte, war 1993. Seitdem führt Janez Janša die Partei.
Druck auf die Regierung
Ministerpräsident Janez Janša wird seit Monaten von Journalisten und internationalen Journalistenverbänden wegen verbalen ‚Angriffen‘ und Druck auf das staatliche Fernsehen und die Slowenische Presseagentur (STA) kritisiert. Diese Ereignisse haben bei einigen europäischen Entscheidungsträgern und internationalen Institutionen zu negativen Bewertungen der Regierung vor der Ratspräsidentschaft geführt.
Neben dem Problem der Finanzierung der STA, beklagte der slowenische Staatspräsident Borut Pahor bei einem Treffen mit Ursula von der Leyen auch die Weigerung beziehungsweise die Verzögerung der Regierung, zwei Staatsanwälte in die neue europäische Staatsanwaltschaft zu berufen.[2]
Janez Janša und seine SDS sind trotz der derzeit unklaren Mehrheitsverhältnisse offenbar entschlossen, die EU-Ratspräsidentschaft zu verwirklichen, anstatt die Möglichkeit vorgezogener Wahlen in Betracht zu ziehen. Regulär soll die jetzige Regierung bis Herbst 2022 im Amt bleiben, wenn die aktuelle Legislaturperiode ausläuft. Vorgezogene Neuwahlen sind allerdings in Slowenien keine Seltenheit.
Die erste slowenische EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2008
Unter den Ländern der letzten großen EU-Erweiterung 2004 war Slowenien im Jahr 2008 das erste Land, das die EU-Ratspräsidentschaft innehatte.
Slowenien begann die damalige Präsidentschaft mit einem Fünf-Punkte-Programm und nannte es eine „Synergie für Europa“. Die wichtigsten Ergebnisse waren Vorbereitungsarbeiten für den Beginn der Umsetzung des Vertrags von Lissabon und Fortsetzung der Veränderungen im Klimaschutz. Während des slowenischen Ratsvorsitzes wurden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien und Bosnien-Herzegowina unterzeichnet.[3]
Ziele der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft 2021
Ab 1. Juli wird Slowenien mit dieser Erfahrung den EU-Ratsvorsitz zum zweiten Mal übernehmen. Unter dem Motto "Gemeinsam. Widerstandsfähig. Europa." hat sich Slowenien in seinem Sechsmonatsprogramm auf vier Schwerpunkte fokussiert.[4]
1. Resilienz, Erholung und strategische Autonomie der EU
Slowenien wird sich dem Aufbau einer europäischen Gesundheitsunion widmen, die Forschung, Entwicklung und Produktion von Arzneimitteln beschleunigen, als auch sich für eine neue europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen einsetzen. Um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der letzten Krise zu verringern, setzt Slowenien als Priorität auf eine wirksame Umsetzung des Wiederaufbaufonds Next Generation EU, eine Beschleunigung des grünen und digitalen Wandels und eine bedeutende Erhöhung der europäischen Cyber-Resilienz.
2. Konferenz zur Zukunft Europas
Auf EU-Ebene werden Diskussionen in Form von Plenarsitzungen und Bürgerforen stattfinden. In Slowenien werden gleichzeitig Debatten über die Aspekte des Lebens in Europa geführt.
3. Eine Union, die die europäische Lebensweise, Rechtsstaatlichkeit und gleiche Maßstäbe für alle fördert
Auf der Grundlage des Jahresberichts der Europäischen Kommission wird der slowenische Vorsitz im EU-Rat den jährlichen Dialog über die Rechtsstaatlichkeit in der EU und in den einzelnen Mitgliedstaaten führen, als auch die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit den negativen Auswirkungen der demographischen Entwicklung in der EU betonen.
4. Eine glaubwürdige und sichere EU, die Sicherheit und Stabilität in der Nachbarschaft gewährleisten kann
Der slowenische Vorsitz wird die transatlantischen Beziehungen weiter stärken, eine glaubwürdige Fortsetzung des EU-Erweiterungsprozesses hervorheben und den Aufbau eines robusteren Schengen-Raums fördern, sowie versuchen, Fortschritte in den Verhandlungen zum neuen Migrations- und Asyl-Paket zu machen.
Logo der EU-Ratspräsidentschaft
Das Logo des slowenischen EU-Ratsvorsitzes symbolisiert die Verbundenheit Sloweniens mit der EU. Auf dem Band in den Farben der slowenischen Flagge zeichnet sich das slowenische nationale Symbol Triglav (der höchste Gipfel Sloweniens und der Julischen Alpen) ab. Gleichzeitig symbolisiert das Band die Höhen und Tiefen, die Bestandteil der Entwicklung der EU sind. Über der Triglav-Silhouette befinden sich sieben der goldenen Sterne der Europaflagge. Deren Zahl symbolisiert die siebte Strophe in Prešerens Gedicht "Trinklied" (Zdravljica), die auch der Text der slowenischen Nationalhymne ist.
Die wichtigsten Veranstaltungen
Die zentralen Veranstaltungsstandorte während des EU-Vorsitzes Sloweniens werden Brdo bei Kranj, Ljubljana, Bled, Portorož, Maribor und Postojna sein, aber einige Veranstaltungen werden auch in Form von Videokonferenzen stattfinden.
Am 1. Juli wird die slowenische Regierung Kommissionsmitglieder unter der Führung von Ursula von der Leyen empfangen. Die Teilnehmer werden auch an der zentralen Eröffnungsveranstaltung zu Beginn des Ratsvorsitzes teilnehmen.
Für den 5. Juli ist im Kongresszentrum Brdo eine Ministerkonferenz über grenzüberschreitende Konnektivität der EU und des Westbalkans mit dem Schwerpunkt auf der Verbesserung der Mobilität und Logistik im Westbalkan geplant.
In Ljubljana wird am 6. Juli ein Treffen hoher Beamter für allgemeine und berufliche Bildung stattfinden.
Am 8. und 9. Juli 2021 findet die informelle Tagung auf Ministerebene "Beschäftigung und Sozialpolitik" statt. Das zentrale Thema dieser informellen Tagung werden der widerstandsfähige und inklusive Arbeitsmarkt aus der Perspektive der Nachhaltigkeit (green economy) und digitaler Transformation sein.
Ministerpräsident Janez Janša hob in seinen Ausführungen zur Ratspräsidentschaft noch den informellen Gipfel zum Westbalkan und seine europäische Perspektive als eine der zentralen Veranstaltungen hervor.[5] In diesem Zusammenhang wies er erneut die jüngsten Spekulationen zurück, dass er hinter dem Non-Paper zu Neuordnung Bosnien-Herzegowinas stehe.
Insgesamt ist das Programm der slowenischen Präsidentschaft in weiten Teilen die Fortsetzung der Programmatik der Vorgängerpräsidentschaften (Kroatien, Deutschland und Portugal). Wie sich dieses Programm unter den gegebenen Umständen umsetzen lässt, bleibt abzuwarten.
1. https://www.vecer.com/slovenija/desus-jursa-novi-predsednik-ne-sme-biti-strankokrat-krope-nocem-delati-s-kadrom-ki-prileti-na-odlagalisce-slonov-10245665
2. https://www.rtvslo.si/evropska-unija/eu-2021/pahor-pricakuje-da-bo-vlada-v-kratkem-resila-tezave-s-financiranjem-sta-ja-in-imenovanjem-tozilcev/582931
3. http://www.eu2008.si/si/News_and_Documents/Press_Releases/June/0630SVEZdosezki.html
4. https://slovenian-presidency.consilium.europa.eu/
5. https://www.sds.si/novica/predsednik-vlade-janez-jansa-prioriteti-slovenskega-predsedovanja-svetu-eu-bosta-tudi
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