Felix Kraft (KAS) begrüßte am 20. März die Gäste zum ersten Wetzlarer Gespräch, welches sich der Geschichte der deutschen Russlandpolitik seit 1990 widmete. Als neugewählter Bundestagsabgeordneter hielt Johannes Volkmann das Grußwort und betonte die Notwendigkeit eines vereinten und verteidigungsfähigen Europas. Die Landgrenzen Europas und das Bündnisgebiet müssten gestärkt werden, um Frieden durch eine Position der eigenen Stärke zu sichern. Er betonte weiterhin, dass die Grundgesetzänderung zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit ernst gemeint sei.
Privatdozent und Historiker Dr. Bastian Matteo Scianna nahm die Teilnehmenden in seinem Vortrag auf eine zeitliche Reise und Kontextsuche durch mehr als drei Jahrzehnte deutsch-russischer Beziehungen. Zu Beginn warf er die Frage auf, ob es im Umgang mit Russland ein Erkenntnis- oder ein Umsetzungsproblem gegeben hätte. Wichtig sei dabei, den heutigen Wissensstand zu vergessen und das Handeln der Beteiligten im jeweiligen historischen Kontext zu betrachten.
Für die historische Rückschau stellte Scianna die Besonderheiten der einzelnen Kanzlerschaften dar. So habe Helmut Kohl nach dem Ende der Sowjetunion für einen Marshallplan für Russland geworben, um das Land zu unterstützen. Er habe stets versucht, die Probleme im multilateralen Rahmen zu lösen und die europäischen Partner miteinzubeziehen. Innenpolitische Entwicklungen wie der Erste Tschetschenienkrieg hätten jedoch zu keiner Änderung von Kohls Politik geführt.
Gerhard Schröder habe den Wunsch nach einer multipolaren Welt vertreten. In Verbindung mit seiner anti-amerikanischen Haltung habe er Russland als ein Puzzleteil gegen die USA gesehen. Auch seine persönlichen Beziehungen zu Putin hätten die deutsch-russischen Beziehungen zu dieser Zeit geprägt. Trotz weiterer demokratischer Rückschritte in Russland habe Schröder die wirtschaftliche Zusammenarbeit, insbesondere im Energiebereich, gesucht. Während seiner Kanzlerschaft seien jedoch viele weitere Länder auf Russland zugegangen, sowohl wirtschaftlich als auch nach dem 11. September im gemeinsamen Anti-Terrorkampf. Die Sorgen der Osteuropäer in Bezug auf Russland habe Schröder dabei stets abgewertet.
Angela Merkel habe nicht nur Russland, sondern den osteuropäischen Raum in Bezug auf Sprache und Mentalität sehr gut gekannt und habe sich ebenfalls mit ihrer Politik von Gerhard Schröder absetzen wollen. Dabei habe sie auch Putin stets unangenehme Fragen gestellt. Nach der völkerrechtlichen Annexion der Krim im Jahr 2014 habe Deutschland eine Führungsrolle in den Verhandlungen übernommen. Obwohl es Merkel gelungen sei, Sanktionen in die Minsk-Abkommen zu verhandeln, seien diese zu schwach gewesen. Kein westliches Land habe die Annexion der Krim durch Russland jedoch zum Anlass genommen, die Ukraine massiv aufzurüsten. Auch sei es zu keiner Zunahme der Investitionen in das eigene Militär gekommen. Hier sei Polen die einzige Ausnahme geblieben.
Während Merkels Kanzlerschaft sei erkannt worden, dass sich Deutschland in einer russischen Abhängigkeit befand, jedoch sei daraus keine aktive Handlung abgeleitet worden. In Bezug auf Nord Stream 2 habe sogar der Glaube im Kanzleramt vorgelegen, dass man damit einen Hebel gegenüber Russland habe, da nun 70% der russischen Gasexporte nach Deutschland liefen. Dies sei jedoch eine Fehlannahme gewesen. Bis zu den Kriegsverbrechen in Butscha habe es stets eine Mehrheit von bis zu zwei Dritteln der Bevölkerung für die Umsetzung des Projekts gegeben. Man habe insgesamt dem Irrglauben der Utopie der Verflechtung aufgesessen und die eigene Einflussnahme auf die russische Außenpolitik überschätzt.
In der anschließenden offenen Diskussionsrunde habe Scianna betont, dass man russischen Narrativen mit harten Fakten begegnen müsse. Er habe das bekannte Narrativ der „Osterweiterung“ widerlegt, den Begriff der „legitimen“ Sicherheitsinteressen Russlands kritisiert und gezeigt, dass sich die verschiedenen gestreuten Narrative Russlands auch widersprechen würden. Ziel dieser Narrative sei es, die Handlungsfähigkeit beispielsweise in Deutschland zu zersetzen. Russland gehe nachrichtendienstlich aggressiver vor, beispielsweise durch offensives Hacking.
Auch Volkmann habe zum Ende der Diskussionsrunde betont, dass es keine Staaten zweiter Klasse gebe und jeder Staat selbst entscheiden dürfe, welchem Bündnis er beitreten wolle. Weiterhin habe er betont, dass Russland sich bereits mehrfach nicht an Verträge wie das Budapester Memorandum gehalten habe. Daher müsse man sich verteidigen können, damit man es nicht müsse, denn die Verteidigung der eigenen Freiheit sei es wert.
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