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30 Jahre Embryonenschutzgesetz: Brauchen wir neue Regeln für die Fortpflanzungsmedizin?

з Dr. Norbert Arnold, Stefanie Westermann, Henning Steinicke, Johannes Mengel

Fachdiskussion über den medizinischen Fortschritt, gesellschaftlichen Wandel und politischen Handlungsbedarf

Vor 30 Jahren wurde das Embryonenschutzgesetz verabschiedet. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Konrad-Adenauer-Stiftung haben dies zum Anlass genommen, mit Expertinnen und Experten darüber zu diskutieren, ob das Gesetz die Entwicklungen in Medizin und Gesellschaft noch ausreichend berücksichtigt.

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Gesellschaft und Wissenschaft

Gesellschaft und Wissenschaft

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Konrad-Adenauer-Stiftung befassten sich in einer gemeinsamen Konferenz am 22. April mit den gesellschaftlichen Fragen der Fortpflanzungsmedizin. Prof. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, und Prof. Gerald Haug, Präsident der Leopoldina, betonten die hohe Relevanz der Fortpflanzungsmedizin für die Gesellschaft und für die Betroffenen, die medizinische Hilfe erhoffen. Wissenschaft und Politik müssten gemeinsam die Entwicklungen so vorantreiben, dass Fehlentwicklungen vermieden und die Chancen optimal genutzt werden können.

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Gesellschaftliche Veränderungen und Folgen für die Fortpflanzungsmedizin

Gesellschaftliche Veränderungen und Folgen für die Fortpflanzungsmedizin

Die Soziologin Prof. Heike Trappe wies in ihrem Eröffnungsvortrag auf die hohe Dynamik der Fortpflanzungsmedizin hin. In Deutschland seien bisher über 317.000 Kinder mit Hilfe assistierter Reproduktion geboren. Die Qualität der Reproduktionsmedizin nehme weiter zu. Neben dem medizinischen Fortschritt werde die Entwicklung maßgeblich durch einen gesellschaftlichen Wandel, einen Wandel der Lebensformen und Familie sowie Veränderungen der Werthaltungen geprägt.

Nicht alles sei jedoch positiv zu bewerten: Prof. Trappe wies auf die heiklen Fragen der reproduktiven (Un-) Gerechtigkeit und der ungleichen Zugangsvoraussetzungen zur Fortpflanzungsmedizin hin.

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Was wird von der Fortpflanzungsmedizin erwartet?

Was wird von der Fortpflanzungsmedizin erwartet?

Anne Meier-Credner, Psychologische Psychotherapeutin sowie Gründerin und Vorstandsmitglied des Vereins Spenderkinder, und die Paar- und Familientherapeutin Dr. Petra Thorn erörterten in einem gemeinsamen Gespräch die unterschiedlichen Erwartungshaltungen bezüglich Fortpflanzungsmedizin. Diplompsychologin Meier-Credner betonte das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und forderte die Eintragung der Samenspender in das Geburtsregister, so dass Spenderkinder unabhängig von ihren Eltern ihre Herkunft klären könnten. Sie erläuterte das häufig schwierige Verhältnis von sozialen Eltern, genetischen Vätern und ihren Kindern. Auch Dr. Thorn betonte, wie wichtig es ist, Kinder möglichst früh über ihre Abstammung aufzuklären. Auch die meisten Samenspender seien am Wohl ihrer Kinder interessiert und für Kontaktaufnahmen offen. Hier habe die Einführung des Spenderregisters rechtliche Sicherheit gebracht.

 

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Was darf Fortpflanzungsmedizin?

Was darf Fortpflanzungsmedizin?

Prof. Kerstin Schlögl-Flierl, Moraltheologin und Mitglied des Deutschen Ethikrates, sprach sich gegen die Legalisierung der Eizellspende aus, und zwar aufgrund der medizinischen Risiken und grundsätzlicher ethischer Bedenken. Reproduktive Autonomie sei immer nur relational, nie absolut. Das Risiko, auf eine schiefe Ebene mit unerwünschten Folgen zu geraten, sei zu groß. Die Medizinethikerin Prof. Claudia Wiesemann wies dagegen darauf hin, dass die Argumente, die vor 30 Jahren gegen die Eizellspende gesprochen haben, heute nicht mehr stichhaltig seien. Das Kindeswohl werde beachtet, ebenso die Gesundheit der Mutter. Auch werde die „gespaltene Mutterschaft“ nicht mehr als Problem wahrgenommen. Im Hinblick auf den elektiven Single-Embryotransfer betonte Prof. Wiesemann die gesundheitlichen Vorteile und plädierte daher für eine Legalisierung.

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Was können wir von anderen Ländern lernen?

Was können wir von anderen Ländern lernen?

In Österreich und in der Schweiz gibt es moderne Fortpflanzungsmedizingesetze. Die Präsidentin der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin der Schweiz, Prof. Andrea Büchler, und die Vorsitzende der Bioethikkommission Österreichs, Prof. Christiane Druml, skizzierten die gesellschaftlichen Debatten und die gesetzlichen Regelungen in ihren Ländern. Die gesetzlichen Regelungen in der Schweiz beruhten auf einem konservativen Familienbild. So seien gleichgeschlechtliche Paare von den Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin ausgeschlossen. Aber es gebe eine gesellschaftliche Debatte, um dies zu ändern. Durch die Möglichkeit von Volksabstimmungen gibt es in der Schweiz eine breitere gesellschaftliche Debatte. In Österreich seien die gesetzlichen Regelungen wohl zeitgemäßer als in Deutschland, aber mittlerweile auch dort novellierungsbedürftig, um dem Wandel in Gesellschaft und Forschung gerecht zu werden, berichtete Prof. Druml.

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Wie muss Fortpflanzungsmedizin reguliert werden?

Wie muss Fortpflanzungsmedizin reguliert werden?

Prof. Steffen Augsberg, Jurist mit Schwerpunkt Öffentliches Recht und Mitglied des Deutschen Ethikrates, hält das Embryonenschutzgesetz für besser als sein Ruf. Dennoch sieht auch er einen Novellierungsbedarf. Der strenge Embryonenschutz müsse jedoch zentrales Anliegen bleiben. Jede „Gradualisierung“ sei verfassungsrechtlich schwer zu begründen und bedrohe die Würde des Menschen. Prof. Jochen Taupitz, Jurist mit Schwerpunkt Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik, betonte hingegen, dass jede Einschränkung des wichtigen Abwehrrechts der reproduktiven Freiheit vom Staat begründet werden müsse. Eine Novellierung des Embryonenschutzgesetzes sei dringend notwendig. Es sei für Schwangere und ungewollt kinderlose Menschen vielfach nachteilig.

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Welchen politischen Handlungsbedarf gibt es?

Welchen politischen Handlungsbedarf gibt es?

Im abschließenden Podiumsgespräch mit gesundheitspolitischen Sprecherinnen aus dem Bundestag – Karin Maag MdB (CDU/CSU), Sabine Dittmar (SPD), Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB (Bündnis90/Die Grünen) und Katrin Helling-Plahr MdB (FDP) – gab es eine breite Zustimmung zur Frage, ob das Embryonenschutzgesetz novelliert werden müsse. Alle plädierten für eine entsprechende Initiative in der kommenden Legislaturperiode. Im Hinblick auf die Komplexität und Tragweite wurde die Einsetzung eine Enquetekommission vorgeschlagen, die die komplexen Fragen klären sollte. In Details gab es unterschiedliche Gewichtungen, etwa im Hinblick auf die Abwägung von Lebensschutz und Selbstbestimmung. Auch in den Positionen zu konkreten Regelungsfragen, z. B. Dreier-Regel, elektiver Single-Embryotransfer und Eizellspende, wurden Unterschiede deutlich. Wichtig sei es, alle relevanten Perspektiven und die gesellschaftlichen Folgen zu berücksichtigen. Eine breite angelegte Diskussion in Politik und Gesellschaft sei dafür unentbehrlich.

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Abschließendes Resümee

Abschließendes Resümee

Hermann Gröhe MdB, Stv. Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und Stv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hob den fraktionsübergreifenden Konsens hervor, die schwierigen Fragen eines Fortpflanzungsmedizingesetzes auf die politische Tagesordnung zu nehmen und gegebenenfalls die Grundsatzfragen in einer Enquetekommission zu erörtern. Prof. Thomas Krieg, Vizepräsident der Leopoldina, wies auf die große Bedeutung der Fortpflanzungsmedizin für Betroffene, aber auch für die Gesellschaft insgesamt hin. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssten mit ihren vielfältigen Implikationen in gesellschaftliche Debatten einfließen. Daher sei ein offener Austausch zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik so wichtig.

 

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Christina Thelen

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